Gegen Migration und Bürgergeld: Wie die FDP als AfD light am rechten Rand fischt

FDP-Chef Christian Lindner

Der FDP-Chef und Bundesfinanzminister Christian Lindner. Foto: Juergen Nowak / Shutterstock.com

Nur noch Bett, Brot und Seife für Asylsuchende: Woher wir das kennen – und was sich die Wirtschaftsliberalen vom AfD-Sound versprechen. Ein Kommentar.

"Nur noch Bett, Brot und Seite für abgelehnte Asylbewerber" titelte kürzlich die Bild mit der Unterüberschrift "Knallharte Pläne von der FDP".

Wer dachte, Bild hätte sich in der Partei geirrt, liegt falsch. Schon länger profiliert sich die FDP als eine AfD light, die in diesem Fall sogar einen Plan der Rechtspartei bis zum letzten Komma abgeschrieben hat. In einem Positionspapier für die Bundestagswahlen will die AfD mit einer Anleihe an den ehemaligen Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) die Migration zur "Mutter aller Probleme" erklären.

Flüchtlinge gängeln: Von der AfD abgeschrieben

In der Sozialpolitik forderte die AfD-Fraktion "Bürgergeldleistungen nur für Deutsche" und für Asylbewerber und Flüchtlinge nur Sachleistungen nach dem Prinzip "Brot, Bett und Seife". Die Zeitung Das Parlament titelte: "Keine Zustimmungen für Brot-Bett-und Seife-Forderungen der AfD".

Doch das bedeutete eben nicht, dass man die Entrechtung der Geflüchteten inhaltlich ablehnte. Man wollte den rechten Populismus nur nicht der AfD überlassen – und die FDP übernimmt dann die Forderung sogar im Wortlaut. In den Medien wird der harte AfD-Kurs vor allem als Druck auf die Grünen innerhalb der Bundesregierung interpretiert.

Doch das Papier zielt weit darüber hinaus. Bis auf einige Vordenker der Grünen wie Peter Unfried haben wohl alle die aktuelle Koalition schon abgeschrieben. Alle wollen jetzt nur noch die Zeit bis zur Bundestagswahl damit zubringen, um die Schuld am desaströsen Zustand der mit Phrasen wie "Fortschrittskoalition" von den Linksliberalen geadelten Zusammenballung zweier Fraktionen des deutschen Kapitalismus dem jeweils anderen Partner zu geben.

Historische Niederlage der grünen Realos

Denn mit dieser Konstellation scheitert auch die große Hoffnung der Realo-Fraktion der Grünen. Denn denen war das schon Bündnis mit der SPD schon längst zu eng. Mit der FDP war eine relevante Kapitalfraktion im Kabinett vertreten.

Die Grünen in der ihrer heutigen Fassung sind schon seit einigen Jahren eine besonders aggressive Vertretung einer anderen Kapitalfraktion, die vor in ihren Feldzug gegen Russland an alten deutschen Kapitalplänen anknüpfen. In der Frage, dass der deutsche Imperialismus wieder einen Platz im Osten Deutschland braucht und dass man durchaus wieder da weiter kämpfen sollte, wo der Wehrmachts-Opa 1944 gescheitert war, gibt es keinen Dissens zwischen FDP und Grünen.

Da braucht man sich nur das Einvernehmen zwischen Raketen-Toni Hofretter (Grüne) und "Free the Taurus"-Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) in den Talkshows anzusehen. Dass dieses Bündnis heute trotzdem als gescheitert gilt, liegt nicht an etwaigen linken Neigungen der Grünen.

Dass jetzt einige sich als links verstehende Jungpolitiker und die letzte linke Bundesabgeordnete auf dem Ticket der Grünen, Canan Bayram kein Feigenblatt für die Olivgrünen mehr sein wollen, ist anzuerkennen. Doch den Kurs der Partei haben seit über 30 Jahren andere bestimmt.

AfD light: Das Kapital geht nach rechts

Dass die Grünen trotzdem gerade von rechts und nicht wie sie es verdient hätten von linke angegriffen wird, liegt daran, dass große Teile des deutschen Kapitals nach rechts gehen. Sie wollen Deutschland kriegsfähig machen und dazu gehört ein autoritärer Staatsumbau.

Da gelten die Grünen immer noch als unsichere Kantonisten, obwohl sie sie nun schon seit fast 30 Jahren beweisen, dass ihnen deutsche Kapitalinteressen auch über alles gehen. Doch gerade an der Entwicklung der FDP zu einer AfD light zeigt sich, dass große Teile des Kapitals vielleicht mit der AfD aktuell (noch) nichts zu tun haben wollen. Aber wesentliche rechte Inhalte der AfD wollen sie selbst übernehmen.

Angesagt bei AfD und FDP: Hetze gegen Bürgergeldempfänger

Das bezieht sich nicht nur auf die Flüchtlingspolitik. Auch bei der Hetze gegen Bürgergeldempfänger sind AfD und FDP kaum zu unterscheiden. Beide wollen arme Menschen, die nicht bereit sind, Lohnarbeit um jeden Preis anzunehmen, sanktionieren und weiter schikanieren.

Die absurde Debatte um eine 1000-Euro-Prämie für Langzeiterwerbslose, die mindestens ein Jahr wieder in Lohnarbeit sind, spricht Bände.

Unabhängig von der Sinnhaftigkeit dieser Maßnahme zeigt die Kampagne doch vor allem: Man will armen Menschen auf keinen Fall 1000 Euro als Prämie gelten, damit sie einen Teil ihrer Lebenszeit der oft krankmachenden Lohnarbeit widmen. Wenn dann Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) nur einfällt "Wir sind alle zum Arbeiten geboren", zeigt sich, worum es da einer ganz großen Koalition geht: Arbeit um jeden Preis für den Standort Deutschland.

Angesichts der Beträge, die an alle möglichen Betriebe fließen, die sich irgendwo ansiedeln wollen, sind die 1000 Euro ein Klacks, aber das will man armen Menschen nicht gönnen.

Klassenkampf im Interesse des Kapitals

Hier wird ganz eindeutig Klassenkampf im Interesse des Kapitals gemacht – und fast alle machen mit. Die Kombination von Entrechtung von Geflüchteten und Hetze gegen arme Menschen insgesamt kombiniert mit einem Mythos von der Lohnarbeit um jeden Pries, hat durchaus einen Zweck.

Die rechtlosesten Teile der Gesellschaft sollen zuerst bekämpft werden, mit Rassismus aber wird auch verhindert, dass sich diese Gruppen zusammenschließen und die staatlichen Angriffe gemeinsam bekämpfen könnten. Das geschieht nur dort ansatzweise, wo noch gewerkschaftlich orientierte Gruppen aktiv sind, die auch vermitteln können, dass es nur im Interesse der Staatsapparate liegt, wenn sich die angegriffenen Gruppen spalten.

Wer die AfD bekämpfen will, muss von der deutschen Mitte reden

Die AfD, aber auch eine AfD light hat gerade den Zweck, diese Spaltungen zu zementieren. Hier zeigt sich einmal mehr, dass von der deutschen Mitte, als aktuellem Status Quo reden muss, wer die Rechten bekämpfen will. Diese Grundthese der 23 Autorinnen und Autoren des kürzlich im Unrast-Verlag erschienenen Sammelbands "Rechts, wo die Mitte ist", herausgegeben von Judith Goetz und Thorsten Mense, wird immer wieder in der politischen Realität bestätigt.