KI-Revolution in der Wehrtechnik: Kommt Skynet?

Nicht freundlich: KI-betriebene Waffensysteme. Bild: BlackFarm, Shutterstock.com

Es wird schwieriger, Soldaten zu rekrutieren. Das könnte eine von Algorithmen getriebenen Revolution in der Kriegsführung begünstigen. Ein Gastbeitrag.

Bis auf wenige Ausnahmen wollen die meisten Soldaten nicht auf dem Schlachtfeld sterben.

Einige Kriegerkulturen wie die Nordmänner verehrten den Tod im Kampf als ehrenvolles Ende. Und es gibt Dschihadisten, die an himmlische Belohnungen für ihr Märtyrertum glauben.

In Wirklichkeit aber ist die Aussicht, erschossen oder in die Luft gesprengt zu werden, erschreckend und macht die Rekrutierung zu einer ständigen Herausforderung.

In einem kürzlich erschienenen BBC-Artikel wurde auf die zunehmenden Schwierigkeiten bei der Rekrutierung neuer Soldaten in der Ukraine hingewiesen. Nach zweieinhalb Jahren Krieg und mehr als 500.000 russischen und ukrainischen Opfern gibt es kaum noch Freiwillige.

Deshalb hat die Ukraine ein Gesetz erlassen, das alle Männer zwischen 25 und 60 Jahren verpflichtet, sich in einer elektronischen Datenbank registrieren zu lassen, um sich für den Wehrdienst zu qualifizieren. Die Rekrutierungsoffiziere suchen aktiv nach denjenigen, die sich der Registrierung entziehen, und treiben viele in den Untergrund.

In Odessa sind die gefürchteten Mobilisierungstrupps dafür bekannt, Menschen aus Bussen und von Bahnhöfen zu holen und direkt in die Rekrutierungszentren zu bringen. Diese widerwilligen Rekruten fürchten verständlicherweise, zu den nächsten Opfern der "Knochenmühle" an der Front zu Russland zu werden.

Im Laufe der Geschichte standen Herrscher und Politiker immer wieder vor der Herausforderung, einfache Bürger davon zu überzeugen, in den Krieg zu ziehen. Wie bringen sie ihr Volk dazu, zu den Waffen zu greifen und das Leben zu riskieren?

Wege zur Mobilisierung

Da die Gesellschaften immer besser ausgebildet und informiert sind, haben sich diese Taktiken weiterentwickelt. Die politischen Anführer Führer appellieren oft an einen extremen Nationalismus, entmenschlichen den Feind und schaffen eine Atmosphäre existenzieller Bedrohung; sie arbeiten mit Manipulation und offenen Lügen.

Frank Giustra. Bild: Province of British Columbia, CC BY-NC-ND 2.0

Man denke nur an Putins "Entnazifizierung" der Ukraine, Israels Behauptungen über enthauptete Babys und die US-Warnung vor Massenvernichtungswaffen. Ganz zu schweigen von der Ausrede, man müsse die Bürger durch einen Regimewechsel schützen, wie man in Libyen gesehen hat. Die Wahrheit kommt meist ans Licht. Aber oft erst lange, nachdem der Schaden angerichtet worden ist.

Bemerkenswerte Beispiele sind der Skandal um die Pentagon Papers im Jahr 1971, die Informationen über den Vorfall im Golf von Tonkin enthüllten. So wurde bekannt, dass die US-Regierung die Ereignisse, die zur Eskalation des Vietnamkriegs führten, falsch dargestellt hatte. Später folgten die unbegründeten Behauptungen über Massenvernichtungswaffen, die zur Invasion des Irak führten.

Die Bevölkerung zu überzeugen, ist eine Sache. Aber die Rekrutierung von Soldaten erfordert eine tiefergehende Indoktrination.

Um die Rekruten darauf zu trainieren, Befehle zu befolgen, ohne sie zu hinterfragen, werden sie durch wiederholte militärische Übungen gedrillt. Durch diese Übungen werden die Rekruten darauf konditioniert, Befehle sofort und ohne Zögern auszuführen.

Von einem Soldaten wird nicht erwartet, dass er über die Moral seines Handelns urteilt; er führt Befehle genau so aus, wie sie ihm gegeben werden. Wenn diese Indoktrination fehlschlägt, droht immer ein Kriegsgericht, Gefängnis oder sogar ein Erschießungskommando.

Wäre es nicht einfacher, die Zustimmung der Bevölkerung oder der Soldaten ganz zu unterdrücken, wenn man bedenkt, mit welchem Aufwand an Erzählungen, Panikmache, Lügen und Indoktrination die Bevölkerung für einen Krieg mobilisiert werden muss?

KI-Revolution in Waffentechnik

Die jüngsten technologischen Fortschritte könnten den Kriegstreibern eine Lösung bieten.

Künstliche Intelligenz (KI) wird die Waffentechnik revolutionieren wie keine andere Innovation in der Geschichte. Ein kürzlich veröffentlichter Bericht des Quincy Institute, dem ich zustimme, beleuchtet den Einstieg des Silicon Valley in die Rüstungsindustrie. Darin wird der ehemalige Google-Chef Eric Schmidt zitiert:

Von Zeit zu Zeit taucht eine neue Waffe auf, eine neue Technologie, die die Dinge verändert. Einstein schrieb in den 1930er Jahren einen Brief an Roosevelt, in dem er darauf hinwies, dass diese neue Technologie - Atomwaffen - den Krieg verändern könnte, und das hat sie eindeutig getan. Ich würde sagen, dass (KI-gestützte) Autonomie und dezentralisierte, verteilte Systeme genauso mächtig sind.

