Ein ET-Rätsel für die Menschen

Die kanadischen Wissenschaftler, die bereits 1999 Botschaften für "Cosmic Calls" codierten, haben eine neue Sendung verfasst, um sie erst einmal von Menschen entziffern zu lassen: realistisch verrauscht

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Noch immer wissen wir nicht, ob wir alleine sind. 1960 begann der jetzige Direktor des SETI-Instituts Frank Drake mit einem Radioteleskop in West Virginia interstellare Radiosignale zu entdecken, die auf extraterrestrische intelligente Wesen verweisen könnten. Um die Chancen zu steigern, wurde von Drake am 16.11.1974 die erste Botschaft vom Arecibo Radioteleskop in den Weltraum geschickt, die mögliche außerirdische intelligente Lebewesen über die Existenz des Menschen informieren sollte. Dabei wurden 1679 digitale Zeichen, codiert durch zwei Radiofrequenzen in Form eines Piktogramms, in die Richtung des Sternhaufens Hercules geschickt (Vor 25 Jahren wurde die erste Botschaft in den Weltraum gesendet).

Die Botschaft von 1974

Eine Antwort auf diese Botschaft darf man sich allerdings noch nicht erwarten. Die 1974 angepeilten Sterne sind 25000 Lichtjahre von der Erde entfernt, so dass die Nachricht 25.000 Jahre braucht, um dort anzukommen. Eine Rückantwort würde dementsprechend insgesamt 50.000 Jahre dauern. Die interessante Frage wäre dann, ob die Nachkommen der Menschen, sofern es solche noch geben sollte, die eigene Botschaft noch verstehen würden?

Etwas handfester ist man 1972 vorgegangen und hat an den Sonden Pioneer 10 und 11 auf Betreiben des Astronomen Carl Sagan eine vergoldete Aluminiumplatte angebracht, auf der bildhafte Nachrichten über die Menschen, das Sonnensystem, die Erde und die Sonden eingraviert waren (Pioneer 10 - Nabelschnur zum Mutterplaneten endgültig durchtrennt). Schließlich folgten 1977 noch Voyager 1 und 2, die gar eine goldene Schallplatte mit sich führen, auf der sich Bilder, Begrüßungen in vielen Sprachen, irdische Töne unterschiedlichster Herkunft vom Walgesang über einen LKW bis zu einem Kuss und Musikstücke etwa von Bach oder Chuck Berry befinden (Voyager 1 - Unterwegs in die Ewigkeit).

Die kanadischen Physiker Yvan Dutil und Stéphane Dumas haben bereits 1999 wieder auf die billigere, aber auch abstraktere Sendung zurückgegriffen. Ab diesem Jahr versendeten sie von einem Radioteleskop in der Ukraine mehrere Cosmic Calls in Richtung auf vier Sonnen, die dieses Mal "nur" 60 Lichtjahre entfernt sind, so dass mögliche Antworten etwas mehr als 100 Jahr benötigen würden. Die Wissenschaftler codierten eine Botschaft, die aus 23 Seiten besteht und digitalisierte Piktogramm- und Schriftsymbole enthält. Wie üblich wurden damit wissenschaftliche Ideen beschreiben, von denen man glaubt, dass sie universell gültig sind. Aber es befanden sich auch Darstellungen des Sonnensystems, von einem menschlichen Paar oder der DNA darunter. Am Schluss der Informationen werden die Empfänger aufgefordert, einige Fragen zu beantworten, die mit den Inhalten der Botschaft zu tun haben. Dieser ET-"Test" würde, sofern eine Beantwortung erfolgt, eine Art gemeinsamer Verständigungsgrundlage schaffen.

Die erste "Seite" des Cosmic Call

Eine Antwort kam natürlich noch nicht. Beim ersten "Cosmic Call" hatten sich überdies noch Fehler eingeschlichen. Erkannt haben dies nicht die ETs, sondern ein ganz menschlicher Wissenschaftler. So fand der niederländische Programmierer Paul Houx heraus, dass an zwei Stellen ein Gleichheitszeichen durch ein falsches Symbol dargestellt wird. Die fehlerhafte Botschaft sauste ab, wurde aber dann korrigiert mit der zweiten Botschaft noch einmal verschickt (Fehlerhafte Botschaft an die Außerirdischen).

Normale Menschen würden die Botschaft nicht verstehen, sagten Dutil und Dumas damals. Sie könne von Wissenschaftlern entziffert werden, doch die "Seiten" müssten nacheinander gelesen werden. Enthält die erste Seite noch Redundanzen, erklärt die Symbole und enthält die Primzahlen von 2 bis 89, so müssen die Informationen der folgenden Seiten durch Assoziationen und Vergleiche, aufbauend auf den Informationen der jeweils vorausgegangenen Seiten, erschlossen werden. Die Botschaft an die ETs ist also eher als Rätsel für die Zeitgenossen zu verstehen. Und um diese noch einmal herauszufordern, haben Dutil und Dumas, jetzt eine neue Botschaft aus einer Menge Nullen und Einsen geschrieben, die überdies auch viel Rauschen enthält, nämlich 10 Prozent. Wer will, kann sich ans Entziffern machen. Und so sieht der erste Teil aus:

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Die neue Botschaft soll auch in den Weltraum an etwaige außerirdische Empfänger verschickt werden. Vorgesehen ist dies noch für dieses Jahr. Doch jetzt soll sie besser gegen Störungen während der Übertragung gesichert sein. Daher wurde Rauschen hinzugefügt, während die Wissenschaftler andere Teile der Botschaft, so berichtet New Scientist, zerstörten. Mit diesen Beeinträchtigungen wollen sie die Störungen simulieren, die beim Senden auftreten. Die Botschaft müsse so verfasst sein, dass sie trotz der Beschädigungen weiterhin verständlich bleibt. Der binäre Code enthalte aber hinreichend Hinweise, um trotz solcher Beeinträchtigungen entzifferbar zu sein.

Für die Zukunft haben die kanadischen Wissenschaftler noch größere Pläne. Sie wollen eine Software schreiben, die automatisch alle Botschaften von ETs entziffern können soll, auch wenn diese stark in Mitleidenschaft gezogen worden sind. Darauf wird man gespannt sein dürfen. Das klingt wie die Schaffung einer Universalsprache, die schon lange ein Traum der Philosophen war und eine Übersetzbarkeit aller Sprachen in alle anderen garantieren würde. Möglicherweise liefert ja Seti@home einmal eine Botschaft (SETI@home: Größtes Computerexperiment aller Zeiten feiert doppeltes Jubiläum), um sich zu erproben. Am Seti-Institute versucht man sich auch an der Komposition von interstellaren Botschaften, um, wie Douglas Vakoch sagt, neue Wege zu finden, Botschaften zu schreiben, aber auch Möglichkeiten zu eröffnen, etwaig eintreffende Botschaften auch entziffern zu können. Vielleicht stößt man ja dabei auf einen Rosetta-Stein ...