Kosmischer Airbag

Die Angst vor einem verheerenden Meteoriteneinschlag auf der Erde führte schon zu einer Menge bizarrer Ideen, die neueste ist ein gigantisches Weltraum-Kissen

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Ein Asteroid oder Komet auf Kollisionskurs mit der Erde ist ein Horrorszenario, das seit vielen Jahren nicht nur die Fantasie der Schriftsteller und Filmemacher (Vgl. Herausforderung Weltraum), sondern auch die der Wissenschaftler heiß laufen lässt. Unumstritten könnte ein Meteorit ausreichender Größe den jüngsten Tag des Lebens wie wir es kennen einläuten, Flutwellen von mehreren hundert Metern Höhe könnten auf die Meeresufer branden, Erdbeben und Brände große Gebiete verwüsten.

Erdnaher Asteroid Toutatis, Bild: JPL/NASA

In jedem Fall würde sich das Erdklima verändern, der aufgewirbelte Staub würde über Monate die Tage verdunkeln, Missernten und Hungersnöte wären die Folge. Ein apokalyptisches Szenario, es macht also sehr viel Sinn über geeignete Gegenmaßnahmen, bzw. planetare Verteidigungssysteme nachzudenken. Am besten wäre das sich der Erde nähernde Objekt von seinem Kurs abzubringen oder es in ausreichendem Abstand zu unserer Welt zu zerstören.

Die European Space Agency (ESA) arbeitet zurzeit an einem Projekt mit dem Namen Don Quijote. Eine Sonde soll gezielt auf einem Asteroiden einschlagen, um zu messen, wie und in welchem Umfang ihn das aus seiner Bahn wirft, während eine zweite Sonde nahebei alles genau beobachtet. Die Ergebnisse sollen dazu dienen, zu errechnen, mit welcher Kraft künftige Sonden zuschlagen müssten (Vgl. Sancho beobachtet Hidalgo).

Es gab aber auch schon ausgefallenere Vorschläge, z.B. die Oberfläche eines gefährlichen erdnahen Objekts mit Farbe zu bemalen, damit das Licht der Sonne reflektiert und durch den leichten Druck der Sonnenstrahlung die Flugbahn verändert würde. Oder mithilfe eines Sonnensegels die Sonnenwinde zu nutzen, um das himmlische Fallobst an der Erde vorbei zu lenken. Auch der Einsatz gigantischer Spiegel im All zur Verdampfung des Gesteins wurde schon diskutiert.

Die bisher meist zitierte Abwehrstrategie ist der Einsatz von nuklearen Sprengkörpern, die einen Asteroiden in ungefährliche Kleinteile zerlegen soll. Dagegen spricht, dass es bisher nicht sicher ist, Atombomben ins All zu schießen, sie könnten uns bei einem Fehlstart versehentlich auf den Kopf fallen.

Darüber hinaus berichtet das Wissenschaftsmagazin Newscientist über Computersimulationen des Planetenforschers Erik Asphaug von der University of California, die zeigen, dass nukleare Explosionen wirkungslos verpuffen könnten. Viele Asteroiden sind keine wirklich festen Körper, sondern eher Kosmische Bohnensäcke, denn sie bestehen im Grunde aus vielen einzelnen Gesteinsbrocken, die verdichtet zusammenhalten. Und eine ausreichende Menge von Weltraumgeröll könnte als Schauer auf unseren blauen Planeten ähnlich verhängnisvolle Konsequenzen haben wie ein großes Geschoss.

Der Mathematiker Hermann Burchard von der Oklahoma State University hat nun die Idee, ein gigantisches Kissen sozusagen als Airbag zu benutzen. Ein Raumschiff müsste sich dem Asteroiden nähern und durch chemische Reaktionen ein mit Gas gefülltes Kissen von einigen Kilometern Durchmesser aufblasen. Der Airbag würde dann gegen den potenziellen Meteoriten drücken und so seine Flugbahn verändern. Burchard geht davon aus, dass das Verfahren bei Asteroiden oder Kometen bis zu 10 Kilometern Durchmessern wirkungsvoll wäre. Als Material käme Plastik in Frage, da es strapazierfähig genug ist. Burchard meinte gegenüber dem Newscientist: Es scheint eine sichere, einfache und realistische Idee zu sein.

Asphaug ist nicht überzeugt, dass der Airbag die einfachste Lösung darstellt. Er hat einen noch simpleren Vorschlag:

Man kann sich nicht auf eine nukleare Explosion verlassen, weil die Konsequenzen nicht vorhersagbar sind. Asteroiden und Kometen sind nicht so zerbrechlich, dass man sie überhaupt nicht berühren darf - sie werden die ganze Zeit von kosmischen Geschossen getroffen und fallen deswegen nicht gleich auseinander. Man müsste nur einen graduellen Schub über einen ausreichenden Zeitraum anbringen. Das geht einfacher, ohne ihnen Plastikkissen in den Weg zu stellen.

Seiner Vorstellung nach könnte man an den Himmelskörpern direkt einen Raketenantrieb anbringen, der sie ganz langsam und im Ganzen umlenken würde.

Die ersten Reaktionen der Wissenschaftswelt sind gemischt. Während die einen den kosmischen Airbag für reine Science Fiction eines Mathematikergehirns halten, erklärte Dave Williams vom National Space Science Data Center dem Nachrichtensender CNN):

Die Grundidee macht durchaus Sinn. Wenn ein Asteroid oder Komet früh genügt entdeckt wird, würde ein kleiner Stoß in die richtige Richtung seinen Kurs genügend verändern, um bis zu der Zeit, wo er in die Nähe der Erde kommt, dafür zu sorgen, dass er ohne Kollision vorbei fliegt. Der Airbag ist keine verrückte Idee. Er ist definitiv plausibel, wenn auch technisch heikel.

Williams hält den Vorschlag von Asphaug aber für ebenso realistisch.

Deutlich ist, dass die Zeit bei beiden Techniken eine entscheidende Rolle spielt. In jedem Fall wäre es nötig, sehr früh vom Kollisionskurs des Meteoriten zu wissen, um ihn zeitlich und räumlich weit entfernt abzufangen und aus der Bahn zu schubsen.