Erneuerbare Energien: Wer führt, wer verliert?
Der rasante Ausbau der Erneuerbaren in China stimmt die Experten optimistisch. Doch wie sieht es in anderen Regionen aus? Eine Umschau.
Laut einer Umfrage des Centre for Research on Energy and Clean Air (Crea) denken fast die Hälfte der kontaktierten Experten, dass Chinas CO2-Emissionen bereits ihren Höhepunkt erreicht haben oder 2025 erreichen werden. Dies zeigt einen wachsenden Optimismus bezüglich des grünen Übergangs des Landes.
Der Bericht des in Helsinki beheimateten Zentrums zeigt, dass mittlerweile 44 Prozent der befragten Klimaexperten aus Wissenschaft und Industrie dieser Meinung sind. Wie der britische Guardian berichtet, hatten vor einem Jahr weniger als die Hälfte (21 Prozent) diese Ansicht vertreten.
Die Umfrage ergab zudem einen gestiegenen Optimismus hinsichtlich der sinkenden Kohleabhängigkeit Chinas. 36 Prozent der Experten gehen davon aus, dass der Kohleverbrauch des Landes bereits seinen Höhepunkt erreicht hat.
Peking macht Boden gut
Wenn die Experten Recht behalten, hätte Peking in signifikantem Ausmaß Boden gutgemacht. Das Reich der Mitte hat sich zum Ziel gesetzt, den Höhepunkt seiner Kohlenstoffemissionen bis 2030 zu erreichen und bis 2060 CO2-neutral zu werden. Derzeit ist Kohle noch für fast 80 Prozent der fossilen Brennstoffemissionen Chinas verantwortlich.
Trotz dieser Pläne wurde ein endgültiger Ausstieg aus der Kohle bisher nicht ins Auge gefasst. Das lag auch an Bedenken hinsichtlich der Energiesicherheit, die nach Stromausfällen in einigen Teilen Chinas in den Jahren 2021 und 2022 und der Destabilisierung der Ölversorgung durch den Krieg in der Ukraine verstärkt wurden.
Energieexperten argumentieren jedoch, dass eine größere Vielfalt im Energiemix Chinas und Verbesserungen der Infrastruktur für erneuerbare Energien ebenfalls effektive Wege sind, die Energiesicherheit zu gewährleisten, ohne auf Kohlekraftwerke als Rückgrat zurückgreifen zu müssen.
Über 1,4 Billionen Euro für Erneuerbare
China ist zudem weltweit konkurrenzlos führend, wenn es um Investitionen in saubere Energie geht. In der gleichen Analyse gibt Crea an, dass saubere Energie im letzten Jahr einen Rekordbeitrag von 11,4 Billionen Yuan (1,482 Billionen Euro) zum chinesischen Bruttonationaleinkommen beitrug und der größte Treiber des chinesischen Wirtschaftswachstums war.
In den letzten zwei Jahren hat China sich darauf konzentriert, seine Wirtschaft nach Covid durch den Übergang zu Hightech, grünen Industrien wiederaufzubauen. Diese als "Die Neuen Drei" bezeichneten Bereiche – Solarmodule, Elektrofahrzeuge und Batterien – haben enorme Investitionen angezogen.
EU: Seit 1990 sinkende Emissionen
Die CO2-Emissionen der Europäischen Union haben ihren Höhepunkt im Jahr 1990 erreicht und befinden sich derzeit auf dem niedrigsten Stand seit etwa 58 Jahren. Im Jahr 2023 sanken die CO2-Emissionen der EU erneut um etwa 7,6 Prozent auf jetzt 2,5 Milliarden Tonnen (GtCO2).
Damit setzt sich ein langfristiger Abwärtstrend fort, denn die CO2-Emissionen der EU sind seit 1990 um etwa 37 Prozent zurückgegangen. Dazu trägt nicht nur der Übergang zu saubereren Energiequellen bei, der seit 1990 zu einem Rückgang der Treibhausgasemissionen der EU-Energieversorgung um 40 Prozent geführt hat.
Es wird erwartet, dass sich dieser Abwärtstrend fortsetzt, wobei die EU bis 2030 eine Nettoreduzierung der Emissionen um 55 Prozent gegenüber dem Niveau von 1990 anstrebt. Um dieses Ziel zu erreichen, muss die nächsten Jahre jedoch eine durchschnittliche jährliche Emissionssenkung von 134 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent bewältigt werden. Die Union will bis 2050 CO2-neutral werden.
USA halten sich bei der Energiewende zurück
Auch die CO2-Emissionen der USA haben ihren Höchststand überschritten. Dies geschah allerdings erst fast 20 Jahre später als in der EU: Die Treibhausgasemissionen der USA pendelten auf ihrem Höhepunkt zwischen 2000 und 2007 um Werte oberhalb von 5,7 GtCO2. Erst nach der großen Rezession im Jahr 2009 begannen sie zu fallen. Seitdem sind die Emissionen allgemein rückläufig.
Im Jahr 2023 sind die US-Emissionen zum Beispiel um 1,9 Prozent gesunken. Insgesamt liegen die US-Emissionen heute um knapp ein Viertel unter dem Wert von 2000. In bestimmten Sektoren (z. B. im Verkehr und in der Industrie) sind sie allerdings wieder gestiegen. Und es ist heute schon abzusehen, dass die USA ihre Klimaziele im Rahmen des Pariser Abkommens verfehlen werden.
Indiens Emissionen steigen vorerst weiter
Rameshwar Prasad Gupta, Indiens Umweltminister, erklärte im Jahr 2022, dass die Emissionen des Landes zwischen 2040 und 2045 ihren Höhepunkt erreichen sollen, um dann zu sinken. Dieser Zeitplan steht im Einklang mit Indiens Selbstverpflichtung, bis 2070 Netto-Null-Emissionen zu erreichen.
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Der Subkontinent ist für die Stromerzeugung immer noch stark von Kohle abhängig. Im September 2023 entfielen 73 Prozent der Stromerzeugung auf Kohle. Und die Kohleverstromung soll weiter ausgebaut werden, wobei die Regierung den Bedarf auf "mindestens 80 GW" schätzt – also mehr als 80 große Kohlekraftwerke neu bauen will.
S&P Global prognostiziert einen Anstieg der indischen Kohlenstoffemissionen von 2,48 Milliarden Tonnen pro Jahr im Jahr 2023 auf 2,9 GtCO2 pro Jahr im Jahr 2030 und 3,37 GtCO2 pro Jahr im Jahr 2045. Indien mache zwar Fortschritte bei der Nutzung erneuerbarer Energien, doch bleibe der Bedarf des Landes an fossilen Brennstoffen hoch.