Empörung kehrt auf spanische Plätze zurück
Mit massiven Protesten begehen die "Indignados" den Jahrestag der Entstehung ihrer Bewegung
An diesem Wochenende vor einem Jahr entstand die Empörten-Bewegung in Spanien mit Demonstrationen in mehr als 50 Städten. Vom heutigen Samstag bis zum kommenden Dienstag den 15. Mai, dem genauen Jahrestags-Datum, will die "Bewegung 15-M" den Geburtstag der Indignados in Spanien mit etlichen Demonstrationen und Protesten im ganzen Land begehen.
Der Virus (Europa vom Empörten-Virus infiziert) ist längst weit über die Grenzen hinaus getragen; in diesem Jahr wird weltweit demonstriert. Geplant ist auch, auf zentralen Plätzen der Städte in Spanien wieder dauerhafte Protestversammlungen durchzuführen, um neue Proteste planen und die Diskussionen vertiefen zu können. Wochenlang wurden im vergangenen Frühling die Protestlager aufrechterhalten, bis sie schließlich im Juni freiwillig geräumt wurden.
Regierung gegen Protestlager
Im Vorfeld des Protestwochenendes der "Indignados" drehte sich die Debatte vor allem darum, wie die im vergangenen Herbst an die Macht gekommene konservative Volkspartei (PP) mit den Protesten umgehen wird. Zwar hatten auch die sozialistischen Vorgänger zunächst versucht die Camps zu räumen, wegen der massiven Unterstützung der Bevölkerung duldete man sie aber meist. Ein Versuch, den zentralen Platz in Barcelona brutal zu räumen, misslang.
Die Konservativen aber wollen "es in keiner Stadt" erlauben, dass erneut Protestlager errichtet werden. Innenminister Jorge Fernández Díaz sagte "Die Plätze der Städte sind keine Campingplätze und das Ministerium darf keine illegalen Akte erlauben." Im Baskenland und Katalonien, so schränkte der Innenminister aber ein, könne die Zentralregierung Protestcamps nicht verhindern, da diesen beiden Autonomiegebieten die entsprechenden Kompetenzen übertragen wurden.
Dass es aber nicht ums Campen geht, haben die Aktivisten und hunderttausende Unterstützer mit ihren zumeist friedlichen Protesten bisher verdeutlich. Nachdem die Plätze im vergangenen Jahr spontan besetzt wurden, versuchte man nun, sich Dauerproteste genehmigen zu lassen. Für den zentralen Platz in der Hauptstadt Madrid - Puerta del Sol - wurde eine Protestversammlung für 96 Stunden angemeldet. Der "Sol" ist das Wahrzeichen der Bewegung. Von hier aus hatte sich die Bewegung über das gesamte Land ausgebreitet.
Der Antrag wurde abgelehnt. Das Recht auf Versammlungsfreiheit wird eng ausgelegt.
Die Anwesenheit einer bestimmten Gruppe für einen solch langen Zeitraum vermindert die Rechte der übrigen Bevölkerung und ist eine klare Beeinträchtigung für die geschäftlichen Aktivitäten und der Freizeitnutzung dieses Platzes und seines Umfelds.
"Nie zuvor gab es so viele Gründe für den Protest"
Die Aktivisten glauben aber, dass der Protest insgesamt der Regierung ein Dorn im Auge ist. Sie erinnern daran, dass es ihnen am 1. Mai nicht einmal gestattet wurde, auf dem Sol einen Informationstisch aufzustellen.
"Es soll verhindert werden, dass sich in diesem Jahr zeigt, dass der Protest noch stärker geworden ist", erklärt José. Seinen Nachnamen will er nicht nennen, weil er Aktionen mit vorbereitet. Er befürchtet Repressalien einer Regierung, die sogar Schüler als "Feinde" bezeichnet hat und ihre Proteste in Valencia brutal auflösen ließ. Kike Castelló, ein Sprecher der Vereinigung "Wahre Demokratie Jetzt" (DRY, die im vergangenen Jahr die Demonstrationen organisierte, sagt:
Bei den Menschen soll ein Klima der Angst geschaffen werden.
Er erinnert daran, dass Veränderungen im Strafrecht geplant sind, um sogar "passiven Widerstand" als "Angriff auf die Staatsgewalt" einzustufen.(Aufruf zu Protesten im Internet soll als Bildung einer kriminellen Vereinigung bestraft werden) Sogar ein Sitzstreik, mit dem eine öffentliche Einrichtung blockiert wird, kann wie ein tätlicher Angriff auf einen Polizisten gewertet werden. Kommt es nach einem Aufruf zum friedlichen Protest doch zu Krawallen, sollen die Organisatoren dafür haftbar gemacht werden. Geplant sind Haftstrafen von mehr als zwei Jahren, damit auch Untersuchungshaft angeordnet werden kann.
"Nie zuvor gab es so viele Gründe für den Protest", sind die Aktivisten überzeugt. Sie führen die massiven Einschnitte ins Sozialsystem an, mit der versucht wird, das Haushaltsdefizit zu senken, während gleichzeitig Milliarden in Banken gesteckt werden. Besonders kritisiert wird die Arbeitsmarktreform, die den Kündigungsschutz praktisch beseitigt (Hunderttausende zogen zum Generalstreik in Spanien auf die Straßen) und die Arbeitslosigkeit nun auf 24 Prozent anschwellen ließ, und die harten Einschnitte ins Bildungs- und Gesundheitssystem.
Was ist der Plan?
Auch im Bereich Forschung und Entwicklung wird besonders stark gekürzt. Der 30-jährige Forscher Alberto Sicilia war hat im vergangenen Jahr nicht protestiert. Doch nun engagiert auch er sich angesichts der Tatsache, dass mehr als 50 Prozent der Jugend keinen Job hat. In Scharen verlassen gut gebildete Leute das Land. "Forscher, die das Land verlassen haben, sind ein unglaublicher Verlust", kritisiert er, weil dem Land die Zukunft verbaut werde.
Die Bewegung habe viele Menschen verändert und längst Einfluss gewonnen. Ein Erfolg ist, dass Räumungen vieler Familien aus ihren Wohnungen verhindert wurden, die wegen Arbeitslosigkeit den Kredit nicht mehr bezahlen können. Die Proteste haben dazu geführt, dass nun Banken oft Kreditnehmern hohe Restschulden erlassen und sie zum Teil als Mieter in ihren Wohnungen lassen ("Der Druck der Straße lässt Banken einlenken").
Kritisiert wird aber, dass der Bewegung ein "Plan fehlt". Ein Gesellschaftsmodell müsse genauso definiert werden, wie der Weg, um es zu erreichen. Auch darüber soll nun verstärkt wieder öffentlich auf spanischen Plätzen debattiert werden.