LNG-Protest auf Rügen: Warum jetzt auch ein Fischer gegen Habecks Pläne klagt

Seit mehreren Monaten wird auf Rügen gegen die LNG-Pläne protestiert. Foto: Fridays for Future Germany via X

Energie und Klima – kompakt: Bauarbeiten bedrohen Heringspopulation. Dabei ist sie schon durch den Klimawandel beeinträchtigt. Der Kläger sieht weitere Gefahren.

Auf Rügen begann das neue Jahr mit Protesten gegen die dort bei Sassnitz geplante Anlage zur Anlandung von Flüssiggas (LNG – Liquefied Natural Gas). Die Ortsgruppe der Jugend-Klimabewegung Fridays for Future protestierte auf der Seebrücke im nahegelegenen Ostseebad Binz gegen die geplante Verlängerung der Bauarbeiten in die nächsten Monate hinein, die die örtliche Laichsaison des Herings bedroht.

Im Hafen Mukran zwischen Sassnitz und Binz entsteht derzeit eine Station, an der demnächst Spezialtanker verflüssigtes Erdgas anlanden sollen, das dann über eine Pipeline ans Festland gepumpt werden wird. Dort, in Lubmin, gibt es einen Anschluss ans deutsche Gasnetz. Auch die inzwischen sabotierten Ostseepipelines nach Russland enden dort.

Eines der Probleme an diesen LNG-Plänen des Bundeswirtschaftsministeriums unter Robert Habeck (Grüne) ist, dass die vorgesehene Pipeline am Boden des Greifswalder Bodden verlegt werden soll. Dieses flache Küstengewässer zwischen Rügen und dem Festland ist eine Kinderstube des Ostseeherings, der dort im Winter ablaicht. Sein Nachwuchs verbringt dort die ersten Lebensmonate.

Heringsfischerei vorübergehend eingestellt

Allerdings sind die Bedingungen im Bodden ohnehin bereits extrem aus dem Lot geraten. So sehr, dass vor Rügen die Fischerei auf den traditionsreichen Speisefisch, der einst den Reichtum der Hanse begründete, vorübergehend eingestellt werden musste.

Wie wir im vergangenen Juli berichteten, macht dem Hering auch der Klimawandel zu schaffen. Die Erwärmung der küstennahen Gewässer führt dazu, dass ein erheblicher Teil der Heringslarven inzwischen zu früh schlüpft und daher verhungert.

Das gewöhnlich als Larven-Nahrung dienende Plankton richtet nämlich, anders als der Hering, sein Wachstum nicht nach der Wassertemperatur, sondern nach der Tageslänge. Aus Sicht des Herings verspätet es sich also.

Am Thünen-Institut für Ostseefischerei geht man bisher davon aus, dass der Bestand sich mit einem Fangmoratorium wieder erholen und künftig auf etwas niedrigerem Niveau als bisher nachhaltig befischt werden kann.

Zusätzliche Störung durch neue Pipeline

Doch nun sollen die Umweltbedingungen zusätzlich durch die neue Pipeline gestört werden. Erschwerend kommt hinzu, dass die zuständige Landesbehörde, das Bergamt in Stralsund, plant auch im Januar und Februar Bauarbeiten zu genehmigen.

Wie der Sender ntv berichtet, melden das Umweltministerium in Schwerin, das erwähnte Thünen-Institut, das Landesamtes für Landwirtschaft, Lebensmittelsicherheit und Fischerei sowie des Biosphärenreservatsamtes Südost-Rügen schwere Bedenken an.

Auch verschiedene Bundestagsabgeordnete weisen auf die Probleme hin, die für den Hering entstehen könnten. Das Bergamt ist hingegen der Meinung, dass der Pipelinebauer Gascade seine Arbeiten fortsetzen könne, sofern das Wasser kälter als vier Grad sei. Diese Temperatur gilt als die Mindestwassertemperatur für das Ablaichen des Herings.

Doch dem Landesumweltministerium reicht diese Bedingung nicht, da damit nicht auf die dem Laichen vorangehenden Wanderungsbewegungen des Herings Rücksicht genommen werde.

Bauherr sollte Wassertemperaturen selbst beobachten

Ende Dezember lag vom Bergamt erst ein Genehmigungsentwurf vor, in dem unter anderem vorgesehen war, dass der Bauherr selbst die Wassertemperaturen beobachtet und die Arbeiten gegebenenfalls einstellt. Schon in den nächsten Tagen könnte aber die Genehmigung erteilt werden und die Bauarbeiten wiederaufgenommen werden.

Wenn der Gascade überhaupt solange wartet. Wie die Berliner Zeitung dieser Tage schreibt, hat die Deutsche Umwelthilfe (DUH) Anzeige gegen die Deutsche Regas erstattet, der für den Bau der Anlagen in Mukran zuständig ist.

Es gäbe Hinweise auf unerlaubte Bauarbeiten in den vergangenen beiden Monaten. Regas habe die Vorwürfe bestritten. Einer der betroffenen Fischer, Jürgen Kuse aus Rügen, hat inzwischen beim Oberverwaltungsgericht Greifswald Klage und Eilantrag gegen die Hafenerweiterung des Hafens Mukran für das geplante LNG-Terminal eingereicht.

Weitere Fischarten in Gefahr

Er kritisiert unter anderem die mangelnde Beteiligung der Fischer am Planfeststellungsverfahren und weist auf schwerwiegende Folgen der geplanten Ausbaggerung der Fahrrinne hin. Kuse fängt in den Küstengewässern vor Binz, durch die die Fahrrinne führt, Grundfische wie Flunder und Scholle.

Er geht davon aus, dass die umfangreichen Ausbaggerungen sowie die Jahr für Jahr notwendigen sogenannten Unterhaltungsbaggerungen Grundfische samt deren Lebensraum und Nahrungsquellen töten und beseitigen werden.

Eine andere Frage ist derweil, ob das Terminal auf Rügen und die neue Pipeline überhaupt benötigt werden. Die DUH bestreitet dies, und Gegner des LNG-Terminals auf der Ostseeinsel hatten, wie berichtet, Anfang November in einem offenen Brief an die Berliner Parlamentarier darauf hingewiesen, dass die deutschen Gasspeicher gut gefüllt sind und das zusätzliche Terminal daher überflüssig sei.

Auch Ende Dezember waren die Speicher mit etwas über 90 Prozent für die Jahreszeit noch außerordentlich gut gefüllt, wie die Daten der Bundesnetzagentur zeigen. Deren Statistiken verraten außerdem, dass der Gasverbrauch von Privathaushalten und Industrie weiter rückläufig ist.

Das ließe sich sicherlich noch beschleunigen, wenn zum Beispiel endlich die Plastikflut eingedämmt würde, für die Erdgas unter anderem eingesetzt wird. Mit Pfandsystemen und anderen Maßnahmen ließe sich ein erheblicher Teil des Verpackungsmülls aus Plastik vermeiden, was auch aus anderen Umweltgründen wünschenswert wäre.