Epigenetische Veränderungen sind für Missbildungen bei Klontieren verantwortlich

Science gibt Sonderheft zu Epigenetik heraus

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In der Entwicklung und Ausdifferenzierung des Organismus spielen viele Gene eine Rolle, deren Informationen nur zeitweise aktiviert oder deaktiviert werden. Dieses Regulationsphänomen wird als Epigenetik bezeichnet. Epigenetik beschreibt das komplexes Zusammenspiel zwischen Genen, Eiweißmolekülen und Signalen, die von außerhalb der Zellen kommen. Zunehmend stellt sich heraus, dass Epigenetik beim Klonen eine große und möglicherweise verhängnisvolle Rolle spielt.

Bild: Department of Biology Massachusetts Institute of Technology

Kaum ist das Gelächter über die Sekte der Raelianer und das Ärzte-Team Antinori/Zavos, die bald einen menschlichen Klon schaffen wollen (Gelächter und scharfe Diskussionen), abgeklungen, da verkündet der US-Präsident George W. Bush in einer Rede an die Nation die Forschung an überzähligen embryonalen Stammzellen aus Befruchtungskliniken nun doch staatlich zu fördern (Vgl. Bush hat eine Entscheidung zur Forschung mit embryonalen Stammzellen getroffen). Und George Lucas will seinen nächsten Star Wars-Film "Angriff der Klone" (Episode II - Attack of the Clones) nennen. Die deutsche und die französische Regierung wollen das reproduktive Klonen durch eine UN-Konvention weltweit verbieten, ein entsprechender Antrag liegt der Vollversammlung der Vereinten Nationen für September vor. Reproduktives und therapeutisches Klonen bleibt in aller Munde und Epigenetik ist der bisher noch nicht wirklich verstandene Vererbungsmechanismus oberhalb der Gene.

Epigenetik bedeutet die vererbliche Veränderung von Genfunktionen, die nicht durch Veränderung von DNS-Sequenzen erklärt werden kann. Das Wissenschaftsmagazin Science widmet der Epigenetik am 10. August eine Spezialausgabe. In 14 Artikeln stellen Wissenschaftlerteams aus aller Welt ihre neuesten Erkenntnisse zur genetischen Programmierung vor. Vermutlich haben sich entscheidende Teile der epigenetischen Regulation durch die Abwehr-Mechanismen gegen Viren und andere parasitäre DNS entwickelt, das zeigen die Science-Redakteure Elizabeth Pennisi und Guy Riddihough in ihrem Einführungsartikel.

RNA und Methylierung

Eine wesentliche Rolle in der Epigenetik spielt auch die Ribonukleinsäure (RNS, englisch: ribonucleic acid, RNA). Diese Nukleinsäure übersetzt in vielen Fällen in den Zellen die genetische Information der DNS. In Retroviren wie z.B. HIV enthält die RNS die Erbinformation. Die RNS ist wichtig für die Entwicklung sowohl von Pflanzen wie von Tieren.

Vieles in der Regulierung der Zellteilung und Spezialisierung der Zellen ist noch unklar. Die Gene selbst sind nur ein Teil des Genoms, v.a. beim Säugetier, wie Peter A. Jones und Daiya Takai von der Keck School of Medicine der University of Southern California in Los Angeles es beschreiben. Die präzise Kontrolle der Ausprägung des Genoms vor dem Hintergrund jeder Menge nicht-codierter DNS ist ein substanzielles Problem.

Eine wichtige Möglichkeit der Regulierung der Gene in Lebewesen ist die Methylierung. Dabei hängt ein Enzym, die DNS-Methyltransferase, eine Methylgruppe an einen Baustein der DNS (das Cytosin). Dies geschieht in bestimmten Abschnitten vor dem zu regulierenden Gen. Vor jedem aktiven Gene sind diese Abschnitte nicht methyliert. Die Methylierung sorgt dafür, dass die Gene "stumm" werden, wie die Gentechniker es nennen, d.h. sie machen sie inaktiv.

