Im besten Interesse des Internet

Don Heath, Präsident und CEO der Internet Society, über die Rolle seiner Organisation bei die Umgestaltung des Domain Name Systems, seinen Kampf für die Aufrechterhaltung der "offenen Prinzipien" des Internet sowie sein Verständnis von Netz-Regulierung.

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Über 6000 Mitglieder in fast allen Ländern, die ans Internet angeschlossen sind, hat die Internet Society (ISOC) in zahlreichen "Chapters" zusammengeführt. Gegründet wurde die Organisation, die sich als Selbstvertretung der internationalen Nutzergemeinde des Netzes sieht, im Jahr 1990, um ein rechtliches Dach zu formen für die Internet Assigned Numbers Authority (IANA) sowie die Internet Engineering Task Force (IETF) - die beiden wichtigsten Einrichtungen für den operativen Betrieb bzw. die Ausgestaltung der technischen Leistungsfähigkeit des Netzes.

Die Bedeutung und das Gewicht der ISOC ist gleichzeitig mit dem Rückzug der US-Regierung aus der Internet-Administration und der Aufgabe der Kontrolle über das einst von ihr ins Leben gerufene Netzwerk gestiegen: Mit der Zulassung der kommerziellen Nutzung des Internet 1992 sowie der Übergabe der letzten Backbones aus den Händen der National Science Foundation (NSF), die angesichts des durch das World Wide Web ausgelösten, exponentiell wachsenden Netz-Traffics nicht mehr genügend Leitungskapazität bereitstellen konnte, 1995 an die Privatwirtschaft (vgl. Die Kommerzialisierung des Internet), entwickelte sich ein Vakuum im Bereich der Netzadministration, das die ISOC seitdem in Konkurrenz bzw. in Kooperation mit Konzernen und internationalen Organisationen zu füllen versucht. Keine leichte Aufgabe angesichts der Begehrlichkeiten, die eine mögliche Kontrolle des Netzes bei Regierungen weltweit und bei Unternehmen aus der Computer- oder Telekommunikationsindustrie weckt (vgl. Internet unter Kontrolle und Internet 2010).

To assure the beneficial, open evolution of the global Internet and its related internetworking technologies through leadership in standards, issues, and education.

"Mission Statement" der Internet Society

Mit dem White Paper zur Neustrukturierung des Domain Name Systems (DNS) hat die US-Regierung nun auch die Aufsicht über das "Nervensystem" des Netzes, die Zuweisung und Administration der Internetadressen und -namen, aus der Hand gegeben. Die ISOC will zusammen mit dem International Forum on the White Paper getreu ihrem Ideal der Selbstregulierung (vgl Selbstregulierung als Heiliger Gral) in einem offenen Gestaltungsprozeß ein neues Gremium für die Verwaltung und Neuschaffung des Adreßraums schaffen, das darüber hinausgehende rechtliche und politische Fragen zunächst ausklammern und zu einem späteren Zeitpunkt diskutieren soll. Wie Heath im Telepolis-Interview nahelegt, könnte sich seiner Ansicht nach das zu bildende Komitee am besten aus den Reihen der ISOC selbst rekrutieren und die Erfolgsmodelle der "basisdemokratischen" Verwaltung der IETF oder der IANA weitergeführt werden.

Kritiker wie die Netzpionierin Ronda Hauben von der Columbia University in New York halten dagegen wenig von der Entscheidungsfindung im Rahmen des IFWP, die momentan in einer Serie von drei Konferenzen in den USA, Genf und Singapur bis Ende September über die Bühne geht. Ihrer Meinung nach fehlt die eigentliche Netzdiskussion zur Gestaltung der wichtigen Fragen der endgültigen Privatisierung des DNS. Der jetzige Prozeß sei nur für Firmenvertreter offen, die sich die Flüge zu den Treffen des IFWP leisten können: "No one with any but a private commercial interest - in normal language, a conflict of interest - is to be allowed to participate in the process, no discussion to clarify what people are being asked to vote on is allowed to take place." Dies sei keinesfalls der Weg, eine pionierhafte neue Organisation zu gründen, die das Herz einer internationalen öffentlichen Kommunikationsinfrastruktur verwaltet und kontrolliert, "die mit Steuergeldern und Anstrengungen von Leuten weltweit gegründet wurde."

