Idylle mit braunen Flecken: Völkische Siedler, Christentum und Judentum

Auch hier wurden heindische Symbole bevorzugt: "Schwarze Sonne" im Obergruppenführersaal der zeitweise von der SS genutzten Wewelsburg. Foto: Sunnydog / CC0 1.0

Ein bisschen Heimat, ein bisschen Handwerk, ein bisschen "Zurück zur Natur"? Was in manchen Fällen wirklich dahinter steckt, ist nicht harmlos. (Teil 2 und Schluss)

Es gibt einige gemeinsame Themen von konservativen Christen und Rechten – einige Rechte beziehen sich auch explizit auf das Christentum. Bei völkischen Siedlern dominiert es jedoch nicht. Obwohl viele Siedlergruppen dezidiert rechts sind und das Christentum in Deutschland die am meisten verbreitete Religion ist, orientieren sie sich an anderen Religionen beziehungsweise religiösen Strömungen, gelten als neuheidnisch oder neopaganistisch und erklären, das Christentum strikt abzulehnen.

Und damit auch das Judentum. So nennt das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) in einer Broschüre über Antisemitismus im Rechtsextremismus "offen antisemitische Agitation" als ein weithin zentrales ideologisches Merkmal für rechtsextremistische Weltanschauungs- und Kulturgemeinschaften.

In völkisch ausgerichteten rechtsextremistischen Organisationen würden alle drei abrahamitischen Weltreligionen strikt abgelehnt, aber das Judentum werde deshalb besonders aggressiv angefeindet, weil es dort an erster Stelle stehe.

Zudem habe die Idee eines genetisch bedingten Glaubens eine große Bedeutung. Das gehe zurück auf eine lange Tradition von Theoretikern besonders zur Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert, die seitdem rechtsnationale Kreise in Europa beeinflusst haben.

In diesem Zusammenhang – Antisemitismus in rechtsextremistischen Weltanschauungs- und Kulturgemeinschaften – nennt das BfV auch die Artgemeinschaft. Diese neuheidnische Gruppierung sei "die derzeit größte deutsche neonazistische Vereinigung mit völkischer, rassistischer, antisemitischer sowie antichristlicher Ausprägung".

Antisemitische Agitation wird hier hauptsächlich im Zuge der grund­legenden Ablehnung monotheistischer Religionen deutlich. Die Etablierung eigener Glaubensvorstellungen innerhalb der rechtsextremistischen Szene durch Organisationen wie die AG-GGG stärkt die Bindungskraft innerhalb der Gruppe und sorgt zugleich für ein langfristig antisemitisch geprägtes Bewusstsein.


Aus der BfV-Broschüre "Antisemitismus im Rechtsextremismus", 2020

Auch die Anastasia-Bücher verbreiten entsprechende Verschwörungstheorien: Demnach beherrschen jüdische Priester die Welt und tun alles, um die Gesellschaft unwissend zu halten, auch mithilfe der modernen Medien.

Die Einstellung der Artamanen gegenüber dem Judentum erklärt sich von selbst, man denke nur an Höß und Himmler.

Siedlergruppen, Esoterik und Demokratie

Man kann also von rechten Christen sprechen, man kann von christlichen Rechten sprechen, aber auf völkische Siedler passt beides nicht so recht. Sie haben gemeinsame Topoi mit der christlichen Rechten und den rechten Christen, wie etwa ein konservatives Familienbild, Islamhass und Nationalismus, aber sie grenzen sich ab gegenüber dem Christentum. Sie sind nicht christlich, sondern esoterisch.

"Esoterik" ist allerdings ein ungenauer Begriff, nach dem Religionswissenschaftler Julian Strube hat er sich als "Sammelbezeichnung für eine Vielzahl unterschiedlicher Strömungen etabliert, die sich vor allem seit dem 19. Jahrhundert formiert haben". Einige Esoteriker brachten Elemente auf, die Anknüpfungspunkte für rassistische, nationalistische und antisemitische Ideen boten, und Rassismus, so Strube, ist "einer der ambivalentesten Aspekte im Bereich der Esoterik."

Er nennt als Beispiele für belegbare Einflüsse "die Blut-und-Boden-Mystik von Alfred Rosenberg und damit verbundene Aktivitäten des Rasse- und Siedlungshauptamtes, sowie Heinrich Himmlers Interesse für biodynamische Landwirtschaft, Astrologie und Runenkunde."

