Frankreich im Chaos: Regierung kaputt – und jetzt kommt auch noch Donald Trump

Donald Trump und Emmanuel Macron winken bei einem Treffen im November 2018 in Paris in die Kameras und ins Publikum

Paris, November 2018. Archivbild: Frederic Legrand - Comeo / shutterstock.com

Frankreichs Regierung ist gestürzt. Premier Barnier überlebte nur 90 Tage im Amt. Ausgerechnet jetzt kommt Donald Trump zur Wiedereröffnung von Notre Dame.

Was wird Donald Trump wohl zum französischen Schlamassel sagen, wenn er demnächst zu Besuch kommt? Das mag sich Präsident Emmanuel Macron angesichts des innenpolitischen Scherbenhaufens derzeit fragen, vor dem er derzeit steht.

Nach dem Platzen der Ampelkoalition in Berlin ist nun auch die erst seit 90 Tagen amtierende Regierung in Paris spektakulär gescheitert und am Mittwochabend durch ein Misstrauensvotum gestürzt worden. Emmanuel Macron hatte Michel Barnier erst am 5. September, die restliche Regierungsmannschaft am 21. September ernannt.

Ein Besuch des Onkels aus Amerika ist konkret zwar nicht geplant. Aber der alte und künftige US-Präsident Donald Trump wird an diesem Samstag in Paris erwartet.

Treffen mitten in der politischen Krise

Macron – der Mann, der gerne zwischen einer Attitüde, die ihn zum liberalen Verteidiger gegen autoritäre Nationalismen macht, und einer kokettierenden Nähe zu nationalistischen Autoritären changiert – hat ihn eingeladen: Trump soll als vielleicht prominentester Gast an der Wiedereröffnung der Pariser Kathedrale Notre Dame teilnehmen.

Dumm nur, dass der Präsident ohne Regierung und inmitten einer politischen Krise dasteht. Wohl auch deshalb will Macron diesmal schnell sein: Nachdem er sich beim letzten Mal – nach dem Ergebnis der von ihm angeordneten vorgezogenen Parlamentswahlen am 7. Juli dieses Jahres – mehr als zwei Monate Zeit gelassen hat, soll es diesmal umso eiliger gehen.

Barnier reicht seine Demission ein: Was daran fatal ist

Nach einer Mitteilung des Elysée-Palastes vom Mittwochabend soll "innerhalb von 24 Stunden" ein neuer Premierminister bereitstehen. Der alte, Michel Barnier, ist heute Vormittag im Elysée eingetroffen, um seinen Rücktritt bei Präsident Macron einzureichen.

Fatal daran ist sicher nicht, dass Macron und seine Leute gescheitert sind: Das ist ein in vielen Augen begrüßenswerter Dämpfer für unsoziale Politik.

Fatal ist aber zweierlei: Dass die extreme Rechte auch in dieser Situation immer mehr als die dynamischste Kraft erscheint; und dass die politische Krise mit dem Sturz des Kabinetts keineswegs in irgendeiner Weise positiv gelöst ist.

In Frankreich muss die parlamentarische Opposition, anders als in der Bundesrepublik mit ihrem institutionellen Instrument des "konstruktiven Misstrauensvotums", keine neue Regierung einsetzen, wenn sie die alte stürzt – wozu auch, ernennt doch laut Verfassung der Staatspräsident, nicht das Parlament, die jeweiligen Premierminister und Premierministerinnen.

Die Regierungsliste wird dann zwischen Präsident und Premierminister vereinbart. So funktioniert die Fünfte Republik.

Die geschlossenen Blöcke

Nur stehen sich jetzt, nachdem sich die gegensätzlich positionierten Oppositionskräfte auf ein gemeinsames Misstrauensvotum einigen konnten, weiterhin geschlossene Blöcke ohne Aussicht auf klare Mehrheitsbildung gegenüber.

Denn die französische Nationalversammlung besteht seit den Neuwahlen im Frühsommer aus drei annähernd gleich starken Lagern.

