Inflationsbekämpfung: EZB auf dem Pulverfass

Seite 2: EZB: Geldpolitik, Inflationsbremsen und die Klimapolitik

Es ist absehbar, dass die in Deutschland und Europa betriebene Klimapolitik für weiter steigende Energiekosten sorgt und der Druck auf die Unternehmen hoch bleibt, sich bietende Möglichkeiten für Preisanhebungen zu nutzen, was erneute Inflationswellen auslösen kann.

Insbesondere die EZB, aber auch die anderen Zentralbanken der entwickelten Volkswirtschaften, stehen einem sich erneut aufbauenden Inflationsszenario weitgehend hilflos gegenüber, denn seit Anfang der 2010er-Jahre haben sie enorme Geldmengen in die Märkte gepumpt und damit nicht nur die geldpolitischen Inflationsbremsen lädiert (Hans-Werner Sinn).

Ihre hat auch dazu beigetragen, die realwirtschaftlichen Inflationsbremsen zu zerstören. Denn sie haben eine Zombiewirtschaft erschaffen, in der es den Unternehmen kaum noch gelingt, Kostensteigerungen mithilfe von Produktivitätsverbesserungen in ihren eigenen Wertschöpfungsprozessen auszugleichen.

Unternehmen in der Kostenfalle

Dadurch sind sie gezwungen, diese zu überwälzen, um eigene Verluste zu vermeiden. Die EZB sitzt nun auf einem Pulverfass, dessen Existenz sie ihrer eigenen Geldpolitik zuzuschreiben hat. Denn mit der von ihr seit Jahrzehnten verfolgten Geldpolitik hat sie – im völligen Einklang mit der wirtschaftspolitischen Orientierung – einseitig auf wirtschaftliche Stabilisierung und Krisenvermeidung gesetzt und so den wirtschaftlichen Wettbewerb gedämpft.

Unternehmenszusammenbrüche sind zur Ausnahme geworden, weil das wirtschaftliche Überleben der Unternehmen immer weniger von eigenen Anstrengungen zur Verbesserung ihrer Wettbewerbsfähigkeit abhängt.

Staatliche Eingriffe und Protektionismus: Das Dilemma der Wirtschaft

Vielmehr kommt es auf ihre Fähigkeit an, für sie selbst förderliche staatliche Eingriffe zu bewirken, etwa durch Niedrigzinsen, Subventionen, Protektionismus bis hin zu Staatsgarantien und -hilfen, die ihren Untergang notfalls mit Steuergeld verhindern.

Da auch die große Masse der profitablen Unternehmen in einem solchen wirtschaftspolitischen Umfeld die mit hohen Investitionen und großen Risiken verbundene Einführung produktivitätsverbessernder Technologien scheut, kann sie die stagnierenden Unternehmen nicht mehr verdrängen.

So können sich immer mehr wettbewerbsschwache Unternehmen dauerhaft über Wasser halten, und deren wirtschaftliches Gewicht wächst. Aus Angst vor dem immer größeren Ausmaß reihenweiser Zusammenbrüche gewähren die Staaten diesen Unternehmen einen umso größeren Schutz.

Arbeitsproduktivität im Fokus: Wege aus der Zombiewirtschaft

Diese wirtschaftspolitische Orientierung behindert den Wettbewerb, verhindert die zum Funktionieren einer Marktwirtschaft notwendigen Restrukturierungen, in denen weniger produktive Betriebe ausscheiden und sich neue Unternehmen sowie neue Technologien wettbewerblich durchsetzen können.

So ist wegen des seit Jahrzehnten in allen entwickelten Volkswirtschaften herrschenden wirtschaftspolitischen Gleichklangs eine Zombiewirtschaft entstanden, in der es auch der großen Masse der profitablen Unternehmen kaum noch gelingt, produktivitätssteigernde Innovationen einzuführen.

Arbeitsproduktivität im Niedergang: Eine historische Betrachtung

Noch in den 1950er- und 1960er-Jahren glänzte die deutsche Wirtschaft, wie auch die anderer europäischer Länder, mit jährlichen Arbeitsproduktivitätssteigerungen von bis 10 Prozent.

Nach einem stetigen Niedergang ist die Arbeitsproduktivität je Erwerbstätigenstunde seit der Finanzkrise 2008 nur noch um etwa 0,7 Prozent pro Jahr in Deutschland gestiegen, im EU-Schnitt sogar noch weniger.

So ergibt sich durch die Zerstörung der realwirtschaftlichen Inflationsbremse und wegen der gleichzeitig auf lange Sicht – infolge der auf Klimaneutralität ausgerichteten Politik –steigenden Energiekosten ein Cocktail, der die Inflation auf Dauer prägen wird.

Bei ausbleibenden Produktivitätsverbesserungen werden die Unternehmen auch weiterhin versuchen müssen, diese Kosten an die Verbraucher weiterzureichen.

Inflationstreibende Verteilungskämpfe: Wer trägt die Last steigender Energiekosten?

Immer wieder werden inflationstreibende Verteilungskämpfe zwischen allen Akteuren aufflammen, seien es Unternehmen, Erwerbstätige oder Transferleistungsempfänger, in denen darüber entschieden wird, wer die aus Energiekostensteigerungen resultierenden Wohlstandsverluste trägt.

Um diese Wohlstandverluste wie auch die daraus resultierenden gesellschaftlichen Verwerfungen, in denen es viele Verlierer geben wird, zu verhindern, müsste das Problem der stagnierenden Arbeitsproduktivität endlich ins Zentrum der Wirtschaftspolitik gerückt werden.

Mehr von Alexander Horn lesen Sie in seinem aktuellen Buch Die Zombiewirtschaft - Warum die Politik Innovation behindert und die Unternehmen in Deutschland zu Wohlstandsbremsen geworden sind" mit Beiträgen von Michael von Prollius und Phil Mullan.