Ist Deutschland zu kompliziert geworden?

Seite 2: Adhokratie als Alternative?

In Ländern, deren politische Kultur chinesisch geprägt ist, und das ist bei Weitem nicht nur die Volksrepublik China, ist die Rechtsverfassung deutlich weniger bürokratisch als im Westen.

So gibt es z.B. keine festen Strafenkataloge, sondern die Höhe der Strafe wird im Einzelfall und unter Berücksichtigung der sozialen Stellung der Tatbeteiligten entschieden.

Auch ist kein Gericht für die Strafzumessung notwendig, sondern das Strafmaß wird der ermittelnden Polizei überlassen. Dies ist mit deutlich weniger Bürokratie verbunden als der Gang durch die Instanzen bei uns.

Im Westen gab es vergleichbare Vorstellungen unter dem Begriff der Adhokratie. Der Begriff leitet sich vom lateinischen "ad hoc" ab, was "aus dem Augenblick heraus" bedeutet.

In den USA wurde diese Idee 1968 von dem Ökonomen Warren Gameliel Bennis in seinem gemeinsam mit Philip Slater veröffentlichten Buch "The Temporary Society" vorgestellt.

Er galt als wichtige Persönlichkeit auf dem Gebiet des Führungs- und Veränderungsmanagements. Er stellte sich vor, dass Unternehmen in Zukunft aus flexiblen, spontan agierenden Projektteams innerhalb einer Struktur bestehen. Diese Struktur nannte er "Adhokratie".

Der amerikanische Zukunftsforscher Alvin Toffler beschrieb 1970 in seinem Buch "The Future Shock" ("Der Zukunftsschock") Adhokratie als eine neue, informelle und dynamische Organisationsform, in der Unternehmen flachere Strukturen, schnellere Informationsflüsse und wandlungsfähige Projektteams benötigen, um zu überleben.

Das Konzept wurde Ende der 1970er-Jahre von dem kanadischen Wirtschaftswissenschaftler Henry Mintzberg weiterentwickelt. Mintzberg befasste sich mit Organisationsstrukturen.

In seinem 1979 erschienenen Buch "The Structuring of Organizations" beschrieb er vier Grundtypen von Organisationsstrukturen: die Maschinenbürokratie: die professionelle Bürokratie, die einfache Struktur und die Adhokratie, die sich hinsichtlich ihrer Abhängigkeit von der Arbeitsumwelt in einfach oder komplex und hinsichtlich ihrer Veränderungsgeschwindigkeit in stabil oder dynamisch unterteilen ließen.

Im Bereich staatlicher Organisationen konnten diese Vorstellungen hierzulande bislang nicht Fuß fassen.