E-Mail-Leak: So wurde die Gründung der neuen Wagenknecht-Partei organisiert

Ihren Namen behält die neue Partei bis zur Bundestagswahl 2025: Sahra Wagenknecht. Foto: © Raimond Spekking / CC BY-SA 4.0 (via Wikimedia Commons)

BSW lässt Vorsicht walten: Vorerst sollen nur 450 Mitglieder aufgenommen werden. Wer erwählt war, bekam heute Post. Lesen Sie hier, von wem sie kam – und was drinstand.

Das Bündnis Sahra Wagenknecht – für Vernunft und Gerechtigkeit (BSW) ist offiziell als Partei gegründet worden. "Der Name wird bis zur Bundestagswahl so bleiben", erklärte die Initiatorin Sahra Wagenknecht am Montag auf einer Pressekonferenz in Berlin.

Das sei in der Anfangsphase sinnvoll, damit Wahlberechtigte die voraussichtlich weit unten auf dem Stimmzettel stehende Partei überhaupt identifizieren könnten, verteidigte sie sich gegen den Vorwurf des Personenkults.

Die Menschen wüssten, wofür sie als Person stehe, so Wagenknecht. Allerdings teilt sie sich den Vorsitz in einer Doppelspitze mit Amira Mohamed Ali. Beide Politikerinnen waren im Oktober aus der Partei Die Linke ausgetreten und zuvor nacheinander Ko-Chefinnen von deren Bundestagsfraktion gewesen.

Neuer Name erst nach Bundestagswahl

"Nach der Bundestagswahl, wenn wir dann auch das Parteiprogramm beschließen und wenn die Partei dann wirklich auch konsolidiert ist und hoffentlich mit einer starken Fraktion im Bundestag vertreten ist, werden wir einen Namen finden, der unabhängig von meinem persönlichen Namen ist", stellte Wagenknecht am Montag klar.

Schließlich gehe es darum, das Projekt für die nächsten 30 bis 40 Jahre zu etablieren – so lange wolle sie angesichts ihres Alters gar nicht mehr aktiv Politik machen, sagte die 54-Jährige.

Auch bei der bevorstehenden Europawahl werde sie nicht als Spitzenkandidatin antreten, stellte Wagenknecht klar: Ihr Platz sei im Bundestag.

Weibliche Doppelspitze, Männerduo im EU-Wahlkampf

Allerdings werde sie bei den Landtags-Wahlkämpfen in Brandenburg, Sachsen und Thüringen aktiv dabei sein. Damit war auch die Frage beantwortet, ob die neue Partei dort jeweils antreten werde. Sie sei zuversichtlich, dass es gelingen werde, in allen drei Bundesländern rechtzeitig Listen mit kompetenten Kandidatinnen und Kandidatinnen aufzustellen.

Als stellvertretender Parteichef wurde am Montag der Unternehmer und Hochschulprofessor Shervin Haghsheno vorgestellt, als Generalsekretär der Bundestagsabgeordnete Christian Leye. Auch er gehörte bis vor Kurzem der Partei Die Linke an.

Schon 2022 ausgetreten war dort der Ex-Bundestagsabgeordnete Fabio De Masi. Er und der langjährige SPD-Politiker Thomas Geisel sollen für die neue Partei als Spitzenkandidaten bei der Europawahl antreten.

Irritationen beim Thema Sozialpolitik

Geisel hatte allerdings vor Kurzem Dinge geäußert, die auf den ersten Blick nicht so recht zum sozialpolitischen Markenkern des BSW zu passen schienen – dies führte auch auf der Pressekonferenz zu Nachfragen. Den "Arbeitsmarkt- und Sozialreformen" der Agenda 2010 und dem damit verbundenen Sanktionsregime beim Bezug von Lohnersatzleistungen schien er nämlich nicht abgeneigt.

Die SPD verließ er nach eigener Aussage, weil sie sich "in Zeiten eines gravierenden Fachkräftemangels vom Prinzip des Förderns und Forderns" aus Zeiten der Kanzlerschaft Gerhard Schröders verabschiedet habe.

Auf Nachfrage eines Reporters erklärte er dazu, Solidarität sei "natürlich immer auch ein Stück weit ein Geschäft auf Gegenseitigkeit". Fabio De Masi gab an, sich darüber intensiv mit Geisel ausgetauscht zu haben: "Klar ist: Wir streben an, mittelfristig eine Volkspartei zu sein", erklärte er dazu.

Druck auf Löhne durch Zumutbarkeitsregeln wird abgelehnt

Man wolle eine Arbeitslosenversicherung, in der langjährig Versicherte länger geschützt seien und lehne es ab, dass durch Zumutbarkeitskriterien bei der Jobvermittlung Druck auf die Löhne entstehe. Mitwirkungspflichten seien aber auch aus einer Fürsorgepflicht heraus notwendig, damit Betroffene "nicht in der Depression landen", so De Masi.

Wie Mitarbeitende im Jobcenter die psychische Verfassung ihrer Klienten beurteilen und entscheiden sollen, was gut für sie ist, wenn es ihnen schwerfällt, Termine einzuhalten, ließ er offen.