The U.S. government, without discussion by the U.S. Congress, the press or the public is throwing a bone to the private sector and offering them the possibility of making their millions off of the Internet.

Ronda Hauben, Co-Autorin des Buches Netizens: On the History and Impact of Usenet and the Internet

Eine Unterwanderung des von der ISOC mitgetragenen Neugestaltungsprozesses könnte sogar von der kartellrechtlichen Klage gegen die NSF sowie die momentane, monopolistisch agierende Registrierungsstelle für generic Top Level Domains (gTLDs) wie .com oder .org, der Netsolution Inc. (NSI), ausgehen, die der vom Netzkünstler zum Netzunternehmer gewandelte Aktivist Paul Garrin (Interview mit Garrin) angezettelt hat. Garrins eigene Registrierungsfirma pgMedia hatte NSI im März 1997 ersucht, rund 300 neue gTLDs in ihr Rootserververzeichnis aufzunehmen, das für die richtige Zuordnung von IP-Nummern zu Domain-Namen sorgt, und vertritt gleichzeitig die Ansicht, daß WWW-Adressen Teil der freien Meinungsäußerung und deshalb nicht zu kommerzialisieren seien. NSI hatte Garrins Forderung nach Rücksprache mit der NSF, mit der die Firma den Vertrag zur Verwaltung der genannten gTLDs noch bis September hat, abgelehnt. In den nächsten Wochen entscheiden nun New Yorker Richter über sein Begehren.

Angesichts dieser Entwicklungen unterhielt sich Stefan Krempl mit dem Präsidenten der Internet Society während des Jahrestreffens der Organisation in Genf über das Netz im Spannungsfeld der unterschiedlichen Interessengruppen, über das Internet zwischen Kontrolle und Selbstregulierung.

Die ISOC scheint momentan gehörig unter Druck zu geraten. Zahlreiche Parteien mit unterschiedlichsten Meinungen - von wirtschaftlichen Lobbygruppen über die Scientific Community bis hin zu Rechtsorganisationen wollen die Zukunft des Netzes ihren Vorstellungen entsprechend prägen. Und alle haben sie ihre eigenen Bedenken. Llewellyn Smith zum Beispiel, der Leiter des CERN, der Geburtsstätte des Web hier in Genf, beklagt sich über die ständig wachsende Bedeutung der Wirtschaft im Netz und sieht Forschergruppen an den Rand gedrängt. Welche Vermittlungsrolle kann die ISOC da spielen?

Don Heath: Das Hauptziel der ISOC ist es, die Leistungsfähigkeit und das Wachstum des Internet in vielen Bereich zu sichern, und zwar für alle Nutzer. Und jeden Tag kommen mehr und mehr dazu, die ja auch ein Recht dazu haben. Was nun die Beschwerden der akademischen Community über all die kommerziellen Nutzer anbelangt, so könnten wir ja auch wieder zurückgehen zu Zeiten, als wir noch ein 6 Kilobyte-Backbone hatten, und dann wäre auch keiner glücklich. Das Backbone erreicht heute teilweise Übertragungsgeschwindigkeiten von über 100 Megabyte und mehr, und die einsichtigen Akademiker werden eingestehen, daß das Netz nun besser funktioniert und zuverlässiger ist als selbst zu den besten Zeiten, in denen es nur von der Wissenschaft genutzt wurde. Die Beschuldigungen sind also nicht ganz richtig.

