Ein Virus mit mehrfachen Entschuldigungen

Im elektronischen Nahost-Konflikt wurde jetzt ein harmloser Wurm ausgeschickt, der zur Solidarität mit den Palästinensern aufrufen soll

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Ein großen Schaden hat ein neuer Virus noch nicht angerichtet. Besonders gefährlich scheint er auch nicht zu sein. Antiviren-Firmen stufen ihn als mittel gefährlich ein. Aber er ist wahrscheinlich ein Novum und trägt einen weiteren Aspekt zum sogenannten Infowar bei.

Computer Associates haben dem Wurm gleich den entsprechenden Namen gegeben: "Injustice". Bei Mails, die den Wurm mit bringen, steht auf der Adresszeile "RE:Injustice". Dazu gibt es den Text: "Dear ... Did you send the attached message, I was not expecting this from you !" und natürlich das Wichtigste, den Anhang: "injustice.TXT.vbs", der den Wurm enthält (genauere Informationen bei Trend Micro).

Wahrscheinlich ist es der erste Wurm, dessen Hersteller genuin politisch motiviert ist. Öffnet man den Anhang, so werden die Daten auf der eigenen Festplatte nicht beschädigt. Doch sucht der Wurm 50 Emailadressen aus dem Adressbuch des Programms Microsoft Outlook und schickt sich so weiter, was möglicherweise die Mailserver beeinträchtigen könnte, wenn ganze Fluten mit diesem Computerwurm ausgelöst werden. Allerdings ist die Ausbreitungsrate auch nicht besonders schlimm.

Der Wurm schickt sich aber auch noch an 25 Emailadressen der israelischen Regierung ( ...gov.il) und öffnet dann 6 Fenster des Internet Explorers mit palästinensischen Websites, wenn man online ist. Dazu gehört eine Online-Petition für eine internationale Schutztruppe, Hisbollah-Seiten wie www.palestine-info.org und Seiten, die die Freilassung von Gefangenen fordern oder die Taten der Israelis anklagen.

Überdies taucht auf dem Bildschirm dieser Text auf: "Sie brauchen keine Angst zu haben. Das ist ein harmloser Virus. Er wird Ihrem System nichts tun. Die Absicht ist, den palästinensischen Menschen zu helfen, in ihrem eigenen Land in Frieden zu leben." Im Code lässt sich auch noch dieser Text finden: "Only to 50 entries - not to disturb network and mail servers." Der Versender will offenbar seine Botschaft möglichst so verbreiten, dass die Stimmung nicht gegen die Sache, der sie dienen soll, zurückschlägt. Der Wurm also als Mittel der massenhaften Verbreitung von politischer Propaganda. Anstatt, wie bislang üblich, Aufmerksamkeit auf ein bestimmtes Anliegen zu lenken, indem man eine Webseite verändert, schickt man jetzt die Botschaft direkt in die Computer der einzelnen Internetbenutzer.

Seit Oktober des letzten Jahres spielte sich der Konflikt zwischen den Palästinensern und des Israelis auch im Internet ab (Intifada im Cyberspace). Begonnen hatte es damit, dass ein Israeli zu Beginn der Intifada eine Website der Hisbollah lahmlegte. Daraufhin konterten die Palästinenser mit Angriffen auf Server der israelischen Regierung, die sie tagelang aus dem Verkehr ziehen konnten. Es wurden Websites eingerichtet, auf denen sich Programme befanden, mit denen man bestimmte Websites automatisch bombardieren konnte. Israelische Internetnutzer reagierten entsprechend.

Dazu kamen wechselseitige Cracks von Websites, die mit entsprechenden Parolen versehen wurden. Auch auf amerikanische Firmen weitete sich die Auseinandersetzung aus. In eine jüdische Website in den USA drangen Cracker ein und klauten Kreditkarteninformationen und Adressen (Jüdische Website in den USA gecrackt). Vornehmlich die Palästinenser hatten zu Beginn, zumal sie mit ihren Angriffen überlegen zu sein schienen, große Hoffnungen, mit der elektronische Intifada Israel schaden zu können (Kämpfe im Internet gehen weiter). So dachte man, dass man durch die Lahmlegung von Websites israelische Unternehmen und damit dem ganzen Staat finanziell schaden könne.

Ob freilich der Aussender des Wurms eine Solidaritätswelle auslösen wird, die etwa zum Unterschreiben der Petition führt, darf man gleichwohl bezweifeln. Anders als mit einem Aufruf in einer Email ist ein Wurm bei aller Ungefährlichkeit und Harmlosigkeit dennoch eine Belästigung. Da helfen vermutlich auch die zahlreichen Entschuldigungen nichts, die mit dem Wurm mitgeliefert werden: "PLEASE ACCEPT MY APOLOGIES FOR DISTURBING YOU." Und wie immer bei solchen Propagandafeldzügen richtet sich die Anklage nur gegen eine Seite, was die mögliche Hoffnung des Wurm-Absenders auf ein Ende des Blutvergießens nicht gerade stärken dürfte.