Mannheim schaltet Gasnetz bis 2035 komplett ab

Eine Baustelle, bei der Rohrleitungen für Fernwärme verlegt werden.

Kommunen investieren zunehmend in Fernwärmeversorgung.

(Bild: FooTToo / Shutterstock.com)

Historische Energiewende in Mannheim: MVV Energie will bis 2035 das Gasnetz stilllegen. 24.000 Haushalte betroffen - was kommt danach?

Als Ergänzung der Energiewende steht jetzt auch die Wärmewende an. Dazu sollen die Gemeinden nach entsprechenden Vorgaben der Bundesländer einen kommunalen Wärmeplan erstellen. Das einschlägige Gesetz wurde am 17. November 2023 vom Bundestag beschlossen. Der Bundesrat hat am 15. Dezember 2023 zugestimmt. Somit konnte das Gesetz am 1. Januar 2024 in Kraft treten.

Im Südwesten der Republik wurde am 7. Februar 2023 das „Klimaschutz- und Klimawandelanpassungsgesetz“ beschlossen. In der Folge mussten die Stadtkreise und Großen Kreisstädte den Regierungspräsidien bis zum 31. Dezember 2023 einen Wärmeplan vorlegen. Dadurch sind inzwischen Wärmepläne für über 50 Prozent der Einwohnerinnen und Einwohner Baden-Württembergs entstanden.

Die Bundesnetzagentur hatte mit Kanu 2.0 neue Abschreibungsregeln für das Gasnetz eingeführt, die eine schnellere Abschreibung der Netze ermöglichen, deren Nutzungsdauer aus politischen Gründen begrenzt wurde. Die Beschleunigung der Abschreibung durch die Gasnetzbetreiber sorgt für eine zeitgerechte Umlage der Netzinvestitionen auf die Nutzer. Ziel ist dabei, die Umlage noch auf möglichst viele Kunden vornehmen zu können.

Um zu verhindern, dass in der Folge der begrenzten Nutzungsdauern große Teile der Investitionen in Gasnetze nicht wieder verdient werden können, soll der Gastransformationsprozess regulatorisch flankiert werden. Dafür reicht jedoch das bestehende Regulierungssystem nicht aus, da es auf den Fortbestand der Gasnetze und möglicherweise eine Erweiterung ausgerichtet ist und nicht auf das Ende der Netznutzung.

Mit den steigenden CO2-Abgaben, die ab 2027 nicht mehr von der Politik vorgegeben, sondern vom Markt gebildet werden sollen, wird zudem das Gas, das an die Endkunden geliefert wird, deutlich teurer, wobei die Preisentwicklung kaum vorhersehbar ist. Für die Versorger bringt diese Entwicklung ein beachtliches Risiko, weil sie zeitgleich auch in die Elektrizitäts- und Wärmeverteilnetze investieren müssen, die im Gegensatz zu den Gasnetzen auf Wachstum ausgelegt sind.

Gerade die badischen Städte preschen bei der Entwicklung ihrer Wärmeplanung voran. Am weitesten scheint dabei Mannheim zu sein, aber auch kleinere Städte möchten sich mit der Wärmewende keine Zeit lassen. Zu den Vorreitern bei der kommunalen Wärmeplanung zählt neben Mannheim auch die Stadt Bad Krozingen, die mit derzeit rund 22.370 Einwohnern größte Stadt im Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald ist und durch Beschluss des Landeskabinetts in Stuttgart vom 30. April 2024 mit Wirkung zum 1. Januar 2025 zur Großen Kreisstadt erklärt wurde.

Der heutige Bäder- und Gesundheitsstadt wurde erst 2005 das Stadtrecht verliehen. Sie verdankt ihren Ruf als Kurort letztlich einer fehlgeschlagenen Erdölbohrung im Jahre 1911, die Thermalwasser im Oberrheingraben erbohrte. Die Stadt Bad Krozingen und die Kommunen Staufen und Hartheim haben sich im März 2023 für ihre Wärmeplanung im Konvoi zusammengeschlossen.

Der Mannheimer Versorger geht schnellstmöglich an die Umsetzung des Wärmeplans

In Mannheim wurde der Wärmeplan am 12. März 2024 durch den Mannheimer Gemeinderat beschlossen. Der kommunale Wärmeplan sieht den Einsatz von Fernwärme und Wärmepumpen vor. Gas ist im Wärmeplan nicht vorgesehen. Damit sind auch die immer wieder diskutierten gasförmigen Energieträger wie Wasserstoff oder Methan im Mannheimer Heizungsmarkt aus dem Rennen.

Da Gas in der kommunalen Wärmeplanung nicht mehr vorgesehen ist, wird sich die MVV Energie deshalb aus dem Erdgas-Verteilnetz für Haushalte und Gewerbe zurückziehen und das Gasverteilnetz bis 2035 stilllegen. Das bedeutet, dass ein Gebäude, das heute noch über das Gasnetz Erdgas bezieht, spätestens 2035 nicht mehr mit Gas versorgt werden kann.

Das betrifft nicht nur die MVV Energie, sondern auch jeden anderen Lieferanten. Die Stilllegung des Gasnetzes bedeutet nach Vorstellung des heutigen Netzbetreibers auch, dass kein Biomethan und kein Wasserstoff im heutigen Versorgungsgebiet der MVV verfügbar sein wird.

Wärmeversorgung in Mannheim ab 2035 ohne fossile Produkte

Aus Sicht des Mannheimer Versorgers ist der menschengemachte Klimawandel unstrittig. Einer der maßgeblichen Faktoren für die Erderwärmung sei dabei der Wärmesektor. Daher will die MVV im Stadtgebiet von Mannheim die Fernwärme bis 2030 zu 100 Prozent „vergrünen“ und ab 2035 nur noch 100 Prozent grüne Produkte an ihre Kunden liefern.

Rund 24.400 Haushalte im nördlichen Stadtgebiet von Mannheim sind von der geplanten Gasnetz-Abschaltung betroffen. Offensichtlich können sich die meisten Einwohner die Folgen bisher nicht abschätzen, denn nur rund 60 interessierte Mannheimer kamen im November zu einer Info-Veranstaltung des Versorgers.

Die MVV will zwar künftig bis zu 10.000 neue Fernwärme-Anschlüsse anbieten, aber weder im Mannheimer Norden noch in einigen anderen Stadtgebieten. Für diese Stadtteile bleibt nur noch die Wärmepumpe oder in manchen Fällen eine Pelletheizung, wenn genügend Lagerraum zur Verfügung steht.

Einzelne von der Wärmewende direkt Betroffene wollen jetzt gegen die Entscheidung des Versorgers klagen, weil die MVV sie bis 2035 generell vom Gasnetz abschneide und damit auch keine Versorgung durch ein anderes Unternehmen ermögliche. Dass sich eine Gasversorgung für nur noch wenige Abnehmer wirtschaftlich darstellen lässt, darf bezweifelt werden.

Dass die Mannheimer MVV aus dem Erdgasnetz aussteigt, ist keineswegs auf eine Ad-hoc-Entscheidung der Unternehmensführung zurückzuführen, sondern wurde schon angekündigt, als russisches Erdgas noch unbegrenzt verfügbar war. Die MVV verwies in dem Zusammenhang auf die seit August 2024 geltende EU-Richtlinie zum Gasbinnenmarkt.