Größter Schlag ins Wasser gegen Piraterie in Spanien

Illegal war wohl nur das Vorgehen der spanischen Polizei

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Der "größte Schlag gegen die Piraterie in Europa", wie ihn die spanische Polizei nach der Beschlagnahmung von einer halben Million beschreibbarer Datenträger und 950 Brenner bezeichnete, entwickelt sich zum großen Schlag ins Wasser. Nach den Verhafteten mussten nun sogar die Datenträger wieder frei gegeben werden. Illegal war wohl nur das Vorgehen der spanischen Polizei.

Es war der 30. Juni, als die spanische Polizei bei Razzien in Barcelona, Badalona und Esplugas del Llobregat 14 Leitungsmitglieder verschiedener Firmen verhaftete. Bei der Aktion wurden 950 professionelle Brenner und eine halbe Million leere DVDs und CDs beschlagnahmt. Die Verhafteten wurden beschuldigt, spezialisierte Banden mit Rohlingen und industriellen DVD- und CD-Brennern beliefert zu haben, die illegal kopierte Musik-CDs und Videos vertrieben. Die Polizei klopfte sich selbst auf die Schulter und bezeichnete die Aktion als "größten Schlag gegen die Piraterie in Europa".

Doch Vorsicht war angebracht. Die Firma CD World, eine der Betroffenen, wies die Vorwürfe weit von sich. Deren Chef Kim Sorensen sagte, es handele sich lediglich um ein propagandistisches "Konstrukt". In einer schriftlichen Pressemitteilung erklärte die Firma, man habe weder illegale Banden beliefert, noch Rohlinge illegal importiert. Der erste Hinweis darauf, dass Sorensen Recht behalten dürfte, ergab sich aus der Tatsache, dass schon am 4. Juli alle Angeschuldigten wieder frei gelassen wurden.

Dass es sich wohl um einen großen Schlag ins Wasser handelt, kommt nun ans Licht. Am 2. Oktober mussten die Rohlinge auf Anordnung der zuständigen Richterin María Eugenia Canal an CD World zurückgegeben werden. Die Firma hatte die legale Einfuhr und den legalen Weiterverkauf nachweisen können. Ein Gutachten von Phillips habe ergeben, berichtete am Tag darauf "El Periódico de Catalunya", dass die Rohlinge mit gültiger Lizenz hergestellt worden sind. Den angerichteten Schaden beziffert die Firma auf etwa sechs Millionen Euro.

Die Verhafteten waren nicht verhaftet

El País legte in ihrer heutigen Ausgabe nach. So wusste die zuständige Richterin nicht von den Razzien und den Festnahmen. Sie erfuhr erst aus den Medien nach einer Pressekonferenz der Polizei davon. Bis heute wurden die Beschuldigten nicht einmal von einem Richter vernommen. Die Verhafteten waren nie verhaftet, stellt sich nun heraus, obwohl sie vier Tage hinter Gittern saßen.

Doch die Zeitung deckte noch weitere grobe Schnitzer auf. Die Software, mit der die angebliche "Illegalität" des Materials geprüft wurde, sei seit drei Jahren überholt. Die Gutachter in dem Fall hätten die Vereinigungen gestellt, von denen die Beschuldigungen ausgingen. Die Vereinigung spanischer Autoren (SGAE) und die Vereinigung der Musikhersteller (AFYVE). Unabhängige Gutachter gab es nicht. Auffällig ist auch, dass die SGAE das beschlagnahmte Material gelagert und bewacht hat. Die Krone wird dem Vorgang dadurch aufgesetzt, dass CD World eine CD habe herstellen lassen, die Piraterie verhindere.

Trotzdem bleibt ein SGAE-Sprecher zum Teil bei den Anschuldigungen. Pedro Farré erklärte, es sei bisher nicht bewiesen, dass die Firma nicht Brenner an illegale Banden geliefert habe. Jedes dritte Gerät das im vergangenen Jahr in Spanien beschlagnahmt worden sei, stamme von CD World. Doch ob die jeweils rechtmäßig beschlagnahmt wurden und ob es zu Verurteilung wegen Piraterie kam, sagte Farré nicht.

Es gelingt offenbar in Spanien auch mit ungesetzlichen Methoden nicht, Piraterie nachzuweisen. Trotzdem werden großspurig Erfolge vermeldet. Schon im Juli hatte Landwell-PricewaterhouseCoopers erklärt, man habe 95.000 Tauschbörsenbenutzer identifiziert. Im Namen von 38 Softwarefirmen würden 4000 davon noch im Sommer angezeigt (Spanische Software-Firmen wollen 4000 Nutzer von Tauschbörsen anklagen). Doch bis heute ist nichts passiert, obwohl man im September erklärte, bis Ende des Monats die Klagen einzureichen. Statt dessen wurden etliche Spähangriffe auf Computer gemeldet. Offensichtlich gibt es auch hier Beweisprobleme, denen man mit fragwürdigen Mitteln beikommen will (Schwierigkeiten mit dem Ausspionieren).