IKK-Chef: Müssen wir bald selbst für den Facharzt zahlen?

Ärztin begrüßt Patienten im Wartezimmer

(Bild: Drazen Zigic / Shutterstock.com )

Krankenkassen in Not: Reformen gefordert. IKK-Chef warnt vor Kollaps und schlägt Kürzungen vor. Droht bald Eigenanteil beim Facharztbesuch?

Das deutsche Gesundheitssystem steht nach Ansicht von Ralf Hermes, Vorstand der IKK Innovationskasse, vor dem Kollaps. In einem Interview mit der Berliner Zeitung äußerte er sich besorgt über die Finanzlage der gesetzlichen Krankenkassen und forderte tiefgreifende Reformen.

Hermes kritisierte die Reformen von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) als unzureichend. "Das System kollabiert", warnte er und erklärte, dass alle Kassen "auf der Felge" fahren würden.

Rücklagen der Krankenkassen: Millionen abgeschöpft

Als Grund nannte er unter anderem die Abschöpfung der Rücklagen durch die Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) und Lauterbach. Bei der IKK Innovationskasse seien rund 30 Millionen Euro entnommen worden, was für eine kleine Kasse viel Geld sei.

Um die Krankenkassen zu entlasten, schlug Hermes mehrere umstrittene Maßnahmen vor. Seiner Meinung nach sollte überlegt werden, ob das Krankengeld künftig noch von den Kassen gezahlt werden müsse. "Das sollte keine Kassenleistung mehr sein", sagte er. Ebenso wie das Mutterschaftsgeld sei es eine versicherungsfremde Leistung.

Er plädierte auch dafür, Beiträge für nicht erwerbstätige Ehepartner zu erheben. "Wie kann das denn sein, dass die Allgemeinheit dieses Lebensmodell sponsert?", fragte er.

Leistungskürzungen und Wahltarife: Neue Konzepte für Krankenversicherungen

Außerdem sprach sich Hermes für eine Begrenzung der Kassenleistungen aus. Er schlug vor, Homöopathie, Heilmittel wie Physiotherapie und Massagen sowie Zahnersatz aus dem Leistungskatalog zu streichen. Stattdessen plädierte er für die Einführung von Wahltarifen, bei denen die Versicherten gegen Beitragsrückerstattung auf bestimmte Leistungen verzichten können.

Besonders umstritten ist sein Vorschlag eines Wahltarifs "Facharzt privat". Versicherte würden einen Eigenanteil von beispielsweise 1.200 Euro für Facharztbesuche in Kauf nehmen, dafür aber 600 Euro Beitragsrückerstattung erhalten. Mit diesem Geld könnten sie eine private Zusatzversicherung abschließen. Hermes argumentierte, dass dadurch die Wartezeiten bei Fachärzten verkürzt und unnötige Arztbesuche reduziert würden.

Solidarprinzip in Gefahr? IKK-Chef sieht Handlungsbedarf

Auf die Frage, ob damit nicht das Solidarprinzip ausgehöhlt werde, antwortete Hermes: "Können wir uns als Gesellschaft das Solidarprinzip mit einer Vollkaskoversicherung noch leisten? Ich sage: Nein". Er betonte jedoch, dass chronisch Kranke weiterhin im bisherigen System versichert seien.

Hermes’ Vorschläge stießen auf ein geteiltes Echo. Während Bundesgesundheitsminister Lauterbach die Idee eines Wahltarifs "Facharzt privat" ablehnte, signalisierten Vertreter von Union und FDP laut Hermes Unterstützung. Notwendig sei ihrer Meinung nach ein "neuer Mix aus Solidarität und Eigenverantwortung".

Der Kassenchef warnte zudem vor akuten Liquiditätsproblemen des Gesundheitsfonds. Dieser zahle Gelder zunehmend verspätet und unregelmäßig an die Kassen aus. "Der Fonds hat uns mitgeteilt, dass er das Geld nicht hat", so Hermes. Das zeige, wie knapp die Mittel im System seien.