Auslöser für den Sturz des 73-jährigen Premierministers Michel Barnier – der zwei Rekorde in einer Person vereinte: Er war der älteste und zugleich der kurzlebigste Premierminister in der Geschichte der 1958 gegründeten Fünften Republik – war ein von ihm vorgelegter Sparhaushalt, der als brutal bezeichnet werden kann.

Wie spart man 60 Milliarden Euro?

Um sechzig Milliarden Euro sollte das jährliche Defizit durch den nun vorgelegten Haushaltsentwurf reduziert werden. Dabei wird im Wesentlichen an zwei Stellschrauben gedreht.

Auf der einen Seite kann mehr Geld eingenommen werden, etwa durch die Erhöhung bestimmter Steuern und Abgaben, oder auf der anderen Seite kann weniger ausgegeben werden – sei es beispielsweise bei der Rüstung, sei es bei den Sozialabgaben. Man muss nicht lange raten, wo die Späne fliegen.

In den wochenlangen parlamentarischen Auseinandersetzungen um den Staatshaushalt und den Sozialhaushalt 2025, die angesichts unklarer Mehrheitsverhältnisse zu zahlreichen Kurswechseln während der Beratung des Haushaltsgesetzes führten, standen sich zwei Grundrichtungen gegenüber.

Die Linke forderte eine Erhöhung der Staatseinnahmen: mehr Steuern für Besserverdienende, Aktionäre, Unternehmensgewinne. Die Rechten aller Schattierungen forderten dagegen eine Begrenzung der Ausgaben.

Der Haushaltsentwurf trug schließlich beide Handschriften. Zunächst sogar eher die der Linken, die bei den Beratungen im Finanzausschuss die Mehrheit hatte – konservative wie wirtschaftsliberale Abgeordnete schwänzten viele Sitzungen, den Vorsitz hat der linke Abgeordnete Eric Coquerel (LFI).

Doch dann kippte die Regierung kurzerhand mehrere Beschlüsse, die die Linke in den Entwurf geschrieben hatte, bevor sie dem Parlament die endgültige Fassung des Textes vorlegte.

"Misstrauen!": Die treibenden Kräfte

Die Verabschiedung des Haushalts, seit Anfang dieser Woche zunächst des Sozialbudgets für 2025, sollte über ein blockiertes Abstimmungsverfahren erfolgen: Der mittlerweile über die Landesgrenzen hinaus berühmte Artikel 49-3 der französischen Verfassung erlaubt es einer Regierung, die Vertrauensfrage zu stellen und diese mit einem Textvorschlag zu verbinden.

Der Text gilt dann automatisch als angenommen (wie z.B. die Rentenreform im April 2023), es sei denn, das Parlament spricht ihr das Misstrauen aus und zwingt sie zum Rücktritt. Genau dies ist nun geschehen: Am Montag stellte die Regierung die Vertrauensfrage, am Mittwoch schallte es aus dem Parlament zurück: "Misstrauen!"

Als treibende Kraft erwies sich letztlich die Rechtsaußen-Partei Rassemblement National (RN), von deren Tolerierung in der Nationalversammlung – also einer parlamentarischen Unterstützung, ohne dass die Partei selbst in die Regierung eingetreten wäre – die Regierung Barnier seit September abhängig war.

Ein Novum in der Geschichte

Dies war ein Novum, eine Premiere in der Geschichte der Fünften Republik, denn noch nie hatte sich eine Regierung auf die Unterstützung der extremen Rechten gestützt.

Im Gegensatz zur Linken (mehr Umverteilung durch Besteuerung der oberen Einkommensschichten und Besteuerung des Kapitals) und zur bürgerlichen Rechten (weniger Ausgaben für Soziales, Bildung und Gesundheit) hatte der RN keine feste Doktrin.

Vielmehr oszillierte seine Argumentation zwischen beiden Polen. In den Fernsehdebatten der letzten Tage war der Tenor der sich abwechselnden Vertreter der Rechtsausleger-Partei in den Fernsehstudios – Laurent Jacobelli, Jean-Philippe Tanguy, Laure Lavalette ... – stets, dass es ein Skandal sei, dass zu viele Steuern erhoben würden.

