Finanzamt prüft Umweltschützer

Greenpeace droht für 2003 die Aberkennung der Gemeinnützigkeit

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Auch Greenpeace bekommt Post vom Finanzamt, doch die Umweltschützer müssen sich bei diesen Gelegenheiten in aller Regel keine Sorgen machen. Selbst wenn die eine oder andere Performance der nicht eben pressescheuen Öko-Ritter das Prädikat "umstritten" verdient, ist Greenpeace als gemeinnützige Organisation anerkannt und nach einem im Februar 2004 gefassten Beschluss des Finanzamts Hamburg Mitte-Altstadt vorerst bis 2009 von der Zahlung der Körperschaftssteuer befreit.

Greenpeace-Aktivisten protestieren vor dem Robert-Koch-Institut in Berlin. Foto : Greenpeace, Paul Langrock

Was perspektivisch gilt, steht zum Erstaunen mancher Beobachter nun aber rückwirkend zur Disposition. Dieselbe Behörde, die sich bis 2009 kooperativ zeigen will, beabsichtigt offenbar, Greenpeace für das Jahr 2003 den Status der Gemeinnützigkeit abzuerkennen. Mit einer durchaus spektakulären Begründung: Hamburg Mitte-Altstadt beanstandet nämlich nicht das Finanzgebaren der Umweltschützer, sondern die angebliche Rechtswidrigkeit verschiedener Greenpeace-Aktionen. Von der Besetzung eines Schiffes, mit dem illegale Urwaldholzimporte aus Liberia transportiert wurden, hätte sich die Organisation zum Beispiel ebenso distanzieren sollen wie von dem Kohleberg, den Aktivisten vor einen Nebeneingang des Bundeswirtschaftsministeriums gekippt hatten, um gegen die deutschen Kohlesubventionen zu protestieren.

Greenpeace-Sprecher Stefan Krug ist vom Vorstoß der Behörde, die bis zum 7. Januar 2005 eine Stellungnahme erwartet, "sehr überrascht". Auf Nachfrage von Telepolis weist er darauf hin, dass seine Organisation im vergangenen Jahr "substanziell nichts anderes" gemacht habe als in den Jahren zuvor. Überdies gäbe es in einer Reihe der beanstandeten Fälle "überhaupt keine Rechtsvorgänge", will sagen: keine Anzeigen. Andere Verfahren seien mit einem überschaubaren Bußgeld beigelegt oder wegen Geringfügigkeit eingestellt worden. Was eine tatsächliche Aberkennung der Gemeinnützigkeit finanziell bedeuten würde, lässt sich nach seinen Angaben derzeit noch nicht beziffern:

Die ausgestellten Spendenbescheinigungen bleiben in jedem Fall gültig, aber wir müssten natürlich mit einem ganz erheblichen Schaden rechnen. Da dann aber auch viele Sonderfälle wie Erbschaften oder Verzinsungen eine Rolle spielen, lässt sich jetzt keine exakte Summe nennen.

Die Zahl der Kritiker der Umweltorganisation wächst

Unklar bleibt vorerst auch, wer oder was das Finanzamt Hamburg Mitte-Altstadt veranlasst hat, juristische Bewertungen vorzunehmen. Dass dieselben gleich mehreren politischen Kreisen gut ins Konzept passen, steht dagegen außer Zweifel. Sachsen-Anhalts Finanzminister Karl-Heinz Paqué (FDP) hatte nach einer Greenpeace-Aktion nahe Bernburg, wo Aktivisten ein für den Anbau von Gen-Weizen vorgesehenes Feld durch die Aussaat von Öko-Weizen "verunreinigt" hatten, bereits im Frühjahr auf ein Urteil des Bundesfinanzhofs von 1984 verwiesen, nach dem Körperschaften, die gewaltfrei gegen staatliche Maßnahmen vorgehen wollen, nicht als gemeinnützig anerkannt werden könnten.

Paqué entrüstete sich seinerzeit über einen "generalstabsmäßig geplanten Skandal" und tauschte sich mit seinem Hamburger Amtskollegen Wolfgang Peiner (CDU) offenbar intensiver über die Möglichkeiten einer Aberkennung der Gemeinnützigkeit aus. Derlei Versuche sind allerdings nicht auf die derzeitigen Oppositionsparteien beschränkt. 2002 forderte auch der damalige niedersächsische Innenminister Heiner Bartling (SPD) im Zusammenhang mit dem Streit um die Blockade von Castor-Transporten eine Diskussion über die steuerliche Begünstigung der Umweltschutzorganisation.

