Genreis zur Bekämpfung von lebensbedrohlichem Vitamin A Mangel

Mit dem Goldenen Reis wollten Wissenschaftler und Konzerne durch eine Werbekampagne den Genpflanzen mehr Akzeptanz verschaffen, aber womöglich geht die Kampagne jetzt nach hinten los

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Endlich hatte man eine Genpflanze gefunden, so glaubte man, gegen deren Anwendung wohl kaum noch ernsthafte Kritik geltende gemacht würde. Man versprach sich über den Goldenen Reis einen ersten Schritt zur wachsenden Akzeptanz von genveränderten Nutzpflanzen, die in vielen westlichen Ländern in den letzten Jahren stärker denn je abgelehnt wurden. Da die Reissorte einen hohen Anteil an Betakarotin enthält, das im Körper zu Vitamin A verwandelt wird, wurde der Goldene Reis als Wundermittel angepriesen, den Menschen in der Dritten Welt zu helfen. Über 120 Millionen Kinder sollen, so die WHO 1992, zuwenig Vitamin A zu sich nehmen. Jährlich würden besonders in Asien 1 bis 2 Millionen Kinder daran sterben und eine halbe Million erblinden. Gerade dort, wo die Grundnahrung aus Reis besteht, könnte die Gensorte für einen Ausgleich sorgen.

All das hörte sich natürlich gut an, auch wenn schon früh Kritik an dem Wundermittel aufgekommen ist. So erinnerte Vandana Shiva, eine indische Kritikerin der GMOs, dass die Entwicklung dieser Reissorte nicht nur bislang 100 Millionen Dollar während eines Zeitraums von 10 Jahren gekostet habe, sondern auch noch viel Geld kosten werde, bis die Reissorte auch wirklich angepflanzt werden könne. Für sie führt der Genreis zu einer weiteren Verschärfung des "genetischen Reduktionismus", der mit der Grünen Revolution begonnen habe. Anstatt die Vielfalt der ihren Lebensbedingungen angepassten Nutzpflanzen zu fördern, habe schon die Grüne Revolution die Landwirtschaft auf die Verwendung von wenigen Sorten (vornehmlich Reis, Weizen und Mais) beschränkt, die jeweils in zentralen Zentren (IRRI für Reis und CIMMYT für Weizen) gezüchtet werden. Neben dem Einsatz von Chemikalien und einem größeren Wasserverbrauch habe dies zu einem massiven Rückgang der Artenvielfalt und damit auch dem traditionellen Wissen der Bauern geführt.

Mit der Genreissorte schließe man nur an diese Entwicklung an und Alternativen aus. Da man die armen Menschen nicht mit Vitamin-Tabletten erreichen könne, wie Per Pinstripe Anderson, der Leiter des Internationalen Reisforschungsinstituts erklärte, wäre zur Bekämpfung der gefährlichen Mangelernährung der Genreis notwendig. Shiva weist freilich darauf hin, dass es durchaus weitere Möglichkeiten zur Aufnahme von Vitamin A gebe, das beispielsweise in Hühnern, Eiern, Fleisch, Milch, Butter, Spinat, Karotten oder Mango enthalten wäre.

Übergeben wurde die Reissorte, deren Entwicklung von der Rockefellerstiftung, aber auch von der Schweiz und der EU gefördert wurde, zur Weiterentwicklung an das Internationale Reisforschunginstitut (IRRI). Die Biotech-Unternehmen, die wie Monsanto, Syngenta oder Bayer Patente auf den Reis besitzen, gaben sich so freizügig, im Gegenzug zur erhofften Imageverbesserung die Lizenzen gewissermaßen für die armen Menschen der Welt zu stiften. Syngenta gab erst kürzlich bekannt, das Reisgenom sequenziert zu haben (Reisgenom sequenziert). Syngenta setzt vor allem auch darauf, dass mit genveränderten Reissorten, die einen höheren Ernährungswert haben oder unter ungünstigen Bedingungen wachsen können, die in Verruf gekommene Gentechnik aufpolieren zu können. Da der Reis aber auch viele Gene mit anderen Nutzpflanzen gemeinsam hat, könnte dies auch den wirklichen Start den Genpflanzen bedeuten.

Ingo Potryku von der ETH Zürich, zusammen mit Peter Beyer vom Zentrum für Angewandte Biowissenschaften an der Universität Freiburg, Erfinder der Genreissorte, sieht das Problem weniger in der Weiterentwicklung des bislang nur im Labor gewachsenen Reises in Sorten, die auch unter verschiedenen lokalen Bedingungen angebaut werden können, und auch nicht in den Überprüfungen, die noch erforderlich sind, was mindestens noch vier Jahre dauern wird, sondern vor allem in der Akzeptanz der Menschen: "Wir betrachten dies als das größte Problem, das gelöst werden muss, weil wir in Europa viel Erfahrung damit haben, wie es schwer es ist, die Verbraucher zu überzeugen, dass die Gentechnik etwas Gutes machen kann."

