EU-Lieferkettengesetz: Große Unternehmen in der Pflicht, auch Kleinunternehmen betroffen

Container mit Paragraph und EU

EU-Lieferkettengesetz verpflichtet große Firmen zur Einhaltung von Standards. Auch Zulieferer sind betroffen. Wie weit reicht die Verantwortung in der Lieferkette?

Aus Angst vor der Lobby der Familienunternehmen wollte sich der Gesetzgeber beim Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) nur auf die großen anonymen Kapitalgesellschaften fokussieren, weil die Familiengesellschaften als friedliche Familie präsentieren, die unter der supranationalen Gesetzgebung zu leiden hätten.

Schlechte Arbeitsbedingungen scheinen bei Familienunternehmen gänzlich unmöglich zu sein, sodass man sicher war, dass dies auch für die ganze familiäre Lieferkette gilt und daher nicht dokumentiert werden müsste. Letztlich will niemand so genau wissen, unter welchen Bedingungen die zugekauften preiswerten Teile produziert wurden.

Sklaverei in den Lieferketten nimmt zu

Die Zahl der Opfer von Zwangsarbeit und Sklaverei steigt signifikant. Nach jüngsten Schätzungen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) sind es nunmehr 28 Millionen Menschen.

Ebenso werden weltweit immer mehr Kinder zur Arbeit gezwungen, weil der Lohn ihrer Eltern nicht reicht, in den Goldminen von Burkina Faso, als Textilarbeiterinnen und -arbeiter in Bangladesch oder auf Kakaoplantagen in der Elfenbeinküste. Ohne Kinderarbeit wären Kakao und Schokolade in Deutschland signifikant teurer.

Wer Fertigwaren oder auch Komponenten im globalen Handel international zukauft, muss jetzt darauf achten, dass seine Lieferanten die hierzulande geltenden Gesetze einhalten und dies auch dokumentieren können. Will er das nicht dokumentieren, darf er nur Teile verwenden, deren Lieferanten die benötigten Dokumentationen liefern können.

Inzwischen werden immer mehr Menschen ausgebeutet, damit man in den Industrieländern den gewohnten Lebensstandard halten kann. Kostengünstig einkaufen wollen hierzulande alle, aber woher und zu welchen Bedingungen die Waren oder ihre Komponenten produziert werde, will keiner wissen. Australien hat mit dem Modern Slavery Act verbindliche Melde- und Sorgfaltspflichten in Bezug auf die moderne Sklaverei festgelegt.

Seit dem Inkrafttreten des Acts haben mehr als 8.000 Unternehmen ihre Erklärungen zur modernen Sklaverei in das Online-Register der australischen Regierung eingetragen. Dieses Register muss per Gesetz öffentlich zugänglich sein, sodass jeder die Meldungen auch verfolgen kann.

Deutsche Unternehmen wollen sich jedoch immer noch darum drücken und machen die Verpflichtung zu einer verbindlichen Aussage zum Ausschluss von Sklaverei in den eigenen Lieferketten lächerlich.

EU-Lieferkettengesetz entschärft

Die nationale Lobbytätigkeit hat beim EU-Lieferkettengesetz dazu geführt, dass es nicht als Verordnung, sondern Ende Mai als Richtlinie verabschiedet wurde. Während eine Verordnung 21 Tage nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt in allen EU-Mitgliedsstaaten Gültigkeit erlangt, haben die EU-Mitglieder jetzt zwei Jahre Zeit, die Richtlinie in nationales Recht umzusetzen.

Das kann sich von Land zu Land gewaltig unterscheiden und von den jeweiligen Marktbeteiligten eine Niederlassung in jedem Land fordern, in welchem man seine Produkte vertreiben will. In der Folge kann auch der innergemeinschaftliche Handel in ähnlicher Weise eingeschränkt werden, wie dies heute schon auf der Basis der WEEE-Richtlinie geschieht.

Bei der nationalen Umsetzung spielen nationale Befindlichkeiten eine besondere Rolle

Große Unternehmen in der EU müssen zukünftig auf die Einhaltung von Menschenrechten und Umweltstandards in ihren Lieferketten hinwirken. Sie sollen künftig verpflichtet sein, Verantwortung für Mensch und Umwelt zu übernehmen und können sich nicht mehr darauf verlassen, dass sie bei schwacher Rechtsprechung in den Ländern entlang der Lieferketten Arbeits- und Umweltrecht einfach ignorieren zu können.

Nicht selten unterscheiden sich schon die nationalen Übersetzungen signifikant von den englischsprachigen Originaltexten aus Brüssel. Bei der Öko-Design-Richtlinie wurde im deutschen Text die Bundeswehr von der Anwendung explizit ausgeschlossen, was bei der Notifizierung des Textes nicht aufgefallen war.

Deutschland lässt sich bei der Umsetzung in nationales Recht oft mehr Zeit als von Brüssel vorgesehen, sodass sich im Laufe der Jahre zahlreiche Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland ergeben haben.

Was zur Kontrolle großer Unternehmen gedacht war, trifft auch die Kleinen

Mit der Idee, nur große Unternehmen dazu zu verpflichten, eine größere Sorgfalt bei der Auswahl ihrer Lieferanten walten zu lassen und dies auch zu dokumentieren, hat man offensichtlich übersehen, dass sich in den jeweiligen Lieferketten der Großunternehmen auch zahlreiche Kleinunternehmen befinden, die spezifische Leistungen erbringen.

Entlässt man diese aus der Lieferkettenbeobachtung, besteht die Gefahr, dass kritische undokumentierte Komponenten über Kleinunternehmen zugekauft werden.

Zudem sorgt die Verpflichtung der Großunternehmen zur Lieferkettenkontrolle dann auch zur Verpflichtung der lokalen Metzgerei, die das Catering für einen Standort eines solchen Unternehmens übernimmt, zur Lieferkettendokumentation.

Was die Einen jetzt als unnötige Bürokratie bezeichnen, ist den Anderen die gewohnte Rechtssicherheit, welche ohne Ausnahme für alle gilt. Wie man es dreht und wendet, es wird immer jemanden geben, dem die Vorgehensweise nicht passt und der sich dagegen mit aller Kraft zu wehren versucht.