Ein weiteres Thema waren die Kriterien für die Mitgliedschaft in der neuen Partei: Vorerst sollen 450 aufgenommen werden, weitere wolle man erst einmal kennenlernen, um sicherzustellen, dass sie nicht in eine ganz andere Richtung wollen, stellte Wagenknecht klar.

Das steht im Aufnahmeantrag

Gut 30 Minuten hatten Sahra Wagenknecht und ihre Mitstreiter in der Bundespressekonferenz gesprochen, das schickte Jessica Tatti den potenziellen Mitgliedern eine wichtige E-Mail.

Die ehemalige Linken-Abgeordnete ist seit Kurzem Parlamentarische Geschäftsführerin der neuen Plenargruppe um Wagenknecht im Bundestag. An diesem Montag hat sie eine administrative Aufgabe. Sie hilft den handverlesenen Mitgliedern der neuen Partei beim Aufnahmeverfahren.

Um 13.35 Uhr erhalten mutmaßlich rund 400 Personen eine vorab angekündigte E-Mail, deren Text der Telepolis und Partnerredaktion der Berliner Zeitung vorliegt.

In dieser Mail, so kündigte Tatti an, finde sich "unten dein Aufnahmeantrag in unsere neue Partei". Wer dem Angebot nachkommen wolle, solle im Antwortfenster seine persönlichen Daten und die Höhe des Mitgliedsbeitrags eintragen.

Man beantrage damit die Aufnahme in die Partei "Bündnis Sahra Wagenknecht – Vernunft und Gerechtigkeit" und erkläre, "dass ich keiner anderen Partei oder anderen politischen, mit der Partei Bündnis Sahra Wagenknecht – Vernunft und Gerechtigkeit konkurrierenden Gruppierung oder deren parlamentarischen Vertretung in Bundes- oder Landtag angehöre".

Gründungsparteitag am 27. Januar

So weit, so bürokratisch – und doch gab es noch weitere Details. Wer beim Gründungsparteitag am 27. Januar in Berlin dabei sein will, weiß jetzt, was das kostet. Für den Aufbau der neuen Wagenknecht-Partei solle man "in der Regel" ein Prozent des Jahresnettoeinkommens aufwenden, mindestens aber 36 Euro im Jahr.

Erste Details hatte Tatti bereits am Abend des 30. Dezember einem kleinen Kreis von Parteimitgliedern bzw. Parteitagsdelegierten mitgeteilt, wie aus der gemeinsamen Recherche von Telepolis und der Berliner Zeitung hervorgeht.

In dem damaligen Rundschreiben war auch der Ablauf des Gründungstages grob umrissen worden. Der Ton war höflich, aber bestimmt: "Du bist bitte am 8. Januar um 13 Uhr an deinem Laptop". Dann würde, wie heute geschehen, der Mitgliedsantrag nebst eigens eingerichteter Adresse versendet.

Tatti ist offenbar auch für den Aufbau der entsprechenden Struktur in Berlin zuständig. Auf der Seite der neuen Wagenknecht-Partei ist noch eine Adresse in Karlsruhe angegeben. Intern weiß man: Das "Bündnis Sahra Wagenknecht" wird von einem Co-Working-Space in der Krausenstraße in Berlin-Mitte aus aufgebaut.

Das neue Projekt, so ist der internen Kommunikation zu entnehmen, nimmt damit Gestalt an. Tatti jedenfalls zeigte sich Ende Dezember sehr zuversichtlich: "Ich freue mich, dass wir diesen Weg gemeinsam gehen."

Kein direkter Wechsel von AfD zu BSW möglich

Ein direkter Wechsel von der AfD zum BSW solle nicht möglich sein, erklärte Wagenknecht auf Nachfrage einer Journalistin. Was "in Teilen dieser Partei" vertreten werde, sei "sehr, sehr weit weg von dem, was wir wollen", so Wagenknecht.

Wer politisch verfolgt werde, solle in Deutschland Asyl bekommen, betonten die BSW-Namensgeberin und ihre Ko-Chefin Mohamed Ali – allerdings befürworten sie ausdrücklich die Verlagerung von Asylverfahren an die Außengrenzen der EU.

Ein individuelles Asylrecht würden weniger als ein Prozent der Antragsteller erhalten, subsidiären Schutz gut die Hälfte, präzisierte Wagenknecht auf Nachfrage – allerdings bliebe auch ein Großteil der abgelehnten Antragsteller trotzdem in Deutschland, monierte sie. Ihre Ablehnung der Forderung nach einer Politik der offenen Grenzen war neben der Klimapolitik ein wesentlicher Streitpunkt mit dem Parteivorstand der Linken.

Auch ein Verbot der Neuzulassung von Autos mit Verbrennungsmotor an 2035 in der EU lehnt Wagenknecht ab – ihrer Meinung nach könnten deutsche Hersteller mehr mit verbrauchsarmen Verbrennern punkten als mit Elektroautos.

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