Gefährliches Spiel mit dem nuklearen Feuer

Während möglicherweise al-Qaida-Kämpfer auch mit US-Hilfe nach Kaschmir geschleust wurden, rüstet der angelsächsische militärisch-industrielle Komplex die Inder auf

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Wie das World Policy Institute kürzlich offenbarte, ist der militärisch-industrielle Komplex in den USA keine Warnung des ehemaligen Präsidenten Dwight D. Eisenhower geblieben, sondern Wirklichkeit (Bush-Regierung ist mit der Rüstungsindustrie verfilzt). Möglicherweise hat dieser geheimdienstlich erweiterte Komplex indirekt auch seine Finger im schwelenden Kaschmirkonflikt (Die nukleare Büchse der Pandora: Indien und Pakistan steuern einer atomaren Auseinandersetzung entgegen, Spekulationen über den Atomkrieg).

Pakistans Präsident Pervez Musharraf, und nicht nur er, hat ein Problem: Seitdem das Taliban-Projekt zur Sicherung der Westflanke Pakistans gescheitert ist, hat er nun die Islamisten im eigenen Land gegen sich. Nun noch die Dschihadisten in Kaschmir zu bekämpfen - eine weitere Erfindung Pakistans zum Terrorkampf für den Anschluss der Region an Pakistan -, wäre gleichbedeutend damit, die Säge an den eigenen Stuhl anzusetzen. Und wenn er derzeit behauptet, er verhindere das Einsickern islamischer Extremisten in den indischen Teil Kaschmirs, so nimmt ihm das nicht nur die indische Regierung nicht ganz ab. Zu mächtig ist in Pakistan der Militärgeheimdienst Inter-Services Intelligence (ISI), auf dessen Unterstützung Musharraf nur "zu 48 bis 52 Prozent" zählen kann. Das ist zumindest die Einschätzung des ehemaligen pakistanischen CIA-Chefs Milton Bearden, der den ISI noch aus Zeiten des CIA-gesponserten afghanischen Krieges gegen die Sowjetunion kennt. Entscheidend für Musharrafs Bestehen ist Rückendeckung durch die USA.

Auf deren Unterstützung konnte er auch zählen, als Ende November im Kessel von Kundus pakistanische Kämpfer auf Seiten der Taliban Hilfe brauchten. Seymour Hersh hat im New Yorker ein umfangreiches Dossier zu den Ereignissen geschrieben: Demnach war das ursprüngliche Kriegsziel der amerikanischen und pakistanischen Militärführung, in Afghanistan nur al-Qaida zu beseitigen und ein moderates Taliban-Regime an der Macht zu lassen. Die Nordallianz eroberte das Land jedoch wie im Sturm. Nach der Einnahme Kabuls Mitte November wurden in Kundus mehrere Tausend Taliban und ausländische Kämpfer eingeschlossen. Unter den "ausländischen Kämpfern" befanden sich nicht nur al-Qaida-Kämpfer und andere Dschihadisten, sondern auch pakistanische Armeeoffiziere und Militärberater. Hersh nennt für die folgenden Angaben Analysten von der CIA und aus Indien als Quelle.

Musharraf hätte gewarnt, dass er durch den Verlust hunderter, vielleicht tausender pakistanischer Kämpfer die Kontrolle im Land verlieren könnte. Also sei beschlossen worden, die Kämpfer dort rauszuholen. Was folgte, sei eine Rettungsaktion der Eingeschlossenen aus der Luft mit Billigung aus dem Weißen Haus gewesen. Doch die Rettungsaktion sei aus dem Ruder gelaufen: Wie bei einer Geburtstagsfeier habe "jeder noch ein paar Freunde mitgebracht", was dazu führte, dass nicht nur pakistanische Kämpfer, sondern auch al-Qaida- und Taliban-Kämpfer in einer Reihe nächtlicher Operationen nach Pakistan ausgeflogen worden seien. Auf diese Weise seien 5.000 Kämpfer gerettet worden. Weiter erfuhr Hersh von einem Mitarbeiter des indischen Geheimdienstes: "Musharraf kann sich nicht leisten, die Taliban in Pakistan zu lassen. Sie sind gefährlich für sein eigenes Regime. So wie wir die Dinge verstehen, konnten die Kämpfer nur nach Kaschmir gehen."

Vielleicht ist es kein Zufall, dass etwa drei Wochen später Dschihadisten das indische Parlament in Neu-Delhi überfielen, und das Fass damit zum überlaufen brachten (Indien in einer Situation wie die USA am 11. September).

Während US-Präsident Bush also möglicherweise mit Hilfe der CIA al-Qaida-Kämpfer, die er doch eigentlich "aus ihren Löchern räuchern" wollte, freies Geleit nach Kaschmir verschaffte, arbeitet Ex-CIA-Direktor Bush Senior an der Hochrüstung Indiens: George "New World Order" Bush ist Berater) der Carlyle Group. Die Carlyle Group ist Geschäftspartner von BAE Systems. BAE Systems hofft auf einen 1 Mrd. Pfund-Deal über den Verkauf von 60 Hawk Trainings-Jets an Indien. Mit diesen Flugzeugen könnte Indien dann den Luftkampf mit den amerikanischen F-16-Exportschlagern üben, die bereits in den 80ern an Pakistan verkauft worden sind.

Für den gewöhnlichen Zeitungsleser liest sich alles freilich ganz anders. Am Sonntag in Paris forderte George W. Bush Musharraf auf, sicherzustellen, dass keine Terroristen nach Kaschmir gelängen. Auf dem Indien-Besuch Tony Blairs im Januar, bei dem es auch um den Hawk-Deal gegangen sein dürfte, warnte dieser vor "enormen Problemen, denen sich die Welt gegenüber sieht, wenn Dinge schief gehen."