Game Over

Seite 2: Super, die russische Opposition

Die neue militärische Potenz scheint den Radikalen im Land Appetit zu machen. Der russische Nationalist Schirinowski, mit seiner Partei immerhin zu acht Prozent im Parlament vertreten, fordert einen kompletten Rollback der Nato-Expansion und die Denuklearisierung Europas inklusive der britischen und französischen Waffen.

Andernfalls könne man ja zum Beispiel London ausschalten, das "Zentrum der antirussischen Propaganda". Aber auch der durchaus nicht hitzköpfige Diplomat und Militäranalyst Yaakov Kedmi bemerkt, ein voller nuklearer Schlagabtausch würde zwar Russland "schweren Schaden" zufügen, aber die USA jedenfalls in dem Erdboden gleichmachen.

Diese Ansichten mag man für verrückt halten und sie sind ganz sicher in Russland nicht mehrheitsfähig, aber sie zeigen doch, wie realitätsfern der Westen mit seiner Dämonisierung Putins agiert. Jeder, der mit wachen Sinnen der letzten Jahre verfolgt hat, erkennt, dass sich der russische Präsident besonnen und deeskalierend verhalten hat und mehr als einmal die härtere Linie seines Verteidigungsministers Sergei Schoigu korrigierte. Es ist aber nicht ausgemacht, dass Putin seine gemäßigte Linie ewig fortführen kann und will, wenn sie keine Erfolge zeigt.

Derweil vermag der Westen nicht zu verstehen, dass die russische Opposition eben nicht aus von ihm selbst finanzierten Marionetten wie Alexej Nawalny besteht, sondern die öffentliche Meinung nicht so friedlich und kompromissbereit ist wie die derzeitige Führung. Schließlich stellt auch der zu Putin völlig loyale Lawrow nüchtern fest: "Unsere Geduld ist zu Ende."

Der Westen stellt sich taub

Putin war – natürlich für die hiesige Propaganda unaussprechlich – stets an Stabilität und Sicherheit interessiert, er war es, der Abrüstungsvereinbarungen vorschlug, welche die USA fast sämtlich aufgekündigt haben. Aber er sagt nun auch:

Wenn sie weiter an unsere Grenzen heranrücken wollen und uns mit neuen Waffen bedrohen, dann halten wir Ihnen eben auch die Pistole an den Kopf. Die Frage ist nur: Warum machen wir das eigentlich alles?

Eine berechtigte Frage.

Washington hat keine gute Antwort darauf, ebenso wie es lange zögerte, die russischen Vorschläge zu einer globalen Sicherheitsordnung zu beantworten. Russland verlangte dabei nichts, was es nicht selbst zu erfüllen bereit wäre, diese Vorschläge sind völlig symmetrisch und eigentlich vernünftig, wie auch hier dargestellt, aber eben undenkbar für eine Clique, die gewohnt ist nach Belieben Länder in aller Welt mit Krieg zu überziehen, damit die Kassen der Rüstungsindustrie klingeln.

Nebenbei: Dass ausgerechnet diejenigen Kriegshetzer sich für das Wohlergehen der Menschen in der Ukraine interessieren, die das Land wahrscheinlich nicht einmal auf einer Karte zu finden in der Lage sind, wäre ein guter Witz, würde er nicht mit Menschenleben bezahlt.

Im Moment hört man nur die üblichen Phrasen doppelten Maßstäbe des Westens. Wenn Russland sich dagegen wehrt, dass die mit ihm ethnisch verbundenen Bevölkerungsteile der Nachbarländer unterdrückt und diese zu Nato-Vorposten aufgerüstet werden, dann sind das Putins "Expansionsgelüste". Die wirklichen und dokumentierten Expansionsgelüste der Nato heißen dagegen "offene Tür".

Hochmut kommt vor den Fall

Wahrscheinlich haben es die USA seit Jahrzehnten nicht mehr erlebt, dass jemand ernsthafte Forderungen an den Hegemon stellt. Man hat den Eindruck, dass es in Washington niemanden gibt, der die Verantwortung für ein aussagekräftiges außenpolitisches Statement übernehmen will.

Die Geisteskräfte Bidens, dessen Familie tief im Korruptionssumpf in der Ukraine verstrickt ist, werden inzwischen ganz öffentlich angezweifelt. Mit den Ausflüchten, die Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg am letzten Mittwoch verkündet hat, wird sich Russland sicher nicht zufriedengeben.

Man diskutiert allenfalls darüber, ob Stoltenberg einfach nur lügt, oder an seine Verdrehungen selbst noch glaubt und "in seinem Gehirn Ursache und Wirkung nicht richtig verknüpft sind". Der sonst diplomatische Lawrow attestiert ihm mittlerweile öffentlich einen "Realitätsverlust".

Teil 2: Next Level

Dr. Alexander Unzicker ist theoretischer Physiker, Jurist und promovierte in der kognitiven Psychologie. Sein Buch "Vom Urknall zum Durchknall" (Springer Verlag), über den Zustand der modernen Physik wurde als "Wissenschaftsbuch des Jahres" gekürt und erschien in den USA unter dem Titel Bankrupting Physics (Macmillan). Zuletzt ist von ihm im Westend-Verlag erschienen: Einsteins Albtraum. Amerikas Aufstieg und der Niedergang der Physik.

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