EU und Ukraine-Krieg: Lieferung von Munition an Kiew nur erster Schritt?
- EU und Ukraine-Krieg: Lieferung von Munition an Kiew nur erster Schritt?
- Stufe 2: Gemeinsame Finanzierung, Stärkung der Waffenindustrie
- Stufe 3: Per ASAP zur Kriegswirtschaft
- Wo steht die EU?
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Waffenhilfe für die Ukraine: Plant Brüssel Aufbau europäischer Kriegswirtschaft und mehr Bestand für Rüstungsindustrie? Dafür braucht es einige Winkelzüge.
Am 20. März 2023 kündigte der EU-Rat einen dreistufigen Plan zur Lieferung, Beschaffung und Produktion von Munition an. Über verschiedene Instrumente und Töpfe werden dabei kurzfristige Maßnahmen zur Unterstützung der Ukraine mit langfristigen Ambitionen zum Aufbau einer europäischen Kriegswirtschaft verknüpft.
Der Plan besteht aus der Ko-Finanzierung von Munitionslieferungen der Mitgliedsstaaten an die Ukraine (Stufe 1), der Bezuschussung länderübergreifender Munitionseinkäufe (Stufe 2) sowie aus einem Maßnahmenpaket zur Ankurbelung der europäischen Munitionsproduktion (Stufe 3).
Zuletzt legte die Kommission am 3. Mai 2023 einen Verordnungsvorschlag zum Ausbau der europäischen Produktionskapazitäten vor, der noch vor der Sommerpause verabschiedet werden soll. Das dreistufige Paket sei in seiner Tragweite "beispiellos", jubelte aus diesem Anlass Industriekommissar Thierry Breton:
Um die Ukraine kurzfristig zu unterstützen, müssen wir weiterhin aus unseren Beständen liefern. Aber wir müssen auch die derzeitige Produktion neu priorisieren und sie vorrangig in die Ukraine leiten. […] Aber wenn es um die Verteidigung geht, muss unsere Industrie jetzt in den Kriegswirtschaftsmodus wechseln.
Thierry Breton, 3.5.2023
Stufe 1: EFF-Finanzspritze für den Ukraine-Krieg
Im März 2021 wurde unter der völlig irreführenden Bezeichnung "Europäische Friedensfazilität" (EFF) ein neuer Finanztopf ins Leben gerufen, mit dem fortan EU-Militäreinsätze und Waffenlieferungen an befreundete Akteure finanziert werden sollten. Weil Artikel 41, Absatz 2 des EU-Vertrages es eigentlich klar untersagt, Maßnahmen mit verteidigungspolitischen Bezügen aus dem EU-Haushalt zu finanzieren, wurde die EFF als "haushaltsexternes Budget" angelegt.
Das bedeutet, dass sie mit Geldern der Einzelstaaten befüllt wird, damit nicht offizieller Teil des EU-Haushaltes ist und so nicht unter das Verbot aus Artikel 41(2) fällt. Hierdurch wird nicht nur EU-Recht umschifft, sondern der Fonds gleichzeitig auch noch der Kontrolle des Europäischen Parlamentes entzogen.
Ursprünglich wurde für den Zeitraum von 2021 bis 2027 ein Betrag von 5,7 Milliarden Euro vorgesehen, allerdings war bald klar, dass dieses Geld bei Weitem nicht reichen würde, nachdem sich das Instrument schnell zu einer der wichtigsten Finanzierungsquellen für Waffenlieferungen an die Ukraine entwickelt hatte (siehe EU-Ertüchtigungsfonds: Tödliches Gerät außer Kontrolle).
Weil allein für die Bewaffnung der Ukraine bis dahin 3,6 Milliarden Euro bereitgestellt wurden und weil über diesen Topf auch noch andere Maßnahmen finanziert werden, beschloss der EU-Rat bereits im Dezember 2022 eine Anhebung der EFF-Obergrenze.
Sie wurde zunächst einmal um 2,287 Milliarden Euro erhöht, bei Bedarf können weitere vier Milliarden Euro mobilisiert werden. Nur dies ermöglichte es, Mitte April 2023 Stufe eins des EU-Munitionsplans zu zünden, indem angekündigt wurde, eine weitere Milliarde aus der Friedensfazilität bereitzustellen.
Das Geld soll den Mitgliedsstaaten zugutekommen, die der Ukraine rückwirkend vom 9. Februar bis zum 31. Mai 2023 Munition (vor allem 155mm Kaliber) aus eigenen Beständen liefern.
Geradezu euphorisch äußerte sich der EU-Außenbeauftragte Josep Borell anlässlich der Entscheidung:
Mit dem heutigen Beschluss setzen wir den ersten Teil der historischen Einigung um, die die EU-Führungsspitzen erzielt haben, um die sofortige Lieferung von Artilleriegeschossen im Wert von einer Milliarde Euro an die ukrainischen Streitkräfte zu unterstützen.
Josep Borrell, 13.4.2023