Krieg gegen die Ukraine: Angriffe auf zivile Ziele, Internationalisierung und Zensur
Der Krieg Russlands gegen die Ukraine eskaliert in dreifacher Hinsicht: Mehr Beschuss ziviler Einrichtungen, eine stärkere Internationalisierung und aktiver Zensur
In den letzten Kriegstagen nahmen gegenüber dem unmittelbaren Beginn der russischen Angriffe ukrainische Meldungen über von Russlands Truppen beschossene Zivilisten zu. Hintergrund ist, dass das russische Militär nun beginnen, aktiv mehrere größere Städte zu erobern, wie die zweitgrößte ukrainische Stadt Charkiw (Russisch: Charkow) oder im Donbass Mariupol, bisher ein wichtiger Stützpunkt der Regierungstruppen.
Sowohl ein offensiveres Vorgehen als auch ein Vorrücken in urbane Zentren bringt eine wachsende Zahl ziviler Opfer mit sich, eine Kombination aus beidem erst recht. So ist trotz schlecht überprüfbarer Einzelmeldungen leider real von mehr zivilen Opfern in der Ukraine auszugehen. Auch neue Flüchtlingswellen in Richtung Westen werden gemeldet. Nach einem kurzen Stocken der Offensivbewegungen während erster Verhandlungen, das von beiden Seiten verschieden erklärt wird, ging die russische Offensive verstärkt weiter.
Die Ukrainische Nachrichtenagentur Unian meldet einen Angriff auf ein Militärkrankenhaus in Charkiw. Die OSZE-Beobachter in der Ukraine haben die Stadt inzwischen verlassen. Zwischen Charkiw und Kiew liegt die Kleinstadt Trostjanez, die ebenfalls vom örtlichen Verwaltungsleiter bestätigt von russischen Truppen besetzt wurde. In der Südukrainischen Großstadt Cherson nahe der Krim besetzten russische Truppen - vom dortigen Bürgermeister bestätigt - einen Binnenhafen und einen Bahnhof.
Ziel sind oft Behördengebäude
Aufnahmen von russischer Seite zerstörter Gebäude zeigen immer wieder Einrichtungen ukrainischer Sicherheitsbehörden, so dass hier gezielten Angriffe auf diese Einrichtungen anzunehmen sind. Darauf deutet auch eine offizielle Aufforderung des russischen Verteidigungsministeriums hin, die die Bewohner bestimmter Straßenzüge in Kiew rund um solche Einrichtungen zum Verlassen des Stadtquartiers auffordert.
Insgesamt haben die russischen Truppen im Wesentlichen drei Gebiete erobert: Einen Streifen an der russischen Grenze im Nordosten, den überwiegenden Teil des Donbass von der Krim kommend die Küsten des Asowschen Meeres, die die Verbindung zwischen der Halbinsel und dem Donbass darstellt.
Internationalisierung durch Waffenlieferungen und kämpfende Ausländer
Auch die Internationalisierung des Konfliktes schreitet vor allem durch immer mehr beschlossene Waffenlieferungen an die Ukrainer und den Aufruf des Präsidenten Wolodymyr Selenskyj an Ausländer, den bewaffneten Kampf zu unterstützen voran. Dabei hofft man, die von den Russen eroberte Luftüberlegenheit über dem Nachbarland durch die Lieferung von etwa 70 Kampfjets zu durchbrechen.
Ob sie dieses Ziel erreichen, ist laut der Moskauer Nesawisimaja Gaseta fraglich, da nach dortigen Gesprächen mit Militärexperten die zu liefernden MiG-Kampfjets aktuell eingemottet sind und zum wieder flott machen viel Zeit benötigt wird. Das russische Außenministerium hat unbestimmt Maßnahmen gegen Waffenlieferanten im Westen angekündigt.
Der Aufruf an Ausländer, im Krieg um die Ukraine mitzukämpfen, hat ebenfalls bereits Folgen. Die Nesawisimaja Gaseta berichtet von 200 Kroaten auf ukrainischer Seite beim Kampf um Mariupol, aus Letten sollen schon an den Kämpfen beteiligt sein, nachdem das lettische Parlament seinen Staatsbürgern die Erlaubnis zum Eintritt in das ukrainische Militär erlaubte.
Mit weiteren Verhandlungen zwischen Russland und der Ukraine ist aktuell nicht zu rechnen, da Selenskyj solche gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters von einem Ende des russischen Beschusses abhängig machte.
Bei der Beurteilung der militärischen Lage ist nicht nur zu beachten, dass Informationen der Kampfparteien nicht unabhängig überprüft werden können. Es ist auch zu berücksichtigen, dass beide Seiten die militärische Lage vor allem zu ihren eigenen Gunsten eingefärbt schildern und dass deutsche Medien sich fast nur auf ukrainische Quellen beziehen.
Informationsbeschaffung aus Russland wird schwieriger
Bei den russischen-regierungsnahen Medien ist das umgekehrt ebenso der Fall, die oppositionellen Medien versuchen davon abzuweichen und beide Seiten zu berücksichtigen. Sie geraten dabei jedoch unter einen immer stärkeren Beschuss der staatlichen Zensur, wie jetzt die Sperre des Radiosenders Echo Moskwy und des liberalen TV-Senders Doschd zeigen. Denn Sprachregelungen und welche Quellen als "verlässlich" gelten, entscheiden in Russland nun nicht mehr Journalisten, sondern staatliche Behörden.
Das ist besonders fatal, da gerade diese liberaleren Medien wegen ihres Versuchs einer Ausgewogenheit die besten Informationsquellen über Vorgänge vor Ort wie in Russland darstellen. Auch die russischsprachige Wikipedia, bei der Darstellung der Konflikte des eigenen Landes mit dem Westen ausgewogener als ihr deutsches Pendant, hat nun eine Sperrandrohung der staatlichen Netzaufsicht erhalten, berichtet die Zeitung Kommersant.
Ein zusätzliches Problem bei der Informationsbeschaffung aus Russland sind die vom Hackerkollektiv Anonymous organisierten Attacken auf russische Medien-Webseiten. Neben Regierungsseiten stehen auch Medien unter Beschuss, die sich angesichts des Drucks von allen Zeiten bemühen, ausgewogene Informationen zu liefern, wie das russische Medienportal RBK, das an diesem Mittwochmorgen zuletzt nicht erreichbar war.