Madrid will das Verfassungsgericht präventiv gegen Katalanen nutzen

Seite 2: Puigdemont spricht von einem "Putsch"

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Man darf gespannt sein, wie das Verfassungsgericht reagiert. Präventiv hatte es schon einmal sogar eine Parlamentssitzung "vorläufig" verboten, ohne dass auch nur klar war, ob die Unabhängigkeitsfrage dort behandelt wird. Von daher ist klar, dass man auch vor abstrusen Maßnahmen dort nicht zurückschreckt, wenn es die Regierung fordert. Der Unterschied ist nun nur, dass nun der Staatsrat dem antidemokratischen Vorgehen diesmal nicht sein Plazet gegeben hat.

Dazu kommt, dass das Verfassungsgericht gerade erst eine Klage gegen die Anwendung des Paragraphen 155 angenommen hat. Das dauerte wesentlich länger als die Annahme in Stunden oder Tagen, wenn dies die Regierung fordert. Und die Anwendung des § 155, über den die Regierung und das Parlament aufgelöst und Zwangswahlen angesetzt wurden, wurde ebenfalls nicht "vorläufig" ausgesetzt, wie es bei Klagen der Regierung üblich ist. Angesichts dieser Situation müsste das Gericht, wenn es dort juristisch zugehen würde, die unbegründete neue Klage der Regierung ablehnen. Es müsste zunächst einmal klären, ob die Absetzung von Puigdemont überhaupt rechtlich nach ihrer Ansicht korrekt war, was ebenfalls viele Juristen bezweifeln.

Verständlich ist, dass die Kritik aus Katalonien an dem Vorgehen der spanischen Regierung (und ihren Unterstützern in der Opposition) groß ist. Dass die Regierung die Verfassung und den Rechtsstaat schütze, wird stark bezweifelt. Nun spricht die Formation von Puigdemont von einem "Putsch". Es sei ein "irrsinniges Vorgehen", mit dem "das Parlament und die Demokratie liquidiert" werden sollen, sagt Gemeinsam für Katalonien (JxCat).

Es soll verhindert werden, dass Puigdemont "in einem Kofferraum" nach Spanien kommt

Puigdemont hatte schon per Twitter aus Belgien am Donnerstag den Rücktritt von Santamaría wegen "Rechtsmissbrauchs" gefordert. Gabriel Rufián, Parlamentarier der Republikanischen Linken (ERC) im spanischen Parlament, ätzte mit Blick auf das Vorgehen von Erdogan in der Türkei: "Die nächste Pressekonferenz sollten sie aus Ankara machen." Puigdemont legte, nachdem die Klage gestern bestätigt worden ist, ebenfalls angesichts der Tatsache nach, dass nun massive Kontrollen an der Grenze zu Katalonien durchgeführt werden: "Sie haben uns immer wieder vorgeworfen, wir wollten Grenzen ziehen. Nun sind sie es, die das am Ende wieder tun."

Geprüft werden auch die Kofferräume der Autos, da eine verzweifelte spanische Regierung nicht zulassen will, dass Puigdemont am kommenden Dienstag plötzlich im Parlament auftaucht und doch an der Debatte zur Amtseinführung teilnimmt. Der spanische Innenminister Juan Ignacio Zoido hatte deshalb gerade eine umfassende Operation angekündigt. Man werde auch verhindern, dass Puigdemont "in einem Kofferraum" nach Spanien gebracht wird.

Die spanische Regierung hat panische Angst, erneut wie am 1. Oktober beim Referendum vorgeführt zu werden. Damals hatte man behauptet, dass es "weder eine Abstimmung, noch Urnen, noch Stimmzettel" geben werde. Dagegen hatte die Bewegung selbstbewusst erklärt, dass es ein Referendum, Urnen und Stimmzettel geben werde. Tatsächlich konnte Spanien die Abstimmung dann nicht einmal mit einer "militärähnlichen Operation" verhindern. Nun wird man alles daran setzen, zu verhindern, dass Puigdemont nach Katalonien kommt. Überzeugt, dass das gelingt, ist man ganz offensichtlich davon aber in Madrid nicht. Anders ist nicht zu verstehen, warum man seine Wahl über das Verfassungsgericht nun vorsorglich verbieten lassen will.