Klimaschutz: vom Ladenhüter zum Bestseller

Seite 2: Die Welt kann es sich leisten, die Welt zu retten

Warum aber bekommt die Erkenntnis des bereits laufenden und tunlichst aufzuhaltenden Klimawandels erst jetzt eine so große, breite Aufmerksamkeit? Gab es da nicht bereits 1972 den Bericht des "Club of Rome" über die Grenzen des Wachstums und die darin enthaltene Mahnung, die natürlichen Ressourcen für die kapitalistische Produktion nicht zu erschöpfen?

Und 2006, eine unüberschaubare Vielzahl von Klima-Studien später, den Stern-Report des britischen Ökonomen Nicholas Stern: Er rechnete die Kosten des nötigen Klimaschutzes gegen die Kosten, die durch die Schäden bei ungebremstem Klimawandel entstünden. Und siehe da: Die Welt kann es sich leisten, die Welt zu retten!

Das ist nicht absurd, sondern kommt dabei raus, wenn sich ein Wirtschaftswissenschaftler austobt, für den Geld einfach alles ist - sogar mehr als die Welt. Etwa ein Prozent des globalen Bruttoinlandsprodukts würde der Schutz kosten, errechnete Stern, bei zu erwartenden wirtschaftlichen Schäden in Höhe von fünf bis 20 Prozent.

Das Problem bei all diesen Studien und Berechnungen: Sie gehen angesichts der globalen Wirkungen der Klimaänderungen umstandslos davon aus, dass auch ein gleichermaßen globales und damit gemeinsames Interesse besteht, also aller Staaten, dagegen etwas zu unternehmen. Dass dem nicht so ist, kann man bei den Weltklima-Konferenzen studieren. Was zunächst paradox erscheint.

Schließlich haben sich die Vertreter beinahe aller Regierungen dieser Welt seit dem "Umweltgipfel" von Rio de Janeiro 1992 jedes Jahr zur Beratung über mehr Klimaschutz getroffen. Also wird es ja irgendein gemeinsames Interesse geben; zum Spaß treiben die Staaten so etwas sicher nicht.

Weltklimakonferenzen: Gipfel der Konkurrenz um Autarkie, Profit und Überleben

Eher im Gegenteil - auf den Konferenzen wird regelmäßig um zu erzielende Reduktionen von Treibhausgasen erbittert gestritten. Es geht um die notwendigen Umbauten von Energieversorgung und Verkehrsinfrastruktur. Wer kann das überhaupt realisieren, wer hat das Geld dafür? Und wer das kann, profitiert zusätzlich vom Export seiner klimaschonenden Technik.

Noch dazu befreit der Abschied von Kohle und Öl diese Staaten: Sie müssen nicht mehr diese Stoffe einkaufen, produzieren Strom und Wärme in Zukunft mit erneuerbaren Energien weitestgehend selbst, werden so autark. Darin liegt der große Charme der "Energiewende" - unabhängig werden von Importen aus anderen Ländern, kein banger Blick mehr auf die Entwicklung der Ölpreise, keine notgedrungenen Rücksichtnahmen auf ansonsten zu bekämpfende (Russland) oder weniger interessante (Saudi-Arabien) Staaten.

Autark werden in der Energieversorgung emanzipiert Nationen in der "zweiten Reihe" wie Deutschland und aufstrebende Länder wie China von der Energie-Übermacht USA. Die Weltmacht Nr. 1 beherrscht schließlich den Öl-Markt. Und wenn der bald nicht mehr so wichtig ist ...

Die alleinige Hoheit über das ökonomische Lebenselixier zu besitzen, die Energie, verringert dramatisch Abhängigkeiten, vergrößert damit die Macht gegenüber den Nationen, die dazu nicht in der Lage sind. Die Kosten des Umbaus sind zwar immens.

Aber wie das Beispiel Deutschland zeigt: Es rechnet sich auf lange Sicht. Nach teuren 20 Jahren der Subvention von Strom aus Sonne, Wind und Biomasse produzieren die Erneuerbaren nun oft günstiger Energie als die konventionellen Kollegen aus dem Kohle- und Gas-Lager. Und übrigens auch, Ironie der deutschen Energiepolitik, zu niedrigeren Preisen als die Atomkraft - dem einstigen Hoffnungsträger für billigen Strom und vom Weltmarkt unabhängige Energieversorgung.

Ölförderländer fürchten daher sehr zu Recht um den Verlust ihrer Haupt-Einnahmequelle. Ökonomisch schwächeren Nationen fehlen die Mittel zum Schutz vor den Klimafolgen. Sie fordern daher finanzielle Unterstützung der reichen Nationen. Inselstaaten drohen bei steigendem Meeresspiegel zu versinken.

Und ganz generell treffen Staaten aufeinander, die im Weltmarkt in Konkurrenz zueinander agieren. Da achtet jeder sehr darauf, gegenüber den anderen nicht schlechter abzuschneiden. Wie soll da ein gemeinsames Handeln für Klimaschutz entstehen?

Die erforderlichen Umbauten in den Bereichen Energie und Verkehr sowie Schutzmaßnahmen gegen die Folgen des Klimawandels kosten eine Menge und erfordern Hochtechnologie. Über beides verfügen jedoch nur einige wenige Staaten. Diese - ganz vorn USA, Europäische Union (EU) und China - verbuchen den größten Erfolg im globalen Geschäft. Sie verdienen ihren Reichtum mit der Ausbeutung von Mensch und Natur, im eigenen Land und im Rest der Welt.

Entsprechend zeichnen sie für den größten Umweltverbrauch verantwortlich. Erze, Öl, Gas, Kohle aus den Erdtiefen, industrielle Landwirtschaft, Stahl, Beton, Transport und Verkehr, Strom und Heizung, die Liste ist beinahe endlos - die gesamte Wirtschaft kapitalistisch erfolgreicher Nationen bedient sich der Natur. Und dabei stößt die Produktion die meisten Treibhausgase weltweit aus, zerstört ganze Landstriche, raubt Pflanzen und Tieren Lebensraum, vergiftet sie und mit ihnen auch die Menschheit.

Den natürlichen Grundlagen ihres Geschäfts gegenüber agieren Unternehmen nun einmal so rücksichtslos, wie sie rücksichtsvoll handeln gegenüber ihrem Profit. Anders ausgedrückt: Alles, was ihrem Gewinn schadet, gehört beseitigt. Auflagen zu mehr Umweltschutz sind deshalb bei Unternehmen grundsätzlich unbeliebt.

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