Dies ist auch der klassische sozial- und wirtschaftspolitische Grundansatz der Partei: Nieder mit den Steuern! Gleichzeitig kritisiert die Partei aber auch medienwirksam an ausgewählten Punkten, dass zu wenig für Soziales ausgegeben bzw. zu viel gespart wird.

Teppichhandel mit der Rechten

Die Regierung Barnier machte es ihr leicht, denn Zugeständnisse an soziale Belange im Staatshaushalt wurden von Michel Barnier in der Öffentlichkeit ausdrücklich als angebliche Ergebnisse eines Kuhhandels, eines Teppichhandels exklusiv mit der RN, verkauft.

Zuletzt kündigte der Premierminister am Montag an, noch ein Zugeständnis zu machen: Er werde vorläufig auf die im Sozialbudget 2025 vorgesehene Reduzierung der Erstattung von Arzneimittelkosten durch die gesetzliche Krankenversicherung von bisher 70 auf nur noch 60 Prozent verzichten – den Rest übernehmen die Patientinnen oder aber private Zusatzversicherungen, sofern vorhanden, die nun teurer werden.

Dies wurde in einem Kommuniqué regierungsoffiziell und explizit als Zugeständnis allein an Marine Le Pen verkauft, obwohl verschiedene Parteien und Gewerkschaften allesamt den Verzicht auf diese Erhöhung der Selbstbeteiligung der Patienten an den Arzneimittelpreisen gefordert hatten.

Eine andere, von vielen als unsozial bezeichnete Maßnahme, die Abschaffung des Inflationsausgleichs für Rentnerinnen und Rentner, wollte Barnier hingegen nicht "opfern". Unter anderem an diesem Punkt polarisierte die RN, die für sich in Anspruch nahm, stets an der Spitze des Kampfes gegen diese Maßnahme gestanden zu haben, der auch in diesem Fall von den Gewerkschaften und den Rentnerverbänden geführt wurde.

Rechtsaußen stimmte also dem Misstrauensantrag der linken Parteien zu, die sich gegen die Sparpolitik wandten. Dabei waren die Begründungen der beiden Lager in der Nationalversammlung, wie am Mittwochnachmittag zu hören war – die Debatte wurde von mehreren Fernsehsendern live übertragen – diametral entgegengesetzt.

Marine Le Pen betonte, die Linksopposition sei, so wörtlich, "unser Instrument", wenn ihre Partei nun ihrem Misstrauensantrag zustimme. Und Abgeordnete der heterogenen Linksopposition wetterten ihrerseits, die Regierung habe "ihre Ehre verloren" (so u.a. der bereits zitierte Eric Coquerel sowie der Sozialist Boris Vallaud), weil sie sich mit der extremen Rechten eingelassen und darauf gesetzt habe, sich mit deren Hilfe an der Macht zu halten.

Wie geht es weiter?

In der Nacht zum heutigen Donnerstag waren mehrere Kandidaten für das Amt des Premierministers im Gespräch, darunter der bisherige Innenminister Bruno Retailleau – seine Ideen gelten als "RN-kompatibel", weshalb sich die Partei kaum grundsätzlich und offen gegen ihn stellen könnte – und Verteidigungsminister Sébastien Lecornu.

Letzterer gehört neben Ex-Premierminister Édouard Philippe zu den bürgerlichen Politikern, die 2023 an geheimen Abendessen mit Marine Le Pen teilgenommen haben, deren Existenz erst im Sommer dieses Jahres durch die Presse aufgedeckt wurde. Sollen hier Bündnisse geschmiedet werden? Der RN will zwar mitregieren, aber auf keinen Fall als Juniorpartner, sondern nur in führender Position.

Vielleicht setzt Macron aber auch darauf, den rechten Flügel der Sozialdemokratie aus dem bisherigen heterogenen Linksbündnis (2022: NUPES, 2024: Nouveau Front Populaire) herauszulösen und als linkes Beiboot ins eigene Lager zu holen. Beim Misstrauensvotum hatten allerdings rechte Sozialdemokraten wie Ex-Präsident François Hollande mit dem Rest der Linken gestimmt. Der Kuchen wird erst noch verteilt.