Ein Reiseführer für Konzerne

Die "RiskMap 2004" soll Unternehmen durch die krisengeschüttelte Welt steuern

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Control Risk Group (CRG), ein Unternehmen für Sicherheitsberatung, das vor gut 30 Jahren gegründet wurde, heute mehr als 400 feste Mitarbeiter beschäftigt und 70 Firmen aus der Fortune-100-Liste als Kunden hat, die ihre Dienste abonnieren - in Deutschland sind es ein großer Teil der Dax-Unternehmen -, hat die RiskMap 2004 veröffentlicht.

Cover der RiskMap 2004 (Control Risk Group)

Die RiskMap2004 bietet einen Überblick über Trends im Bereich globaler Unternehmensrisiken. Sie besteht aus einer großen, zweiseitigen Weltkarte, Essays, Länderportraits, Grafiken, u.v.m. Elemente, die sich aus einer Datenbank zusammensetzen, die in einem War Room der besonderen Art ihr physisches Zentrum hat: dem so genannten Control Risk Information Center. Dort sitzen 40 Mitarbeiter, die täglich Daten einspeisen, Notstandsmeldungen evaluieren, Warnungen aufarbeiten und Kriseneinschätzungen aktuell halten.

17 Außenbüros spannen das CRG-Basisnetzwerk aus sogenannten Stringern. Leute, die abrufbereit in Städten wie Duschanbe und Diyabakir, Taschkent, Brazzaville und Beijing, Lagos und Lima, im Gazastreifen oder in irgendwelchen Homelands sitzen. Andere Mitarbeiter der CRG sind CEOs von Söldnerunternehmen, ehemalige Soldaten, pensionierte Polizeichefs oder Ex-Geheimdienstler. In den letzten Jahren konnten darüber hinaus viele Politologen, Ingenieure und Journalisten angeworben werden. Ebenso interdisziplinär ist die Crew, die die RiskMap 2004 erstellt hat.

US-Außenpolitik als wirtschaftlicher Schlüsselfaktor

Im Mittelpunkt der Betrachtung steht einmal mehr die Außenpolitik der USA. Sie sei der Schlüsselfaktor, der die Weltwirtschaft konditioniere, auch wenn sich die Prioritäten von der ökonomischen hin zur Sicherheits-Domäne verschoben haben, wie Deputy Research Director Paul Doran in seinem Beitrag "Business and the Bush Doctrine" festhält. Bereits die letzte Ausgabe, der seit mittlerweile mehr als 10 Jahren publizierten RiskMap, zeichnete die Folgen dieser politischen Talfahrt in überwiegend tristen Farben.

Sollte Bush beim Sturz von Saddam Hussein erfolgreich sein, werde er 2004 nicht nur wiedergewählt. Darüber hinaus, so glaubten die Analysten damals, werde seine unilaterale Politik des Interventionismus weiterhin Bestand haben und der "Krieg gegen den Terror" die Welt nachhaltig im Ausnahmezustand der geschäftsschädigenden Unsicherheit halten. Ein Aufschwung für die Weltwirtschaft, den das gegenteilige Szenario mit sich bringen würde, bliebe damit aus.

In ihrem diesjährigen Jahresreport weicht das Team rund um Research Director Jake Stratton von dieser Linie nicht ab. Doch spricht es auch von Chancen. Stratton kleidet diese Sicht in der Einleitung wie folgt in Worte:

A small minority of companies [...] demonstrate[s] that active and rigorous risk management programmes can open up new corporate possibilities: While setting out a number of emerging risks that international business needs to confront in all corners of the globe, the starting position of RiskMap2004, and indeed all its predecessors, is that few - if any - of these problems are insurmountable for companies that think ahead, adapt, and above all have confidence in their ability to protect their core business.

Goldgräberstimmung in Pakistan?

