"In Deutschland wird auf Repression gesetzt"

Seite 4: "Die Vernichtung von Rotlicht-Milieus wäre ein Rückschritt"

Vielleicht gibt es in Zukunft ja gar keine Rotlicht-Milieus mehr in Europa? In Zürich, Wien und in ganz Frankreich gab es bereits massive polizeiliche Repressionen, im traditionell sehr prüde-protestantischen Schweden gelten körpernahe Dienstleistungen durch Sexarbeiter:innen gar juristisch als Verbrechen und werden humorlos und drastisch verfolgt … Im katholischen Süd- und orthodoxen und multikulturellen Osteuropa ist man in diesen Dingen ja mentalitätsbedingt liberaler.

Calea Toxic: Das kann ich mir nicht vorstellen. Rotlichtviertel wie zum Beispiel in Amsterdam oder St. Pauli waren immer auch kulturelle Inspirationen, Brutkästen verschiedener Kunstrichtungen und touristische Anziehungspunkte. Die Vernichtung von Rotlicht-Milieus wäre ein Rückschritt, weil wir in einer modernen und sich weiter entwickelnden Gesellschaft leben. Seit Jahren wird für die Gleichstellung von Mann und Frau gekämpft, ebenso seit Jahren für die Rechte von Schwulen und Lesben.

Würde man Rotlichtviertel ganz verbieten, hat es für mich einen ähnlichen Beigeschmack, als verbiete man plötzlich Homosexualität. Ich kann mir aber schon vorstellen, dass sich die Rotlicht-Milieus wandeln, in dem Laufhäuser beispielsweise mehr schicken Trendbars, Restaurants etc. weichen, während sich sexuelle Begegnungsmöglichkeiten dezentraler in kleine, diskrete Locations verlagern.

Bist Du Feministin?

Calea Toxic: Ich finde, dass der Begriff Feministin heutzutage wenig Aussagekraft hat, da er ein Sammelsurium unterschiedlicher und sich teilweise widersprechender Thesen ist. Viele Dinge, die Feministinnen kritisieren, etwa, dass die Macht überwiegend bei Männern liegt, kann ich für mich persönlich nicht nachvollziehen. Mit Macho-Männern kann ich genauso wenig anfangen wie mit Frauen, deren Emanzipation sich darauf beschränkt, sich möglichst unweiblich zu zeigen. Ich weiß, wie ich als Frau Macht bekomme und setze die Waffen einer Frau auch gerne ein.

Nirgendwo mehr Ausbeutung als in der Baubranche

Was hältst Du von Vorschlägen, Prostitution, SM-Studios, Escorts nach dem schwedischen Modell ganz zu verbieten?

Calea Toxic: Wer wie ich seit Jahren versucht, Themen wie Fetisch und BDSM aus der Schmuddelecke zu holen, kann diesen Vorschlag nur absurd finden. Nur weil man etwas verbietet, ist ein Problem ja nicht verschwunden oder gelöst. Schauen wir uns beispielsweise die Baubranche an. Nirgendwo gibt es mehr Ausbeutung, Steuervergehen und Menschenhandel. Doch wird die Baubranche deswegen verboten? Auf diese Idee käme niemand!

Oder zum Thema Betäubungsmittel: Auch wenn Drogenbesitz und -handel in Deutschland verboten sind, so gibt es noch immer unzählige Drogensüchtige und eine nicht geringe Betäubungsmittelkriminalität. Wer allen Ernstes glaubt, mit einem Verbot der Prostitution sei diese beseitigt, lebt realitätsfern.

Sicherlich passieren Straftaten im Bereich der Sexarbeit, aber diejenigen, die sich auch heute schon strafbar machen, für die stellen Verbote keine Abschreckung dar, ob Prostitution nun erlaubt ist oder nicht und die, die nicht kriminell sind, würden unnötig kriminalisiert. Mit Verboten zu reagieren, weil es an geeigneten Präventionskonzepten fehlt und an Personal mangelt, ist für mich ein falscher Weg. Es gibt Sexarbeit, die ganz klar nach außen sichtbar ist, die, die in Bordellen, auf dem Straßenstrich oder sonstigen geeigneten Lokalitäten stattfindet. Genauso gibt es aber auch viele fließende Übergänge ...

"Die Realität ist ein Mischbrot", um es mit Rainald Grebe zu sagen ...

Calea Toxic: Und was ist etwa mit dem Liebhaber, der seine Geliebte großzügig beschenkt, um sie "bei Laune" zu halten oder was ist mit dem Sugardaddy, der einer Studentin ihr Studium finanziert und dafür im Tauschgeschäft "gewisse Gefälligkeiten" bekommt? Sollen diese Personen dann kriminell sein?

Unter anderem in den Niederlanden und in Dänemark werden ja die Kosten für Bordell-Besuche von Schwerkranken und "Behinderten" von den Krankenkassen übernommen, dieser "Sex auf Rezept" (NZZ) durch zertifizierte Sexualassistentinnen wird auch von den deutschen Grünen befürwortet …

Calea Toxic: Auch ich habe zum Beispiel sowohl geistig als auch körperlich behinderte Gäste. Sollen diese ein Leben ohne Sexualität verbringen müssen?

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