Schließlich treibt die ISOC ja auch ständig die Entwicklung des Internet voran, durch die IETF oder durch die Koordinierung von Programmen und Initiativen verschiedenster Leute weltweit. Mir kommt es daher so vor, als ob das Netz einen Höhepunkt an Verfügbarkeit erreicht hat und sich die Akademiker nicht zu beklagen brauchen.

ISOC sieht sich selbst nicht als Wirtschaftslobby, doch die Online-Marketer haben dieselben Rechte wie alle anderen - und außerdem sind es gerade Unternehmen, die Innovationen im Netz und bessere Leistungswerte vorantreiben, von denen letztlich alle profitieren.

Es scheint momentan so, als ob jeder von der ISOC Entscheidungsfindungen und neue Lösungen für die drängenden Fragen der Zukunft des Netzes erwartet. Was bringt sie tatsächlich ein in den Prozeß der Formung eines "neuen" Internet?

Don Heath: Wir merken, daß unsere Chapter immer mehr Bedeutung erlangen. Und einer der Hauptgegenstände, den sie immer wieder angehen, ist das Next Generation Internet. Die ISOC versteht sich selbst nicht nur als Sekretariat, und sie hat natürlich viele Mitglieder, die ein intensives Interesse am Internet und an der Einführung aller möglicher neuer Technologien und Basisprotokolle haben. Auch wenn die ISOC also kein spezifisches Programm hat, so treiben doch ihre Mitglieder von der IETF über die Internet Engineering Steering Group (IESG) bis zu den Chaptern die Netzentwicklung voran. Dadurch ist es uns möglich, Programme und Initiativen für das Wachstum des Internet zu entwickeln. Die Leland-Initiative für Afrika haben beispielsweise wir vorgeschlagen. Sie wurde dann von Institutionen aufgegriffen, die Geld haben, wie dem United States State Department oder der USAID. Und die haben wiederum andere Unternehmen oder Industrien angesprochen. Wir können also normalerweise keine Programme durchführen, aber wir können sie anregen und erklären sowie veranlassen, daß sie von anderen Organisationen aufgegriffen werden, und so Dinge verändern.

Kann die ISOC für die ganze Netzgemeinde sprechen?

Don Heath: Wir versuchen es zumindest. Ich habe da eine interessante Entwicklung festgestellt: Organisationen, die trotz unserer Bemühungen nicht Mitglieder der ISOC geworden sind, profitieren trotzdem von unserer Arbeit, weil es dabei um die Funktion des Netzes und seine grundlegenden Protokolle geht. Deshalb sehen wir uns als Vertretung der besten Interessen des Internet und auch als Repräsentanten vieler, die nicht Mitglied bei uns sind. Natürlich würden wir uns wünschen, daß mehr und mehr Leute tatsächlich bei uns eintreten.

Wir haben zwar heute schon eine Stimme, die durchaus gehört wird, aber mehr individuelle Mitglieder sind für uns gerade in einer Zeit wichtig, in der das Internet nicht mehr hauptsächlich von technologischen Entwicklungen geprägt wird - aus diesem Umfeld kommen wir ja -, sondern von kommerziellen, rechtlichen, kulturellen oder ethischen Kräften.

Seit vergangenem Jahr arbeitet die ISOC eng mit internationalen Organisationen wie der WIPO oder der ITU zusammen, was auch kritisch beobachtet wird. Was hat die ISOC zu der Kooperation veranlaßt?

Don Heath: Der anfängliche Grund, warum ich die WIPO und die ITU in den Prozeß des IAHC, des International Ad Hoc Committee, zur Neugestaltung des Domain Name Systems und zur Ausweitung der Rechtsbasis für weitere Entscheidungen einbezogen habe, war, daß dies international anerkannte Organisationen sind und wir die Internationalität der Entwicklungen sicherstellen wollten. Das waren also einerseits politische Gründe, andererseits aber motiviert von dem Gedanken, daß eine der größten Schwierigkeiten die Warenzeichenproblematik sein würde und die WIPO da sehr hilfreich sein könnte. Die ITU mußte allein wegen all der Telekommunikationsunternehmen, die sie vertritt und die einen Großteil der Infrastruktur des Internet stellen, beteiligt werden.