Vor diesem Hintergrund ist es nicht ganz so erstaunlich, dass zwei "riskante Länder" als neue ökonomische Lichtblicke gehandelt werden. Auch ihr gewandelter Status leitet sich aus dem bereits angesprochenen Kurswechsel der US-Außenpolitik ab. So würden schließlich nicht mehr die vermeintlichen freien Marktwirtschaften von morgen von der USA finanziell unterstützt, sondern strategische Partner beim Krieg gegen den Terror. Im Sinne einer Abkehr von dem "foreign-policy-as-social-work"-Motto der Clinton-Regierung werde die Kapitalhilfe, die einst Argentinien, Brasilien und Mexiko zukam, in die Türkei und nach Pakistan umgeleitet.

Zwei überaus dubiose Staaten haben also den Platz von model emerging markets eingenommen und erfreuen sich fortan freundlicher Zuwendung:

Investors looking at Pakistan and Turkey, who were previously deterred by issues such as ballooning deficits, creaking banking systems or corruption, are becoming more bullish about these two countries, emboldened in the knowledge that the US will not allow key Muslim allies to suffer financial collapse. Elsewhere, investors will draw back from countries like Argentina that no longer enjoy US financial guarantees.

Paul Doran

Keinesfalls wollen die Reiseführer von der Control Risks Group ihre Kunden in die Irre führen, wenn sie ihnen Pakistan an Herz legen. Ihr Motto lautet schließlich: think ahead, adapt. Und so ist ihnen daran gelegen, ein möglichst realistisches Bild dieses Landes zu zeichnen, dass sie auf ihrer Hitparade in der Kategorie politisches Risiko mit einem M und in puncto Sicherheitsrisiko mit einem H bedacht haben.

Legenden gegen die Legendenbildung

Das M steht dabei für Medium, während H für High steht. Mit Hilfe der Risk Map-Legende lassen sich diese Symbole wie folgt übersetzen:

Medium (Political Risk)

Foreign business is likely to face some disruption from state or non-state actors OR long-term investment security cannot be guaranteed. There is a risk for business of exposure to some or all of the following: corruption; strong and hostile lobby groups; absence of adequate legal guarantees; restrictions on imports or exports; weak political institutions; and capricious policy-making. In some Medium risk countries there is a latent threat of military or other illegal intervention.

High (Security Risk)

There is a probability that foreign companies will face security problems; special measures are required. Assets and personnel are at constant risk from violence or theft by state or non-state actors OR there is a high risk of collateral damage from terrorism or other violence. State protection is very limited.

Nachdem man diese Einstufung mit den prognostischen Detailinformationen im Länder-Dossier gegengelesen hat und zu einer ausgewogenen Einschätzung der lokalen Lage gekommen ist, ermöglicht ein Blick auf die große Weltkarte den globalen Durchblick. Pakistan, in der Sicherheitsrisiko-Übersicht rot eingezeichnet, ist nur eines unter vielen Ländern, die gleichermaßen rot eingefärbt sind. Rot sind nämlich nicht nur Teile Perus, Kosovos und Bosniens, sondern ganz Haiti, Kolumbien, Afghanistan, Irak, Zimbabwe und mehr als 10 weitere Länder im Mittleren Osten, Afrika und Asien. Überwiegend teilt sich die Welt derweil in türkis (stellvertretend für L wie Low) und orange (stellvertretend für M wie Medium) auf.

Auf der Übersicht für politisches Risiko geht Pakistan im Mehrheitsfarbton orange auf. Türkis eingefärbt sind nur Nordamerika, Europa, Brasilien, Südafrika, Indien, Tansania, Japan, Oman und Marokko. Diese beiden Übersichten sind es, die zwei Seiten eines ausfaltbaren Posters bilden, das, dieses Jahr auf Hochglanzpapier gedruckt, sicherlich auch daran erinnern soll, dass es sich um zwei Seiten ein und der selben Münze handelt. Wer erfolgreich in der so genannten Zweiten und Dritten Welt Geschäfte machen will, sollte vermutlich beide bedenken. Ideologische Kriterien sind diesem Atlas der Globalisierung jedenfalls fremd.