Hier wird berichtet, was berichtenswert ist

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Warum eine Messerattacke in Würzburg und eine Razzia in Weimar für Furore sorgen. Der Telepolis-Wochenrückblick mit Ausblick

Liebe Leserinnen und Leser,

dass Polarisierung einer offenen Debatte nicht guttut, ist eine Erkenntnis, die sich in Anbetracht der heutigen Polit- und Medienkultur fast täglich bestätigen lässt. In der vergangenen Woche ist Telepolis-Redakteurin Claudia Wangerin dem Phänomen anhand der Reaktionen auf eine tödliche Messerattacke in Würzburg nachgegangen. Ausgangspunkt war die Beobachtung, dass Rechte und Linke die Bluttat politisch instrumentalisieren. Das Fazit der Kollegin:

Die Bereitschaft, (…) das Verbrechen als Politikum zu sehen, hängt erst einmal von Herkunft und Hautfarbe des Täters ab. Ist er weiß und westlich sozialisiert, sind es die Rechten, die darin entweder eine unpolitische "Beziehungstat" oder die Tat eines psychisch durchgeknallten Einzeltäters sehen. (…) Ist der Täter dunkelhäutig, sind es Linke, die erst einmal zur Entpolitisierung neigen."

Dass politisch motivierte Einordnungen einen ehrlichen Umgang mit den Problemen einer stetig im Wandel begriffenen Gesellschaft verhindern, beschränkt sich nicht auf die Themen Migration und Gewalt und wird uns bei Telepolis sicherlich noch häufiger beschäftigen.

Völlig unpolemisch, dafür aber mit hoher Fachkenntnis berichtete Klaus-Dieter Kolenda bei Telepolis über den Forschungsstand zu Corona-Vakzinen. Sein Text zum Impfstoff Vaxzevria des Pharmakonzerns Astrazeneca schlüsselt die verschiedenen Beobachtungen und Komplikationen für Laien verständlich auf. Sein Fazit: "Vor dem Hintergrund der geschilderten Nebenwirkungen von Vaxzevria sollte auch zur Kenntnis genommen werden, dass Länder wie Norwegen und Dänemark inzwischen die weitere Verimpfung dieser Vakzine endgültig eingestellt haben."

In einem weiteren Beitrag diskutiert der Internist und Gastroenterologe die Wirksamkeit des chinesischen Impfstoffs Coronavac im Vergleich zu den anderen Covid-19-Vakzinen.

Über die ausgelaufene Bundesnotbremse berichtete in der vergangenen Woche Telepolis-Redakteur Thomas Pany, während ich mich der Einführung des Europäischen Impfpasses widmete. Bei dem ist immer noch nicht klar, wie lange er gilt. Beziehungsweise wie lange die Impfungen wirken. Je nachdem, von welcher Seite man es betrachtet.

Youtube-Sperren: Für das Urheberrecht oder gegen Kritiker?

Mit Erstaunen musste Telepolis-Autorin Gaby Weber unlängst feststellen, dass ihre filmische Gegenrecherche zu einem Doku-Drama der ARD nach rund 70.000 Visits und sechs Jahren von der Videoplattform Youtube für Zugriffe aus Deutschland, Österreich und der Schweiz gesperrt wurde. In einer E-Mail-Auskunft von Youtube hieß es, man folge damit dem Antrag der NDR-Produktionsfirma Studio Hamburg.

Zwar erreichte Weber rasch wieder die Freischaltung. Studio Hamburg wies zudem jedwede politische Motivation von sich und sprach von einem automatisierten Vorgang, den man korrigiert habe. Dennoch bleiben Fragen. Dass eine journalistische Arbeit und Kritik am öffentlich-rechtlichen Fernsehen nach Jahren kurzerhand aus dem Netz entfernt werden sollte, ist schließlich eine gravierende Folge des neuen Urheberrechtes, das, wie der Fall zeigt, Missbrauch begünstigt. Warum, das können Sie hier noch einmal nachlesen.

Außen- und sicherheitspolitisch war in der vergangenen Woche einiges los. Die letzten Soldatinnen und Soldaten "unserer Bundeswehr" haben Afghanistan verlassen, so Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU). Sie gab das zu einem Zeitpunkt bekannt, beobachtete Telepolis-Redakteur Pany, "als die mediale Aufmerksamkeit noch ganz beim EM-Fußball-Match England gegen Deutschland war".

Es werden sicher noch große Analysen zur Bilanz des Bundeswehreinsatzes am Hindukusch folgen. Bleibt man aber dabei, dass der Blick auf Einzelschicksale die Leiden und das Monströse am Krieg auf besondere Weise vor Augen führen, die nicht nur "gerade aus" schauen, dann fällt auf, dass zur Bilanz des deutschen Einsatzes auch gehört: der Bombenbefehl des damaligen deutschen Bundeswehr-Oberst Klein Anfang September 2009, bei dem rund 140 Menschen starben.

Thomas Pany

Einem verheerenden Selbstmordanschlag in Mali mit einem Dutzend verletzten Bundeswehr-Soldaten widmeten wir uns ebenfalls.

Razzia gegen Weimarer Corona-Richter

Geht es um die Kontroversen zur Corona-Politik, müssen wir uns wohl von dem Gedanken verabschieden, mit seriöser und sachlicher Berichterstattung der eingangs erwähnten Polarisierung zu entgehen. Weil wir mit einigen Tagen Verzögerung über die inzwischen zweite Razzia bei einem Weimarer Amtsrichter berichteten, der im April einen Beschluss gegen die Maskenpflicht verfasst hatte, hielten uns die einen "dröhnendes Schweigen" vor, weil wie ihrer Meinung nach zu spät reagierten.

Als wir berichteten, warfen uns andere vor, unseriös zu sein, weil wir überhaupt über den Fall schrieben. Fakt ist: Telepolis berichtet, wenn ein Thema Nachrichtenwert hat. Politische Kriterien spielen bei der Auswahl der Themen ebenso wenig eine Rolle wie bei der Zitierung von Quellen und Akteuren - und seien es die Partei "Die Basis" oder die Querdenken-nahe Website 2020news (die im Übrigen auch der MDR und andere Medien erwähnten).

Erfreulicherweise gibt es neben der Corona-Pandemie und ihren Wirren noch weniger Strittiges zu berichten. So sprach Ulrich Timm mit dem Sachbuch- und Telepolis-Kollegen Nick Reimer über die Auswirkungen des Klimawandels auf Deutschland. Das Video des Gesprächs ist auf tagesschau.de noch abrufbar und sei Ihnen hiermit empfohlen.

Die FAZ ihrerseits empfahl das Buch Gehirn, Psyche und Gesellschaft von Telepolis-Autor Stephan Schleim. "Die kurzen und gut verständlichen Texte behandeln ganz verschiedene Themen vom Neurodeterminismus – "du bist dein Gehirn" – über Versuche, religiöse Erfahrungen mit dem Hirnscanner dingfest zu machen, bis zu Burnout, Depression, Schönheitswahn", heißt es in der Rezension.

Hier können Sie schließlich nachlesen, wer den diesjährigen Surveillance-Studies-Preis gewinnen hat, der von Telepolis gestellt wird.

Bis dahin, bleiben Sie uns gewogen, Ihr

Harald Neuber