Und seit den 1950er-Jahren habe sich ein "dezidiert esoterisch-neonazistischer Diskurs" herausgebildet, dessen Ideen und Symbole "heute weit über das rechtsextreme Spektrum hinaus wirken".

Die Regionalzentren für demokratische Kultur der Nordkirche sehen germanisch-kultische Mythologieversatzstücke als "gemeinsame Bezugsgröße" der Kerngruppe der Völkischen Siedler, die dort "einen besonders hohen Stellenwert" hätten. Allerdings sei dieser spirituelle Aspekt in verschiedenen Teilen der Netzwerke unterschiedlich stark präsent, "die völkische Ideologie und auch entsprechende Symbole, Rituale etc. sind aber für die gesamte rechtsextreme Szene im Nordosten inzwischen dominant".

Wenn Siedler sich auf eine höhere Offenbarung oder eine ererbte Religion berufen, nach der sie ihr gesamtes Leben gestalten, auch das Zusammenleben: Wie wollen sie dann dieses Zusammenleben diskutieren, andere Menschen argumentativ überzeugen oder auch sich überzeugen lassen? Eine esoterische Begründung des Zusammenlebens steht den Spielregeln des demokratischen Zusammenlebens im Weg.

Völkische Siedler, die einen "genetisch bedingten Glauben" propagieren, diskriminieren damit alle Menschen, die sie einer genetisch anderen "Rasse" oder gar einer anderen "Art" zuschreiben. Wenn sie sich denn auch noch vermehren wollen, um sich gegenüber diesen "Anderen" besser durchsetzen zu können, und diese Anderen schließlich vertreiben wollen, dann ist diese Propaganda letztlich gegen die Demokratie gerichtet.

Und es geht nicht nur um den Glauben. In der Blut-und-Boden-Ideologie reklamieren sie für sich, durch die Härten der germanischen Klimas besonders stark, kämpferisch und tüchtig geworden zu sein, und das werde in den germanischen Stämmen weitervererbt. Das ist nicht nur absurd bis zur Lächerlichkeit – je günstiger das Klima, desto mehr kann man sich auf Kultur und Wissenschaft konzentrieren und, na ja, wenn man kämpfen will, zum Beispiel umso effizientere Massenvernichtungswaffen erfinden (oder wollen sie mit dem Schwert kämpfen?) – sondern es diskriminiert auch Menschen aus südlichen Ländern.

Besonderen Einfluss üben Siedler auf ihre Kinder aus: Wer so aufwächst, ist vor allem unter seinesgleichen. Mit der Einheitlichkeit der zugelassenen Einflüsse werden diesen Kindern grundlegende Menschenrechte und Entwicklungsmöglichkeiten vorenthalten.

Die Regionalzentren für demokratische Kultur der Nordkirche nennen das Verhalten der Kerngruppe der völkischen Siedler denn auch "in besonderem Maße sektiererisch": Mit missionarischem Selbstverständnis trügen "die Protagonisten ihre Ideologie, wann immer es geht nach außen und zielen darauf, maximale Wirksamkeit im Interesse ihrer Ziele zu entfalten".

Konservative Christen wollen den Staat in ihrem Sinne ändern und letztlich das ewige Leben für möglichst viele Menschen. Rechtsextremisten und völkische Siedler wollen anscheinend den Staat stürzen, und Menschen mit einem angeblich anderen Genpool entfernen oder unterjochen. Das ist ein Unterschied.

Aufgaben für Staat und Gesellschaft, Theologie und Kirche

Es geht über die Grenzen der legitimerweise zu verlangenden Toleranz hinaus, dies hinzunehmen. Daher stellt sich die Frage, wie man sich solchen Aktivitäten entgegenstellen kann.

"Gegenstrategien müssen so gewählt werden, dass sie vor Ort sinnvoll sind und für diejenigen, die sie umsetzen, passen", sagt Anna Weers, Referentin zum Thema Rechtsradikalismus im ländlichen Raum bei der Amadeu-Antonio-Stiftung.

