Ein Joint fürs Herz?

THC, der Wirkstoff in Hasch, hält die Blutgefäße sauber

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Cannabis gilt nach wie vor als illegale Droge, auch wenn der private Konsum heutzutage oft nicht mehr bestraft wird. Dennoch mehren sich die Erkenntnisse, dass Hasch in verschiedenen Bereichen ein wirksames Medikament ist. Neue Forschungen haben jetzt gezeigt, dass der Hauptwirkstoff der Hanfpflanze, das THC (Tetrahydrocannabinol), die Arterienverkalkung verhindern kann. Zumindest bei Mäusen.

Wenn sich an den Innenwänden der Puls- oder Schlagadern (Arterien) im menschlichen Körper Ablagerungen bilden, dann spricht man von Arterienverkalkung oder medizinisch präziser Arteriosklerose. Diese Erkrankung führt zu Herzinfarkt und Schlaganfall, die für die Hälfte aller Todesfälle in westlichen Gesellschaften verantwortlich sind. Viele Risikofaktoren sind bekannt, aber weltweit werden auch Arzneien gesucht, um die Arterienverkalkung auszubremsen.

In der aktuellen Ausgabe des Wissenschaftsmagazins Nature berichten Sabine Steffens und Kollegen von der Universität Genf und der Universität Bonn über ihre neuesten Versuche mit Cannabinoiden. Die Hanfpflanze Cannabis sativa ist eine alte Medizinpflanze. Zunehmend werden heute wieder Haschischprodukte eingesetzt, um Krankheitssymptome und speziell Schmerzen zu bekämpfen. In vielen Bereichen ist die Wirksamkeit inzwischen unumstritten, in anderen wird noch debattiert und erprobt ("Ja, ich habe inhaliert"). In der Bundesrepublik wird intensiv an den therapeutischen Möglichkeiten von Cannabis geforscht, in Großbritannien ist die Zulassung eines Hanf-Sprays beantragt (Cannabis hilft gegen Schmerzen).

Mäuse mit sauberen Blutgefässen

Im Anfang ist immer der Tierversuch. Das Team um Sabine Steffens verabreichte Labormäusen, die durch eine spezielle Diät ordentlich hohe Blutfettwerte hatten, den aktiven Inhaltsstoff von Cannabis, delta-9-tetetrahydrocannabinol (delta-9-THC). Allerdings in der sehr niedrigen Dosierung von einem Milligramm pro Kilogramm Körpergewicht pro Tag, so dass die Tierchen nicht high wurden. Diese Behandlung führte zu einer signifikanten Verminderung der fettigen Ablagerungen in den Arterien und damit des tödlichen Risikos durch Herzinfarkt und Schlaganfall.

THC lagert sich an zwei verschiedene Rezeptoren an, dem Cannabinoid-Rezeptor Typ 1 (CB1) und dem Cannabinoid-Rezeptor Typ 2 (CB2). CB1 sind Rezeptoren an den Außenwänden von Nervenzellen und Haschisch ruft in diesem Bereich sowohl die psychoaktiven als auch die schmerzlindernden Effekte hervor. CB2 findet sich dagegen auf Zellen des Immunsystems.

Wie die Forscher vermutet hatten, bremst das THC durch seine Bindung an CB2 die Arteriosklerose aus. Bekamen die Mäuse einen chemischen Wirkstoff verabreicht, um die Anlagerung an diese Rezeptoren zu verhindern, blieb die günstige Wirkung aus, die Verengung der Blutgefässe schritt fort.

Entscheidend war die Dosis an THC, die die Versuchstiere bekamen. Wurde die THC-Menge erhöht oder vermindert, gab es keinen therapeutischen Effekt mehr auf die Arterien. Das erinnerte die Wissenschaftler an die positiven Wirkungen von Alkohol, speziell Rotwein (In vino sanitas) auf das Herz, wenn der Konsum eine kleine tägliche Menge nicht überschreitet. Ähnliches gilt auch für Zartbitterschokolade (Über die Wirksamkeit von Flavonoiden).

Beschlagnahme Formen von Cannabis-Aufbereitungen (Bild: Fife Constabulary)

Entsprechend legen Steffens und Kollegen auch nachdrücklich Wert auf die Feststellung, dass sie niemanden dazu auffordern, täglich einen Joint zu rauchen, um einem Herzinfarkt vorzubeugen. „Diese Studie hat mit dem Rauchen von Marihuana überhaupt nichts zu tun“, betont der Co-Autor François Mach von der Universität Genf. Das meint auch Michael Randall von der University of Nottingham Medical School gegenüber Nature, der sich ebenfalls mit der potenziellen Wirksamkeit von Cannabis bei Herzkreislauferkrankungen auseinander gesetzt hat: “Diese Ergebnisse bedeuten nicht, dass das Rauchen von Cannabis vorteilhaft für das Herzkreislaufsystem ist, weil der Cannabisrauch viele Gifte enthält, die sogar Herzkreislaufkrankheiten verursachen können.“

Michael D. Roth von der University of California in Los Angeles, der schon zu THC und Krebs geforscht hat (Cannabis und Krebs), betont das in seinem News&Views-Artikel ebenfalls und merkt an, dass diese Studie einen neuen Ansatz liefert, künftig genauer auf die verschiedenen Wirkungen von THC abzuzielen.

Die Unterschiede bei der Bindung an die CB1- und CB2-Rezeptoren müssen möglichst präzise berücksichtigt werden, um neue medizinische Therapien zu entwickeln – zum Beispiel gegen chronisch entzündliche Darmerkrankungen. In München läuft gerade eine Studie zur Wirksamkeit eines Cannabispräparats bei Patienten mit chronischem Morbus Crohn (vgl. Der Darm als unbekannte Größe und Therapeutischer Einsatz von Cannabis bei Patienten mit Morbus Crohn), die auf Forschungen an Mäusen im Labor der Max-Planck-Gesellschaft beruht, wobei die Forscher sich auf die CB1-Rezeptoren konzentrierten (Cannabinoide im Kampf gegen Darmentzündungen).