Der eigentliche Grund war aber, daß die ITU und die WIPO damals das Internet überhaupt nicht verstanden - viel allerdings von Teilbereichen der zu lösenden Probleme. Und da habe - oder hatte - ich Angst, daß es angesichts dieser Konstellation zu einem Desaster kommen könnte. Also dachte ich, daß ein frühzeitiger Einbezug der beiden Organisationen das Schlimmste verhindern könnte. Tatsächlich haben sich beide - zumindest in rechtlichen Fragen - zu sehr verständigen Internetkräften entwickelt. Die ITU hat das Netz sogar stärker begrüßt als zu erwarten war.

Gleichzeitig sorgen sich viele über die Entwicklung, weil die ITU ein altes, bürokratisches System ist und sich das Internet so schnell verändert. Aber meiner Meinung nach muß man sich den Realitäten stellen. Wie dem auch sei - die Beziehung war eh nur auf administrative Randbereiche bezogen, bei der WIPO zum Beispiel auf die Erarbeitung rechtlicher Leitlinien zur Schlichtung von Domain-Name-Streitigkeiten.

Es gibt Meinungsverschiedenheiten zwischen den USA und Europa, nicht mehr unbedingt, was das Domain Name System angeht, aber in Fragen wie Internetregulierung allgemein, Datenschutz, Copyright ...

Don Heath: Im Bereich des DNS sehen viele Gemeinsamkeiten zwischen den Plänen der ISOC und der Europäischen Kommission. Nicht nur weil die CORE-Initiative sich weitgehend nach Europa verlagert hat, was so anfangs nicht geplant war, sondern vor allem weil die ISOC Christopher Wilkinson vom Verwaltungsbereich DG XIII der Kommission als ihren Vertreter für das POC, das vor einem Jahr geplante Policy Oversight Committee, ernannte. Er saß da zunächst nicht als Vertreter der Kommission, aber die sanktionierte seine Stellung schließlich, weil die Pläne des CORE auch in ihrem Interesse waren.

Insgesamt wollte die ISOC die Regierung durchaus in den Prozeß einschließen, aber kein Diktat. Das Green Paper, das die USA herausgebracht haben, las sich aber genau als solches und ordnete vieles der Regierungsautorität unter. Wir glauben aber, daß keine einzelne Institution ihre Macht zu stark ausspielen sollte, und die Europäische Kommission sah das auch so. Ergebnis war das White Paper der US-Regierung - und da heißt es nun wieder: "Laßt die Internet Community es doch so machen wie immer!", und genau das wollten wir ja auch mit dem IAHC in die Gänge bringen.

In anderen Bereichen wie etwa beim Copyright sieht es ganz anders aus. Ehrlich gesagt kenne ich gar nicht all die unterschiedlichen Meinungen, aber da kommt man in sehr komplexe Bereiche, weil alles ganz anders ist als bei Buchpublikationen. Es gibt überall im Netz Datenbanken, die ganz leicht kopiert werden können. Aber ich glaube schon, daß die Europäer und die Amerikaner hier gemeinsame Lösungen finden werden. Der Grund, daß die Meinungen manchmal auseinanderzudriften scheinen, ist die Komplexität der Themen. Erst wenn man all die unterschiedlichen Perspektiven vor Augen hat, kann es zu einem Einverständnis kommen.

Das gilt auch für den Schutz der Privatsphäre, doch dieser Begriff bedeutet eine ganze Menge, auch die Verschlüsselung von Daten fällt darunter. Und da liegt die Position der Vereinigten Staaten jenseits von Gut und Böse. Sieht man sich die Züge der US-Regierung aber genauer an, bewegt sie sich wohl schon auf eine liberalere Haltung zu. Ich erwarte bald einen Durchbruch - jegliche Kryptographiesoftware muß ja frei verfügbar sein.