Feindbilder rechtsesoterischer und völkischer Ideologien seien die gleichen: Personen, die beispielsweise abseits heterosexueller Norm leben, Behinderungen haben, nicht weiß sind und so weiter. Mit Personengruppen, die von rechts angefeindet werden, sollte sich eine demokratische Gesellschaft und Zivilgesellschaft solidarisch zeigen und sie schützen, und eine vielfältige Gesellschaft als Dorfgemeinschaft bejahen und sichtbar machen, so dass "Diskriminierung, Antisemitismus und rechtes Gedankengut keinen Platz bekommt."

Herrsche bereits eine rechte Hegemonie vor, müssten Strategien eventuell angepasst werden. "Kommt es zu persönlichen Einschüchterungsversuchen durch Rechte und Bedrohungen einzelner zivilgesellschaftlich Akteur:innen, sollte auf jeden Fall Beratung zum Beispiel durch die mobile Beratung gegen Rechtsextremismus oder ähnliche Organisationen hinzugezogen werden."

Auch die Regionalzentren für demokratische Kultur der Nordkirche befürworten unterschiedliche Umgangsstrategien und Handlungsansätze in verschiedenen Situationen:

Gemeindevertreterinnen und -vertreter werden unter Druck gesetzt und überlegen, ihre Ämter aufzugeben; ein Kind will in der Kita nicht mit Puppen mit dunkler Haut spielen, ein anderes wird von Schul-Freunden zur Sonnenwendfeier eingeladen; in Bürgerinitiativen versuchen Personen mit rechtsextremer Agenda die Themen zu dominieren; eine Kollegin in der Firma spricht plötzlich vom "Weltjudentum" oder von "Umvolkung" und "Rassenvermischung"; ein Künstler stellt Schmuck mit germanischen Symbolen aus, die auch als Symbole des Nationalsozialismus dienten; eine engagierte Schulleiterin wird von einer Elterngruppe unter Druck gesetzt, keinen Thementag zu jüdischer Kultur durchzuführen; ein Biobauer erzählt mit bedeutungsschwerem Ton vom Unkraut, das im Sinne der Nutzpflanze immer konsequent ausgerottet werden müsse...

Das Team der Regionalzentren für demokratische Kultur der Nordkirche unterstütze betroffene Schulen, Kitas, Eltern und sonstige Institutionen durch "Beratung, Fortbildung und Begleitung sowie durch die Kommunikationsvermittlung mit Landes- und Bundespolitik, Polizei, Verfassungsschutz etc."

Theologie und Kirche

Ob Rechte das Christentum nun vereinnahmen oder ob sie es überwinden wollen: Gleichgültig ist es ihnen nicht. Darum kann man normativ fragen: Was ist denn nun mit dem Christentum, also mit Theologie und Kirche? Welches sind die Aufgaben von Theologie und Kirche angesichts der Herausforderungen von rechts?

Angesprochen ist erstens die systematische Theologie, also die sachliche Bearbeitung der theologischen Themen. Zweitens ist die praktische Theologie gefordert, also die Verbreitung der christlichen Religion in der Predigt, aber auch die Seelsorge. Und zwischen beiden liegt die Ethik. Drei Strategien bieten sich an: Aufklärung, Interpretation und die Annahme einer Herausforderung.

Aufklärung

Rechte Positionen kristallisieren sich im Antisemitismus heraus. Er sollte eigentlich überwunden sein. Aber eine Bundestagskommission musste im Jahr 2012 feststellen, dass "kirchlich engagierte Menschen stärker für antisemitische Stereotype anfällig sind als Konfessionslose und nichtreligiöse Menschen", so Katharina von Kellenbach im Sammelband "Rechtsextremismus als Herausforderung für die Theologie".

Die Autorin betrachtet den christlichen Antijudaismus als Wurzel aller anderen Erscheinungsformen des zeitgenössischen Antisemitismus. Sie definiert ihn als "mehr als Zustimmung zur These, dass 'die Juden für den Tod Jesu verantwortlich sind'". Ist das ein Fehler von Theologie und Kirche? Wohl nein. Aber diese Institutionen müssen vielleicht auch mit Hilfe von Erkenntnissen aus Theologie, Psychologie und Soziologie aufklären. Immer wieder.

Interpretation

Johann Hinrich Claussen beschreibt im Sammelband "Christentum von rechts", wie er als Probst "Gemeindestreitigkeiten und Personalprobleme zu bearbeiten hatte, bei denen kleine Gruppen rechter Christen beteiligt waren.