Mit der epigenetischen Reprogrammierung und der Rolle der Methylierung setzen sich auch Wolf Reik und Wendy Dean vom Babraham Institute, Cambridge, sowie Jörn Walter von der Universität des Saarlandes in Saarbrücken auseinander. Wesentlich für die Methylierung bei der normalen Fortpflanzung ist das Zusammenspiel beider Elternteile. Methylierungs-Muster in der ausdifferenzierten (somatischen) Zelle sind stabil und vererblich. In Säugetieren gibt es zumindest 2 Entwicklungsperioden: in den Keimzellen und im Präimplantations-Embryo, in denen Methylierungs-Muster reprogrammiert werden, um die Zellen mit einem breiten Potenzial auszustatten. Die Reprogrammierung ist die Umkehrung der Differenzierung. Bei der Zellkern-Transfer-Klonmethode (englisch: nuclear transfer, NT) wird der Zellkern einer Körperzelle mit einer entkernten Eizelle vereint und damit der Zellkerns der ausdifferenzierten Körperzelle auf das noch völlig undifferenzierte Niveau einer befruchteten Eizelle gebracht, also reprogrammiert ("Dolly-Klonierungsmethode"). Der genaue Mechanismus dieses Vorgangs ist noch ungeklärt.

Nuclear Cloning und Epigenetik

William M. Rideout III, Kevin Eggan und Rudolf Jaenisch vom Whitehead Institute for Biomedical Research und Massachusetts Institute of Technology fassen in ihrem Artikel "Nuclear Cloning and Epigenetic Reprogramming of the Genome" alle bekannten epigenetischen Erkenntnisse zusammen, die für das Klonen relevant sind und das Risiko verdeutlichen. Rudolph Jaenisch war gerade in Washington bei der Diskussion mit den Möchtegern-Klonern dabei und warnte vor Klonversuchen, denn es gibt bisher "keine Möglichkeit, aus geklonten Embryonen normale Individuen entwickeln zu können". Vor kurzem veröffentlichte er in dem Wissenschaftsmagazin Nature einen Aufsatz zur epigenetischen Instabilität von Stammzellen (Vgl. Stammzellen sind instabiler als bisher angenommen).

Es ist deutlich, dass Klonen unzuverlässig und ineffizient ist, das hat sich bei allen bisherigen Klonversuchen von Säugetieren gezeigt. Bei allen geklonten Schafen, Rindern, Ziegen, Schweinen und Mäusen, die geklont wurden, war die Sterblichkeit in allen Entwicklungsstadien extrem hoch. Und bei denen, die zur Welt kamen, ist die Missbildungsrate sehr hoch. Inzwischen steht auch fest, dass gesund wirkende Klontiere krank sein können. Es hat sich gezeigt, dass sie z.B. sehr viel schneller altern. Das Fazit der Forscher zum Zellkern-Transfer-Klonen (NT-Klonen):

"Im Prinzip kann die schlechte Überlebensrate von Zellkern-Klonen auf genetische oder epigenetische Abnormalitäten zurückgeführt werden. Es hat sich gezeigt, dass genetische Abnormalitäten sich während der Alterung des Organismus und während der In-Vitro-Züchtung von Zellen akkumulieren. Trotzdem sprichen die große Häufigkeit und die die Arten übergreifenden Ähnlichkeiten der Missbildungen, die geklonten Tieren eigen ist, und die Normalität ihrer Sprösslinge eher dafür, dass epigenetische und nicht genetische Veränderungen für diese Entwicklungsprobleme verantwortlich sind. Folglich ist die einleuchtendste Erklärung für die Entwicklungsprobleme von NT-Embryos die Unfähigkeit, das epigenetische Profil des somatischen Zellkerns in das einer befruchteten Eizelle zu 'reprogrammieren'."

Neuer Forschungsschwerpunkt

Noch sind viele Aspekte der Vererbung, des Zusammenspiels der Gene und anderer komplexer Steuermechanismen noch nicht klar. Deutlich ist nur, dass es vollkommen unverantwortlich ist, einen Menschen klonen zu wollen, bevor die Funktionsweise der Epigenetik und die Konsequenzen für das entstehende Wesen wissenschaftlich klar definiert sind und kontrolliert werden können. Epigenetik wird eines der neuen Schwerpunktprogramme der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) ab Frühjahr 2002 sein.