Gelb-rote Karte für Napster

Filesharing-Dienst unterliegt vor Gericht, hat aber noch Chancen

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Napster muss den Austausch Copyright-geschützten Materials unterbinden, entschied heute der 9th Court of Appeals in San Francisco. Doch ein Ende des lustigen MP3-Tauschens ist damit nicht abzusehen. Erst einmal wurde das Verfahren an das zuständige Bezirksgericht zurückgegeben.

Verletzt Napster das Copyright?1 Als die drei Richter des 9th Court of Appeals heute ihre Auffassung zu dieser Frage im Netz veröffentlichten, ging erst einmal gar nichts mehr. Unter der Last der Anfragen brach der Server des Gerichts zusammen. Kein Wunder, schließlich hing von ihrer Antwort auf die Frage die unmittelbare Zukunft der MP3-Tauschbörse ab. Die Entscheidung war schließlich deutlich, aber nicht ganz eindeutig: Napster hat den Austausch Copyright-geschützten Materials zu unterbinden. Alles weitere soll jetzt wieder das zuständige Bezirksgericht regeln, so die Richter in ihrer Urteilsbegründung.

Kurzes Ende einer langen Geschichte?

Ende Juli letzten Jahres sah es kurzzeitig so aus, als ob die Plattenfirmen einen raschen Sieg in ihrem Verfahren gegen Napster verbuchen könnten. Bezirksrichterin Mary Hall Patel befand damals die Tauschbörse des Copyrightbruchs für schuldig und stimmte einer einstweiligen Verfügung zu. Innerhalb von 24 Stunden hätte die Firma ihren Betrieb praktisch einstellen müssen. Buchstäblich in letzter Sekunde rettete sich Napster durch die Anrufung des 9th Court of Appeals. Der wollte Patels schnellem Urteil nicht folgen und setze die einstweilige Verfügung erst einmal aus. Anfang Oktober wurden de Parteien noch einmal zu einer öffentlichen Anhörung geladen.

Nun hat sich der 9th Court dafür entschieden, Patel das Verfahren nochmals in die Hand zu geben. Sie muss ihre damalige Entscheidung insbesondere in einem Punkt überarbeiten: Der Frage, inwieweit Napster überhaupt von den begangenen Copyrightverstößen weiß. Damit scheint jetzt wieder alles offen. Entscheidet sich Patel wiederum für eine einstweilige Verfügung, wird Napster dagegen wohl abermals vorgehen. Rechtsexperten rechnen damit, dass der Fall wegen seiner Bedeutung für viele Copyrightfragen im Internet gute Chancen hätte, bis zum Supreme Court zu gelangen. Möglich wäre aber auch, dass Napster dazu verpflichtet wird, nur gegen bekannte Copyrightverstöße vorzugehen. Die Plattenfirmen müssten dann Napster eine Liste der Songs übergeben, die illegal über das Filesharing-Netzwerk getauscht wird. Anschließend würden diese von Napster im zentralen Suchindex gesperrt. Dies kommt der bisherigen Praxis der Firma im Umgang mit Copyrightverstößen sehr nahe. Schon jetzt bekommt Napster immer mal wieder Listen von Musikern, die User oder Songs sperren lassen wollen (siehe dazu Sony bleibt unversöhnlich). Am meisten Aufsehen erregte eine derartige Anweisung Metallicas, die zur Sperrung von rund 300 000 Usern führte.

Droht der RIAA nun ein breit angelegter Boykott?

Ungeachtet der Frage, wie Patel nun tatsächlich vorgehen wird, hat der Prozess längst eine interessante Eigendynamik entfaltet. Letztlich hat erst der Medienrummel um die Verhandlungen Napster so berühmt gemacht, wie es heute ist. Im Juli nutzten rund 20 Millionen User den Service. Heute sind es knapp 60 Millionen, von denen viele nicht mehr auf Filesharing verzichten wollen - ob mit oder ohne Napster. Der Musikindustrie-Analyst Bob Lefsetz spricht deshalb die normative Kraft des Faktischen beschwörend davon, dass der lange Prozess der Entscheidungsfindung des 9th Court die Entscheidung selbst praktisch überflüssig gemacht habe.

Sollte die heutige Entscheidung allerdings doch zu einem Abschalten der Napster-Server führen, rechnet Lefsetz mit einem breit angelegten RIAA-Boykott:

"Wenn all die College-Studenten sich dafür entscheiden, keine CDs mehr zu kaufen, bis die Labels nachgeben, und ihr Boykott auf jüngere und ältere Fans übergreift ... werden die Labels keine einzige CD mehr verkaufen können."

Bei Napster laufen die Server heiß

Möglich ist auch, dass sich die Plattenfirmen in den nächsten Wochen doch noch mit Naspster einigen. Bertelsmann hatte Ende letzten Jahres überraschend eine Allianz mit der Filesharing-Börse angekündigt und versucht, andere große Labels mit ins Boot zu holen. Bisher war dieser Versuch gescheitert. Die heutige Entscheidung stärkt zwar die Position der Labels. Doch gerade dies könnte dazu führen, dass Napster unter größeren Zugeständnissen doch noch ein gemeinsames Modell mit ihnen entwickelt. Napster-User haben indes weniger schwerwiegende strategische Gedanken im Sinn. Sie tauschen lieber MP3s was das Zeug hält und bringen damit Napsters Serverfarm an die Belastungsgrenze. Am Wochenende waren gleichzeitig rund 10 000 User auf einem der 100 Server eingeloggt, normalerweise sind es maximal 6 000 gleichzeitig. Viele Filesharing-Fans berichteten außerdem, dass sie sich aufgrund der überlasteten Server gar nicht erst einloggen konnten.