Hier war die gemeinsame Suche nach tragfähigen Lösungen erschwert, weil es sich für diese Gruppen um Weltanschauungskämpfe handelte." Seiner Ansicht nach wird die Auseinandersetzung mit Rechten noch lange ein politisches und kirchliches Thema bleiben und er versucht, mit ihrer theologischen Deutung und der Diskussion ihrer Theologien "zur nötigen Orientierung bei[zu]tragen".

Er tut das am Beispiel von Karlheinz Weißmann, einem Theologen und Ideengeber der Neuen Rechten. Claussen interpretiert dessen Denken als "Kultur der Niederlage", in der die erlebte Niederlage umgedeutet wird mit der Prätention, einer Gegen-Elite anzugehören und über geheime Heilstraditionen zu verfügen.

Annahme der Herausforderung

Im selben Sammelband wie Claussen schreibt Rochus Leonhardt über die politische Kultur Deutschlands. Er kritisiert sie vom Standpunkt einer protestantischen Ethik des Politischen aus: Nach seiner Überzeugung wird die evangelische Kirche der Herausforderung durch die gegenwärtige Konjunktur des Rechtspopulismus nicht gerecht, indem sie sich das "apokalyptische Narrativ einer Gefährdung der Demokratie zu eigen macht".

Vielmehr sollte sie überlegen, was heilsrelevant ist, und dabei sachlich und vernünftig vorgehen. Die eigentliche Gefahr für die freiheitlich-demokratische Rechtsordnung sei ein schlichter Freund-Feind-Dualismus.

Persönliches Fazit

Was bedeuten diese Menschen und ihre Ideen für uns? Ein Grund für Sympathien für rechte Positionen könnte sein, dass jemand sich nicht ernst genommen fühlt. Ich kenne Frauen, die sich nicht mehr in gewisse Freibäder trauen, weil dort viele türkische und arabische Jungs sind, die vielleicht nicht Randale machen, aber ins Wasser springen, wo man nicht springen darf, und die Frauen haben Angst vor Verletzungen.

Wenn ich diese Frauen daran erinnere, dass sich "biodeutsche" Jugendliche vor 45 Jahren genauso benommen haben oder wenn ich ihnen etwas von Integration erzähle: Dann nehme ich sie nicht ernst, benachteilige sie sogar gegenüber den Menschen, die sich ins Freibad trauen. Oder wenn ich ihnen erzähle, dass ich beim Kampfsport oft die einzige Frau war und manchmal die einzige "Biodeutsche", und dass ich dabei nur gute Erfahrungen gemacht habe, dann kommen sie sich verarscht vor.

Wenn sie dann die AfD wählen und ich sie daraufhin schneide, wem ist dann geholfen? Besser könnte es funktionieren, zuzuhören, ihre Meinung stehen zu lassen und ab und zu die eigene Meinung dagegenzuhalten.

Da aber meine ich "nur" Rechtspopulismus, nicht Rechtsextremismus. Denn wenn mich jemand fragt, was ich denn zu den Antisemitismen, Unverschämtheiten, Rassismen aus den Reihen der AfD sage, dann fällt mir auch keine gute Antwort ein.

Mit völkischen Siedlern würde ich reden, versuchen, etwas über ihre Beweggründe zu erfahren und journalistische Fairness wahren, etwa indem ich sie korrekt zitiere. Zugleich hoffe ich aber, dass Behörden und Institutionen ein Auge auf sie haben. Dass sie erstens besonders die gefährdeten Personengruppen schützen – und dass sie zweitens darauf achten, dass Kinder von Rechtsextremen in "richtige", möglichst öffentliche Schulen gehen. Notfalls mithilfe von Zwangsmaßnahmen.

Ich denke, dass wir mit einem Dilemma leben und immer neu unsere eigenen "Toleranz-Grenzen" prüfen müssen. Was wir ertragen können. Und wollen. Und, andererseits, wie wir unsere Mitmenschen schützen können. – Früher gehörte es zum guten Ton., dass nach einem Treffen der Mann die Frau zu ihrer Wohnung geleitete, damit ihr unterwegs nichts passiere. Heute müssen wir uns vielleicht Benimmregeln überlegen, um Homosexuelle, nicht-nordisch-Aussehende und Menschen anderer gefährdeter Gruppen zu schützen.