Datenschutz bedeutet aber auch die Regulierung von Inhalten, was man im Web zeigen kann und was nicht. Und da landet man bei einem Haufen Unterschiede, da Werte und Moralvorstellungen ins Spiel kommen, und Ansichtsweisen über das, was von rechtlicher Seite aus geregelt werden muß, von Land zu Land variieren. In diesem Bereich wird es wohl immer Meinungsverschiedenheiten geben, es sei denn, Kulturen schließen sich so eng zusammen, daß eine echte Globalkultur entsteht. Aber das werden wir wohl nicht mehr erleben. Insgesamt sind die USA in diesem Fall liberaler eingestellt als etwa Deutschland, wie die Verurteilung des Compuserve-Managers Felix Somm aller Welt gezeigt hat. ISOC hat auf den Richterspruch übrigens mit einer Protestnote an Helmut Kohl reagiert.

Wir sind gegen die Zensur des Internet, bei der das Netz selbst als Kontrollmittel eingesetzt wird. Natürlich ist es legitim für einzelne Staaten, die Einhaltung ihrer eigenen Gesetze zu überwachen. Aber in diesem Fall lautete die Frage, ob jemand, der einen Zugang zum Internet vermittelt, für den Inhalt verantwortlich sein soll. Und wir beantworten diese Frage mit einem klaren Nein! Internetprovider bieten einen ähnlichen Dienst an wie Telefongesellschaften, die Leitungen zur Verfügung stellen. Andererseits würde man diese Datenleitungen zu einem Regierungsinstrument für die Polizeikontrolle von Inhalten machen - und das halten wir für sinnlos.

Um noch einmal auf die Neugestaltung des Domain Name System zu sprechen zu kommen: Glauben Sie, daß nach dem verlorenen Jahr der Prozeß nun schneller vorankommt?

Don Heath: Wir sind nun an einem Punkt angelangt, an dem eigentlich keiner mehr bremsen kann, denn die einzige Institution, die sich hätte gegen den Prozeß aussprechen können, und es ja auch tat, war die US-Regierung. Ich denke, daß wir nun zu einer Einigung kommen, weil alle international zusammenarbeiten und wir eine ganze Reihe von Treffen haben, die aneinander anknüpfen. Der Grundgedanke ist dabei, die einzelnen Interessen zusammenzuführen zu einem internationalen Konsens.

Diejenigen, die wegen persönlicher Ambitionen und Eigeninteressen am Besitz von Top Level Domains bisher gegengerudert haben, können sich dann gar nicht mehr gegen den breitangelegten Konsens stemmen ohne sich als Minderheit oder sogar als Dummköpfe zu erweisen. Falls sie starke Argumente vorweisen, ist das akzeptabel und wünschenswert. Falls sie am allgemeinen Tenor vorbeigehen, bleiben sie in der Minderheit. Ich bin daher sehr optimistisch, daß wir den ganzen Schlammassel nun bald hinter uns haben und mit der Umsetzung der Pläne beginnen können.

Wer wird im Vorstand der neuen IANA sitzen?

Don Heath: Ich weiß es nicht, weil der Prozeß, in dem wir uns gerade befinden, eine von unten nach oben laufende Graßwurzelbewegung ist - und eigentlich helfen könnte, eine derartige Bewegung zu definieren. Das schließt auch die Besetzung des Vorstands ein. Einige Punkte sollte man sich aber vor Augen führen. Ich sehe zwei Möglichkeiten für die Auswahl des Boards der neuen IANA, die mit allen zentralen Fragen der operativen Verwaltung des Netzes betraut sein wird: Zum einen könnte man den Vorstand besetzen mit Repräsentanten der unterschiedlichen Interessensgruppen, nicht nur der geographischen. Zum anderen könnte man ein Board schaffen, das sich aus Personen zusammensetzt, die für ihre Integrität, für ihr Auftreten bekannt sind, dafür, daß die Mehrheit ihre Urteilsfähigkeit respektiert. Das scheint mir auch der akzeptablere Weg zu sein.