Die Einwände sind für ihn "nicht auf einer wissenschaftlichen Grundlage" begründet, sondern lediglich "psychologischer" Natur. Die Reissorte entwickelt hätten sie, um die Vitamin A Mangelernährung zu bekämpfen, an der "400 Millionen Menschen ... mit sehr ernsten medizinischen Folgen" leiden würden: "Der Vitamin A Reis eröffnet jetzt das erste Mal eine anhaltende, kostenfreie Möglichkeit, diejenigen mit dem Provitamin A zu versorgen, die es benötigen und nicht mit möglichen anderen Strategien erreicht werden können." Bislang habe die Industrie vornehmlich Projekte entwickelt, die den reichen Menschen zugute kommen. Der Goldene Reis aber zeige, dass die Biotechnologie für die Landwirtschaft auch armen Ländern helfen könne. Seine Vision ist, dass es 10 Jahren, sofern die Forschung nicht verhindert werde, nicht nur einen Reis mit dem Provitamin A gibt, sondern auch mit Eisen. Eisenmangel sei ein noch schlimmeres Problem (Gentechnik zur Bekämpfung des Eisenmangels). Auch eine solche Reissorte werde von ihm entwickelt und enthalte darüber hinaus noch wichtige Aminosäuren. Ähnlich würden alle anderen Nutzpflanzen genetisch für die Ernährung verbessert: "Das Potential für die nächsten 10 Jahre ist also groß. Die Entwicklungskosten für dieses Potential sind nicht groß. Das kann selbst in den Entwicklungsländern gemacht werden, weil dies auch die nötigen wissenschaftlichen Möglichkeiten besitzen."

Gleichwohl hat die Kampagne für Genpflanzen, die den armen Ländern zugute kommen, jetzt wegen der vielen Übertreibungen und allzu großen Versprechungen starke Kratzer erhalten und könnte direkt nach hinten losgehen. Die Wunderpflanze ist halt keine, auch wenn sie aus den modernen gentechnischen Labors kommt. Selbst die Rockefellerstiftung, die das Projekt stark gefördert und selbst ähnlich propagiert hatte, rudert zurück und sagt, dass die Werbung für den Goldenen Reise zu weit gegangen sei. Auf die Kritik von Vandana Shiva antwortete Gordon Conway, ein Sprecher der Rockefellerstiftung, dass man den Goldenen Reis natürlich nicht als die Lösung des Vitamin A Mangels betrachte: "Er stellt hingegen eine herausragende Ergänzung für Früchte, Gemüse und Fleischprodukte in der Ernährung dar." Wenn armen Familien 10, 20 oder auch 50 Prozent der täglichen Menge an Vitamin A fehlen würde, dann könnte der Goldene Reis nützlich sein: "Die Werbung der Industrie und die Medien im Allgemeinen scheinen zu vergessen, dass dies ein Forschungsprodukt ist, das noch einer beträchtlichen Weiterentwicklung bedarf, bevor es für Bauern und Verbraucher verfügbar wird."

Drastisch und medienwirksam hat Greenpeace auf einer Pressekonferenz in Manila am Freitag vorgeführt, wie es um den Genreis steht. Wenn Menschen 300 Gramm täglich essen würden, was etwa dem Durschnittsverbrauch in Asien entspricht, dann würden sie nur 8 Prozent der benötigten Menge an Vitamin A damit aufnehmen. Ein Erwachsener müsste täglich neun Kilogramm gekochten oder 3,75 Kilogramm ungekochten Reise zu sich nehmen, um auf die erforderlich Höhe zu kommen. Eine schwangere Frau müsste gar das Doppelte essen. Allein mit dem Reis kann man also unmöglich die durch den Mangel an Vitamin A verursachten Krankheiten bekämpfen.

Greenpeace bezichtigt die Wissenschaftler und Unternehmen der bewussten Irreführung der Öffentlichkeit: "Die PR-Strategien der Biotwech-Industrie sind gefährlich", so Imke Ide von Greenpeace. "Weil die Europäer Gentechnik auf ihrem Teller ablehnen, versuchen Biotech-Firmen wie Syngenta mit überzogenen Werbemaßnahmen die Akzeptanz für die Gentechnik zu steigern. Zu Lasten der Armen wecken sie bewusst falsche Hoffnungen."