Im Juni 2004 wuchs die Zahl der Kritiker weiter. Anlass war diesmal der zunächst verlorene Prozess gegen die Unternehmensgruppe Theo Müller, in dessen Verlauf Greenpeace vom Landgericht Köln vorgeworfen wurde, im Kontext der "Gen-Milch"-Kampagne Behauptungen aufzustellen, "die unbestrittener wissenschaftlicher Kenntnis zuwiderlaufen und damit evident falsch sind" (Keine Chance für "Gen-Milch"). Vor kurzem hatte allerdings das Oberlandesgericht Köln entschieden, dass Greenpeace weiter von "Gen-Milch" sprechen könne.

Aus nachvollziehbaren Gründen beurteilt die Umweltschutzorganisation ihre Aktivitäten grundsätzlich anders. Sie verweist auf die Verleihung des Bundesverdienstkreuzes an den früheren Chef Thilo Bode und listet in einer aktuellen Presseerklärung eigene Verdienste auf:

Greenpeace setzte das Ende der Versenkung von Chemie- und Atomabfällen auf See ebenso durch wie den Schutz der Antarktis. Die Organisation entwickelte ein Verfahren zum Bleichen von Papier, das die schädliche Chlorbleiche ablöste, und einen Kühlschrank ohne ozon- und klimaschädliche FCKW und FKW, dessen Technik heute weltweit Standard ist. Dass heute alte Ölplattformen nicht mehr einfach im Meer versenkt werden, Giftmüll nicht mehr ins Ausland abgeschoben wird, Schiffe nicht mehr mit giftigem TBT gestrichen werden, Kleinkinder vor giftigem Phtalat-Spielzeug geschützt sind oder Diesel-Autos demnächst mit Filtern gegen krebserregende Abgase ausgestattet werden, ist zu einem Großteil Greenpeace zu verdanken.

Gemeinnützigkeit wird auch rechtsextremen Vereinigigungen zugestanden

Noch interessanter als diese sicher nicht falsche, wenn auch etwas larmoyante Selbstdarstellung ist allerdings die Frage, wann Politiker anfangen, über das Thema Gemeinnützigkeit und die Berechtigung oder Nicht-Berechtigung einer entsprechenden Statuszuweisung intensiver nachzudenken. Wenn es sich um eine Organisation handelt, welche die für den Wirtschaftsstandort Deutschland sicher hochinteressante Gen-Lobby permanent unter Druck setzt, geht es offenbar relativ schnell. Weniger eilig hat man es in Fällen von zweifellos beunruhigenderen Ausmaßen. Dazu ein Beispiel aus dem schleswig-holsteinischen Landtag. Dort wollten die Abgeordneten Thomas Rother und Günter Neugebauer (beide SPD) erfahren, ob rechtsextreme Vereinigungen aktuell in den Genuss kommen, als gemeinnützige Organisationen anerkannt zu werden. Sie stellten folgende Kleine Anfrage:

Sind in Schleswig-Holstein Vereinigungen im Sinne des Steuerrechts als gemeinnützig anerkannt, die in den Verfassungsschutzberichten des Bundes oder des Landes in den vergangenen zehn Jahren aufgeführt sind?

Die Landesregierung antwortete darauf:

Auskünften über die steuerliche Behandlung bestimmter Körperschaften steht grundsätzlich das Steuergeheimnis (§ 30 der Abgabenordnung) entgegen. Die Landesregierung kann sich deshalb nicht dazu äußern, ob die Gemeinnützigkeit bei den in den Verfassungsschutzberichten genannten Organisationen anerkannt oder nicht anerkannt wurde. (...)

Rother und Neugebauer ließen nicht locker und wollten wissen:

Falls ja: Um welche Vereinigungen handelt es sich dabei und welche Finanzämter haben die Gemeinnützigkeit wann anerkannt?

Drucksache 15/1008 verzeichnet als Kommentar der Landesregierung daraufhin:

Siehe Antwort zu 1.