Hat man sich auf den Vorstand geeinigt, beginnt die Suche nach Komitees für die unterschiedlichen Bereiche. Da kann ich mir eine Kombination von Repräsentation und Reputation vorstellen. Die Schlüsselfrage ist aber, für was und in welcher Weise diese Organisation verantwortlich sein soll. Alle sagen ja, daß sie transparent angelegt sein soll, offen und öffentlich, und daß sie keinen Gewinn erwirtschaften soll. Die ISOC selbst ist eine Non-Profit-Organisation, sie ist offen, transparent, demokratisch und wandelbar, sie besteht aus einzelnen, autonomen Einrichtungen, die selbst sehr demokratisch aufgebaut sind. Die neue IANA würde sich also bestens in diese Struktur einfügen. Unsere Mitgliedschaft ist durch und durch international, und das wollen wir ja mit der neuen IANA erreichen. Vielleicht existiert sie also schon, wenn sie als solche von der Industrie und der Regierung anerkannt würde. Vielleicht müssen wir das Rad nicht neu erfinden.

Wer wird die letzte Entscheidung über die neue IANA fällen? Der ganze Prozeß ist für den normalen Netizen oft etwas undurchsichtig ...

Don Heath: Ja, in gewisser Weise mystisch. Die IETF wendet die basisdemokratische, von unten nach oben sich entwickelnde Methode an, um sich auf Standards zu einigen. Der Rest der Welt ahmt diesen Entscheidungsprozeß nun nach. Und wenn er wirklich funktioniert, wird eben keiner die Entscheidung treffen, sondern viele werden zusammenkommen und übereinstimmen in dem was sie debattiert haben und es als gangbaren Weg beschließen. Ist der "rauhe Konsens" dann erreicht, ist alles ganz einfach und jeder kann sich danach richten. Auch wenn also keiner die Entscheidung trifft, wird trotzdem die ganze Welt daran beteiligt sein.

Andere "graue Eminenzen" der ISOC wie Vint Cerf oder Brian Carpenter vertreten die Ansicht, daß sich das IETF-Modell nicht für alle Fragen der Internetregulierung eignen könnte.

Don Heath: Bis jetzt funktioniert es, doch der momentane Prozeß wird einen wichtigen Test für das Modell darstellen. Andererseits wüßte ich gar keine andere Methode. Da bliebe ja nur noch das Top-Down-Diktat, das wahrscheinlich die Positionen nur weiter auseinandertreiben würde, und das wär's dann auch schon. Aber letztlich hat man natürlich immer eine Kombination der beiden Wege. Jon Postel, der Leiter der IANA, hat beispielsweise einen Entwurf von Satzungsregeln (http://www.iana.org/bylaws.html) ausgearbeitet, und darüber diskutieren die Leute natürlich. Es gibt also einige Schilder am Wegrand.

Sie sind nach wie vor ein großer Verfechter des Konzepts der Selbstregulierung?

Don Heath: Ich glaube fest daran, daß das Internet, wenn es sein volles Potential erreichen soll, auf die Selbstregulierung angewiesen ist. Andernfalls würde jemand seine Macht oder seine Muskeln mißbrauchen. In einzelnen Bereichen kann es auch funktionieren, daß eine bekannte Größe Entscheidungsvorschläge liefert, und sich niemand darüber beschwert. Aber der bessere Weg ist es sicher, wenn man Machteinheiten findet - und das können manchmal auch Regierungen sein -, die zu einer gemeinsamen Vereinbarung kommen. Falls kleinere Institutionen damit aber nicht einverstanden sind, haben sie jedes Recht, dagegen zu protestieren. Selbstregulierung ist meiner Meinung nach ein weites Feld.