Inflation: "Je länger man das Problem verschleppt, desto härter werden die Konsequenzen"

Seite 2: "Sehr tiefe Rezession einleiten"

Dass die Inflation in den USA sogar noch höher ist als im Euroraum, liegt nicht daran, dass sie real höher ist, sondern dass im Euroraum immer mehr Teile aus der Ermittlung der Teuerungsrate herausgenommen wurden, um die Inflation aufzuhübschen, wie auch Mayer kritisiert.

Die von den USA angegebene Inflationsrate ist nicht ehrlich, aber sie etwas ehrlicher als im Euroraum. Dass sie weiter steigt, ist bisher kein Anlass für die EZB, die Leitzinsen endlich anzuheben. Das wird aber letztlich sowieso unvermeidlich, die Landung wird nur immer härter.

Thomas Mayer vergleicht die Inflation mit einer Krankheit. "Das Problem ist, umso länger sie eine solche Situation verschleppen, umso härter sind am Schluss die Konsequenzen." Auf für ihn ist klar, dass das Problem verschleppt wurde. Man habe eine Lage, die die gefährliche Stagflation auf die Tagesordnung setzt, sich weiterentwickeln lassen.

Die Situation ähnele ziemlich der Situation in den 1970er-Jahren, als eine hohe Inflation mit einer Stagnation oder mit einer Rezession einherging, was für Ökonomen ein "toxisches Gebräu" ist, worauf Telepolis auch schon lange hingewiesen hatte.

Zwar ist die Stagflation noch nicht da, aber sie ist wohl inzwischen unvermeidbar. Hat eine solche Situation "wirklich Fahrt gewonnen", wie wir es derzeit erleben, dann bliebe keine andere Möglichkeit als "eine sehr tiefe Rezession" einzuleiten, meint Mayer.

Das habe die US-Notenbank schließlich, "mit vielen Jahren Verzögerung", Anfang der 1980er-Jahre gemacht. "Dann stiegen die Zinsen dort auf bis zu 20 Prozent und die Wirtschaft tauchte ab." Er geht, wie viele andere Experten davon aus, dass diese Stagflation kommt, da zu lange mit Gegenmaßnahmen gewartet wurde. "Sie wird hoffentlich nicht so stark wie in den 1970er-Jahren", hofft Mayer.

Die Aufgabe der EZB: Für Preisstabilität sorgen

"Die Notenbanken laufen der Inflation hinterher. Hat die FED zwar zögerlich mit Reaktionen begonnen, habe die EZB damit "nicht einmal angefangen", kritisiert er. Als die Inflation in den 1970er-Jahren so hoch wie jetzt war, habe die Bundesbank damals den Leitzins auf über zehn Prozent angehoben, steckt er den Rahmen für die zukünftige Entwicklung ab.

Es ist allerhöchste Zeit, dass die EZB diese kontraproduktive Geldpolitik, die gegen ihr Mandat verstößt, aufgibt.

Thomas Mayer

Er verweist darauf, dass die EZB als "alleiniges Mandat" hat, für Preisstabilität zu sorgen. Die EZB habe sich, allerdings selbst, unter EZB-Präsident Mario Draghi ein "Schattenmandat" geschaffen. Der ehemalige Chefvolkswirt der Deutschen Bank erinnert dabei an den berühmten Ausspruch von Draghi im Jahr 2012, man werde alles tun ("whatever it takes"), um den Euro zu retten.

Konjunkturpolitik durch Anleihenkauf

Draghi kündigte damals an, beklatscht von der Politik, auch unbegrenzt Anleihen zu kaufen, also auch unbegrenzt Geld zu drucken. In dem Augenblick, in dem sich wie jetzt das Angebot verknappt, sei es durch Probleme in den Lieferketten oder durch einen Krieg, kann sich das nur in Preissteigerungen – also in Inflation – niederschlagen. Dieses Mandat hat sich die EZB selbst verordnet, erklärt Mayer, es stehe nicht in den Verträgen.

Seit Draghi macht die EZB aus Frankfurt aber nicht nur Euro-Rettungspolitik, sondern vor allem auch Konjunkturpolitik, wofür sie auch keinen Auftrag hat. So wurde die EZB, weil der Kurs nach dem Abgang von Draghi nicht durchbrochen wurde unter "Madame Inflation", wie die Nachfolgerin Christine Lagarde inzwischen genannt wird, zur Inflations-Notenbank.

Wie Telepolis mehrfach kritisiert hat, ist es inzwischen nur noch unverantwortlich, wie die Lagarde-EZB handelt, die sich vollständig in eine Sackgasse manövriert hat. Sie ist, anders als die FED, über 14 Jahre nicht aus der Nullzinspolitik ausgestiegen und führt die Eurozone mit ihrer Realitätsverweigerung tief in die Stagflation.

Klar ist, dass mit steigenden Zinsen in anderen Währungsräumen wie den USA, vermehrt Kapital in Richtung dieser Währungsräume aus Europa abfließen wird. Der Euro kommt damit natürlich noch stärker unter Druck. Das bedeutet aber wieder, dass alle Waren, die auf dem Weltmarkt wie Energie in Dollar gehandelt werden, für uns sogar noch teurer werden, auch wenn die Preise für ein Barrel Öl oder für einen Kubikmeter Gas nicht steigen.

Lohnerhöhungen

Das treibt die Inflation genauso an, wie natürlich auch immer höhere Lohnforderungen für Zweitrundeneffekte und eine weiter steigende Inflation sorgen. Zum Teil können Beschäftigte sogar schon Lohnerhöhungen um 20 Prozent durchsetzen.

Schon fast lustig ist es, wenn es nicht tragikomisch wäre, dass zum Beispiel das ZDF einfache Milchmädchenrechnungen aufmacht. Man kommt zum Beispiel zum Ergebnis, dass ein "stärkerer Dollar und schwächerer Euro der Exportnation Deutschland auf jeden Fall hilft, ihre Waren in die USA zu exportieren.".

Auch das ist Teil der EZB-Politik der letzten Jahre gewesen, die Exporte durch eine Schwächung des Euros zu erhöhen. Man nennt das auch Währungskrieg, in den die EZB schon unter Draghi zur Stärkung der Konjunktur tief eingestiegen ist.

Doch da nun die Energiepreise enorm gestiegen sind, die natürlich auf die Preise aufgeschlagen werden, wird dieser Effekt neutralisiert oder stellt sich bestenfalls nur noch zu einem kleinen Teil ein. Anders sähe das aus, hätte man die Energiewende wirklich vorangetrieben und wir könnten heute einen großen Teil über billige erneuerbare Energien decken.

Dazu kommt, dass wegen Problemen in den Lieferketten zum Teil gar nicht produziert und geliefert werden kann. Und was nicht produziert wird, kann auch nicht verkauft werden.