Drohne Ochotnik: Erster serienmäßig gebauter Kampfjet ohne Besatzung
- Drohne Ochotnik: Erster serienmäßig gebauter Kampfjet ohne Besatzung
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Ukraine-Krieg als Aufrüstungsmaschine: Russisches Militär spricht von einem Kampfflugzeug der sechsten Generation. Wichtiger Schritt in der Entwicklung fehlt noch.
Kriege wirken als Beschleuniger für technische Entwicklungen. Ein Satz, den man für wahr halten mag, der aber den Krieg fast als etwas Positives, ja geradezu Verherrlichendes beschreibt.
Wir sehen dennoch ganz nüchtern, rein deskriptiv, genau diese beschleunigte technische Entwicklung durch den Ukraine-Krieg auf allen Gebieten der Kriegstechnik, vor allem aber in der Luftwaffe. Besonders hervorzuheben ist die Entwicklung unbemannter Luftfahrzeuge in allen Größen, Rollen und Formen.
FPV-Drohnen revolutionieren Kriegsführung
Gegenwärtig sind auf beiden Seiten der Front hauptsächlich sehr kleine Fluggeräte erfolgreich, FPV-Drohnen, die nur wenige Zentimeter groß sind, oder etwas größere Kamikaze-Drohnen, die Lancet und die Shahed-136, die nur 1,53 Meter oder 3,50 Meter lang sind. Die größere Shahed bringt etwa 200 Kilogramm auf die Waage.
Die Evolution der Kampfdrohnen: Von Bayraktar bis Ochotnik
Größere Drohnen, wie etwa die Bayraktar, die 8,35 Meter lang ist und immerhin ein maximales Abfluggewicht von fast 1,5 Tonnen aufweist, sind aufgrund der fortschrittlichen Flugabwehr über dem Kriegsgebiet in der Ukraine, nicht effektiv einsetzbar.
Doch jetzt könnte noch in diesem Jahr eine neue, russische Drohne alles ändern. Sie ist mit einem vermuteten Leergewicht von 20 Tonnen ein wahres Monster unter den Drohnen. Im Vergleich dazu ist der Eurofighter, momentan Deutschlands fortschrittlichstes Kampfflugzeug, mit seinen 11,7 Tonnen fast schon ein Leichtgewicht. Die bekannte US-Drohne "Reaper" wiegt nur etwa 2,2 Tonnen.
Der russische Drohnen-Jet heißt Ochotnik, zu deutsch "Jäger", und ihre technische Bezeichnung lautet Suchoi S-70. Noch ist vieles unbekannt, doch die Entwicklung startete wohl um das Jahr 2011. Der erste Prototyp wurde 2017 vorgestellt und bereits zwei Jahre später absolvierte die neue, schwere Superdrohne ihren Jungfernflug. Jetzt soll sie noch in diesem Jahr in die Serienproduktion überführt werden.
Unbemanntes, vollwertiges Kampfflugzeug
Ihre schiere Größe zeigt: hier handelt es sich nicht um eine Aufklärungsdrohne, sondern um ein unbemanntes, vollwertiges Kampfflugzeug.
Die Ochotnik ist ein sogenanntes "Nurflügelflugzeug", d. h. alle wichtigen Komponenten wie Antrieb, Treibstoff, Fracht und Besatzung sind im Flügel untergebracht. Der derzeit bekannteste Vertreter dieser Bauart ist der US-Bomber Northrop B-2.
Das Höchstabfluggewicht der Ochotnik soll bei 25 Tonnen liegen, bis zu 2,8 Tonnen Waffen kann sie tragen. Das Saturn AL-31 Strahl-Triebwerk verschafft ihr eine Höchstgeschwindigkeit von 1.000 km/h und eine Reichweite von 6.000 Kilometer.
Das Triebwerk ist auch in der russischen SU-57 oder in der chinesischen Chengdu J-20 verbaut. Sowohl die russische SU-57 als auch die J-20 sind Tarnkappen-Jets der neuesten Generation. Mit der SU-57 teilt sich die S-70 Ochotnik viele Komponenten, die Entwicklung verlief parallel.
Tarnkappen-Technologie: Game-Changer im Luftkampf?
Das Besondere der neuen Drohne ist, dass es sich ebenfalls um ein Tarnkappenflugzeug handelt, das bedeutet also, dass die Ochotnik schwerer mit dem Radar aufzuspüren ist.
Das führt dazu, dass die Vorwarnzeit für Tarnkappenflugzeuge sinkt – Stealth-Flugzeuge sind durch Flugabwehr später und dadurch schwerer zu bekämpfen. Tarnkappenflugzeuge sind jedoch nicht gänzlich unsichtbar.
Zudem sollen neuere Radarsysteme, wie das russische "Nebo-M", in der Lage sein, Stealth-Flugzeuge auch in großer Entfernung aufzuklären. China gibt ebenfalls an, Tarnkappenflugzeuge aufspüren zu können. Damit wäre die Tarnkappeneigenschaft eines Flugzeuges weitestgehend wertlos. Dabei sind Tarnkappenflugzeuge in der Produktion sehr teuer.
Bisher setzt nur Russland mit der SU-57 ein Tarnkappenflugzeug im Ukraine-Krieg ein.
