Amateurstunde im All: EU lässt Raumfahrt-Laien ans Steuer
EU ernennt ersten Raumfahrtkommissar. Andrius Kubilius hat wenig Erfahrung, aber klare Russland-Position. Kann er die EU trotzdem zu den Sternen führen?
Andrius Kubilius, der neue EU-Kommissar für Verteidigung, der nun auch für die Weltraumpolitik der Europäischen Union zuständig ist, sieht sich bereits zu Beginn seiner Amtszeit mit erheblichen Herausforderungen konfrontiert.
Das liegt auch an den politischen Umständen seiner Ernennung. Kubilius stammt aus Litauen, das an Russland grenzt. Er wurde auch wegen seiner dezidierten Positionen gegenüber Russland als erster Verteidigungskommissar der EU ernannt. Von Raumfahrt hat er wenig Kenntnis.
Sein geringer Erfahrungsschatz im Bereich Raumfahrt sowie die institutionellen Reibungen könnten sich als Hindernis für die Übernahme der EU-Raumfahrtpolitik erweisen.
Budgetbeschränkungen und institutionelle Reibungen
Trotz der Prognose von McKinsey, dass die "Weltraumwirtschaft" bis zum Jahr 2035 einen Wert von 1,8 Billionen US-Dollar erreichen könnte, ist die europäische Finanzierung in diesem Bereich laut Hermann Ludwig Moeller, Direktor des European Space Policy Institute in Wien, sehr bescheiden.
Die Notwendigkeit, klare Prioritäten zu setzen, steht dabei im Vordergrund. Kubilius' Aufgabenbrief von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen enthält jedoch keine Hinweise auf ein neues großangelegtes Raumfahrtprogramm.
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Stattdessen liegt der Fokus auf "Kosteneffizienz" in Zusammenarbeit mit der Europäischen Weltraumorganisation (ESA), die auch Nicht-EU-Länder wie das Vereinigte Königreich und die Schweiz als Mitglieder zählt.
Ein EU-Diplomat, der anonym bleiben wollte, befürwortet gegenüber dem US-Magazin Politico diese Herangehensweise und betont die Wichtigkeit der Umsetzung der aktuellen Flaggschiffprogramme ohne größere Überraschungen oder neue Initiativen.
Koordination mit der ESA und strategische Prioritäten
Als ehemaliger zweifacher Premierminister Litauens wird Kubilius, sofern vom Europäischen Parlament bestätigt, Programme wie das GPS-Alternativsystem Galileo und das Erdbeobachtungsnetzwerk Copernicus sowie die Entwicklung des 2,4 Milliarden Euro teuren sicheren Kommunikationsnetzes IRIS2, das mit Elon Musks Starlink konkurrieren soll, überwachen.
Die von der Leyen an Kubilius gesendete Mission umfasst auch die Zusammenarbeit mit der ESA, wobei eine Abstimmung der Budgets beider Agenturen angestrebt wird. Josef Aschbacher, Generaldirektor der ESA, betont die Bedeutung einer gemeinsamen Vision für ein starkes, innovatives, wohlhabendes und sicheres Europa. Gleichzeitig bestehen Spannungen zwischen der Kommission und der ESA, die historisch bedingt sind.
Herausforderungen und Erwartungen
Der bisherige Kommissar für den Binnenmarkt, Thierry Breton, galt trotz des kleinen Anteils des Weltraums an seinem Aufgabenbereich de facto als Chef der Weltraumpolitik.
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Bretons oft als Vertretung französischer Industrieinteressen interpretierte Politik – zum Beispiel bei der Initiierung von IRIS2 trotz deutscher Opposition – könnte für Kubilius eine zusätzliche Hürde darstellen, insbesondere nach Bretons kürzlichem Rücktritt aus der Kommission.
Ein hochrangiger Vertreter eines europäischen Luft- und Raumfahrtunternehmens weist darauf hin, dass die Probleme zwischen der Kommission und der ESA tief verwurzelt sind. Die EU steht über ihren Mitgliedstaaten, während die ESA unter ihnen angesiedelt ist. Das erschwert die Zusammenarbeit.