KI kann das, was Menschen nicht können: Millionen von Eingaben analysieren, Muster erkennen und Kommandeure in unvorstellbarer Geschwindigkeit alarmieren. Militärexperten gehen davon aus, dass die Seite gewinnt, die die "Kill Chain" – die Zeit zwischen der Identifizierung und der Zerstörung eines Ziels – am effektivsten verkürzt.

KI ist vielleicht die revolutionärste Technologie für die Kriegsführung, aber nicht die einzige. Kamikaze-Drohnen, die heute im Ukraine-Krieg eingesetzt werden, werden eines Tages die Schlachtfelder überfluten.

Zudem experimentieren die USA, Großbritannien, Israel und Russland mit vielen anderen Scifi-Technologien, etwa Direktenergiewaffen, darunter Hochleistungsmikrowellen, Partikelstrahlwaffen und Laser.

Auch die Nachahmung von "Terminatoren" ist nicht mehr fern. Man denke nur an die Fortschritte von Firmen wie Boston Dynamics. Deren menschenähnliche Roboter können laufen, springen und sich bewegen wie Menschen.

Die Vorstellung, sie mit Maschinengewehren oder Flammenwerfern auszustatten und einige hunderttausend Stück in Serie zu produzieren, ist beängstigend. (Boston Dynamics hat nach der Veröffentlichung dieses Artikels darauf gingewiesen, dass das Unternehmen die militärische Nutzung von Robotern nicht unterstützt).

Die Zukunft des Krieges wird auch die Kriegsführung der fünften Generation umfassen, die hauptsächlich durch nicht-kinetische militärische Aktionen wie Social Engineering, Desinformation und Cyber-Angriffe geführt wird.

Gepaart mit künstlicher Intelligenz und vollautonomen Systemen können diese Methoden ebenso schädlich sein wie die kinetische Kriegsführung. Man denke nur an den Film "Leave the World Behind", der den Zusammenbruch der Gesellschaft thematisiert, wenn alle Kommunikationsnetze durch einen Cyberangriff lahmgelegt werden.

Werden diese Waffen mit KI ausgestattet, entstehen autonome Systeme, die ohne menschliches Eingreifen Entscheidungen treffen können und die Entscheidung zu töten einem Algorithmus überlassen. Da wir noch nicht vollständig verstehen, wie KI lernt und zu Schlussfolgerungen kommt, sollten die Risiken katastrophaler Fehlfunktionen nicht unterschätzt werden.

KI hat keinen moralischen Kompass, sie will nur ihre Aufgabe erfüllen. Der Autor und KI-Experte Max Tegmark erklärt:

Eine Maschine muss nicht böswillig sein, sie muss nur in der Lage sein, ihre Ziele zu erreichen, um eine potenzielle Bedrohung darzustellen.

Wenn ihr dabei unschuldige Menschen in die Quere kommen, hat sie Pech gehabt.

Wie werden sich diese Fortschritte auf Kriegsentscheidungen auswirken? Es ist schwer vorherzusagen, aber eine Folge könnte sein, dass es weniger notwendig sein wird, Soldaten zu rekrutieren und der Öffentlichkeit die Teilnahme an einem Krieg zu "verkaufen".

In den USA ist es dem "militärisch-industriellen Komplex" bereits gelungen, den Kongress zu umgehen (was gegen die US-Verfassung verstößt), wenn es darum geht, in den Krieg zu ziehen, was dem Präsidenten enorme Macht verleiht.

Würden Soldaten zusammen mit Armbrüsten und Musketen ins Museum verbannt, wäre eine Kriegserklärung weit weniger umstritten – keine Leichensäcke in den Abendnachrichten – und damit leichter zu führen.

Die einzigen "Soldaten", die gebraucht werden, sind junge Menschen, die an Computerkonsolen sitzen und wie in Videospielen Leben und Eigentum zerstören. Keine 18-Jährigen mehr, die im Schlamm sterben. Den Preis zahlen nur noch unschuldige Zivilisten, die ins Kreuzfeuer dieser neuen Art der Kriegsführung geraten.

Nachdem die USA jahrzehntelang Kriege geführt haben, die Leben und Volkswirtschaften zerstört haben, ohne ihre erklärten Ziele zu erreichen, und die erheblich zur enormen Verschuldung des Landes beigetragen haben, ist die öffentliche Meinung – vor allem in der Generation Z – zunehmend kritischer und weniger kriegsfreundlich geworden.

Die Rapperin Cardi B sagte spöttisch über die jüngste Gesetzgebung zur Wehrpflicht:

Ich habe gerade einen Artikel gelesen, in dem stand, dass das Repräsentantenhaus gerade einen Gesetzesentwurf verabschiedet hat, der vorsieht, dass Männer zwischen 18 und 26 automatisch für den Krieg registriert werden. Dazu kann ich nur sagen: Amerika, viel Glück damit. Diese neuen kleinen N--- sind TikTokker, Baby. Diese Arschlöcher werden keinen Krieg führen. Ihr könnt genauso gut weiter Geld investieren und Waffen kaufen. Das ist ein neues Amerika, Baby.

Die Einführung von Technologien, die Soldaten überflüssig machen könnten, könnte den Kriegstreibern, die den Entscheidungsprozess auf höchster Ebene manipulieren, den Weg für weitere sinnlose Kriege ebnen. Das wäre eine Tragödie.

Frank Giustra ist Co-Vorsitzender der International Crisis Group und CEO der Fiore Group. Er ist außerdem Gründer von Lionsgate Entertainment und der Giustra Foundation.

Dieser Artikel erschien zuvor auf Englisch bei unserem Partnerportal Responsible Statecraft und wurde von dort aus dem. Toronto Star übernommen.