Die Ochotnik soll von dem Piloten der russischen SU-57, von der bisher wahrscheinlich nur 32 Einheiten hergestellt wurden, befehligt werden. Das Konzept nennt sich "Loyal Wingman", bei dem ein bemanntes Führungsflugzeug von einer unbemannten Drohne unterstützt wird.
Allerdings ergibt so ein Konzept wenig Sinn, da ein einzelner Pilot, wie in einer SU-57, von dem eigenen, komplexen Flugzeug schon tendenziell überfordert ist – sich noch zusätzlich um eine mitfliegende Drohne kümmern zu müssen, wäre schwierig.
Deshalb kann man sagen, dass eine derart große und fähige Drohne wie die Ochotnik erst ihr ganzes Potenzial entfalten kann, wenn eine weitere Komponente vollständig entwickelt ist, nämlich die der KI-Steuerung.
KI-Steuerung: Die Zukunft der autonomen Kriegsführung
Erst die Steuerung einer Kampfdrohne durch eine fähige Künstliche Intelligenz-Software lässt zu, dass eine Kampfdrohne selbstständig Aufträge ausführen kann. Ein derart autonomes Fluggerät könnte auch nicht mehr mit Mitteln der Elektronischen Kriegsführung abgefangen werden.
Denn die Elektronische Kriegsführung zielt darauf ab, die Steuerungssignale zu stören. Eine autonome Drohne, die von einer KI selber gesteuert wird, bedarf eines Steuerungssignales nicht mehr.
Die sechste Generation: Ochotnik und die Grenzen des Machbaren
Moskau bezeichnet die S-70 Ochotnik zudem als Kampfflugzeug der sechsten Generation und wirbt damit, dass es in der Lage ist, in den Weltraum vorzustoßen. Diese Information lässt sich zurzeit nicht bestätigen.
Russlands Luftwaffe hat sich im Ukraine-Krieg als ein entscheidender Faktor der neuesten Erfolge der russischen Armee gegen die Ukraine erwiesen. Hier ist besonders der massenhafte Einsatz der FAB-Freifall-Bomben, die durch den Gleitrüstsatz "UKPK" zu Präzisions-Gleitbomben hochgerüstet werden, zu nennen.
Bis zu 250 dieser bis zu 1,5 Tonnen schweren Bomben sollen pro Tag auf die Stellungen der ukrainischen Armee allein in Awdijiwka zum Einsatz gekommen sein. Und damit erheblich zum Verlust der ukrainischen Festungsstadt beigetragen haben.
Schwere Kampfdrohnen wie die Ochotnik könnten solcherart Kampfeinsätze ebenfalls durchführen. Kleinere Drohnen wie etwa die türkische Bayraktar Akinci, die von zwei Propellern angetrieben wird und die sich bereits im Einsatz befindet, haben auch die Möglichkeit, Gleitbombeneinsätze zu fliegen, auch wenn sie eine geringere Kapazität haben.
Die Akinci hat eine maximale Startmasse von sechs Tonnen und kann immerhin 1,5 Tonnen Bewaffnung mit sich führen. Sie hat eine Reichweite von 10.000 Kilometern, ist aber mit einer Höchstgeschwindigkeit von 361 km/h und einer Reisegeschwindigkeit von nur 280 km/h wesentlich langsamer als die Ochotnik.
Unbemannte vs. bemannte Kampfflugzeuge: Ein Vergleich
Unbemannte Kampfdrohnen haben generell drei große Vorteile gegenüber bemannten Jets: einerseits wird der Einsatz von unbemannten Flugsystemen nicht durch den menschlichen Faktor limitiert.
Das heißt, unbemannte Flugzeuge sind manövrierfähiger, weil sie nicht auf das Wohlergehen der Besatzung achten müssen. G-Kräfte limitieren die potenziellen Manöver eines bemannten Flugzeuges, weil ein Mensch nur bis zu einem gewissen Grad die Auswirkungen der Manöverlasten aushalten kann.
Andererseits schränkt die Verfügbarkeit von Piloten nicht die Anzahl der Einsätze der Kampfdrohnen ein. Eine Pilotenausbildung ist teuer und dauert sehr lange. Die Bedeutung der Pilotenausbildung auf die Schlagkraft einer Luftwaffe kann man zurzeit ganz gut im Ukraine-Krieg beobachten.
Die ehemalige Sowjetrepublik hat zahlreiche F-16 Kampfflugzeuge von westlichen Ländern erhalten. Doch kann die Ukraine diese bisher noch nicht einsetzen, weil ihr die Piloten fehlen. Diese befinden sich erst noch in der Ausbildung.
Dagegen könnten unpilotierte, autonome Flugdrohnen ohne Verzögerung frisch aus der Fabrik eingesetzt werden. Die KI müsste als Software lediglich aufgespielt werden und das Flugzeug wäre sofort einsatzbereit. Ebenfalls wird die Frequenz an Kampfeinsätzen nicht durch die Anzahl der verfügbaren Piloten begrenzt.
Theoretisch könnte also eine Flugdrohne, abgesehen von den technisch notwendigen Wartungspausen, die allerdings auch pilotierte Flugzeuge haben, ununterbrochen Kampfmissionen fliegen – eine KI wird nie müde.
Und zuletzt können durch unbemannte Drohnen riskantere Aufträge geflogen werden: Es steht bei einem potentiellen Abschuss der Drohne kein Menschenleben auf dem Spiel. So zögert die russische Führung mit dem Einsatz von Kampfflugzeugen im Hinterland der Ukraine.