Marx ist Murks - Teil 1

Seite 2: Einwand 2: Der Mehrwert ist überhaupt kein Rätsel

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Von einigen Lesern wird behauptet, der Mehrwert sei doch gar nicht so geheimnisvoll wie im Artikel angedeutet. Dann wird selbstsicher "für Doofe" verkündet, was er seiner Substanz nach also sei, und dies sei ja ohnehin trivial. Wie könne man das nicht wissen? Dummerweise sind sich die altklugen Forenten in ihren Erklärungsansätzen nicht einmal einig. So viel zur Offensichtlichkeit.

Die einen sagen, der Mehrwert stellt sich über Angebot und Nachfrage ein. Also je kleiner das Angebot gegenüber der Nachfrage, umso höher der Preis der verkauften Waren, umso größer der erwirtschaftete Mehrwert. Stellen wir uns mal als Gedankenexperiment zwei in etwa gleich große Märkte für verschieden Warensorten vor, wo Angebot und Nachfrage in etwa ähnlich sein sollten. Das folgende Beispiel wird nie lupenrein sein, weil sich ja Angebot und Nachfrage gar nicht zweifelsfrei feststellen lassen, aber vielleicht wird durch das Bildnis der Punkt klar, den ich machen will.

Es soll sich im Gedankenexperiment um den Markt für Feuerwaffen und den für Munition handeln. Die beiden Märkte sind inhaltlich aneinander gekoppelt und insofern in etwa gleich groß: Wer eine Feuerwaffe kauft, kauft auch - im Durchschnitt - so und so viele Patronen. Man könnte also spekulieren, dass sich in beiden Märkten Angebot und Nachfrage in etwa gleichen. (Wem diese Spekulation zu weit geht, muss sich halt andere Warengruppe ausdenken, wo dies eher zutrifft.) Der Punkt ist: Wieso sind durchschnittliche Knarren umso viel teurer als eine durchschnittliche Packung Patronen, die man mit der Waffe gleich mitkauft?

Wenn der Preis durch Angebot und Nachfrage schwankt, um welches Preisniveau herum schwankt es dann? Das verrät einem die VWL bei all ihren ausgefeilten Angebot-Nachfrage-Diagrammen nie. Kann eine Packung Kartoffelchips so teuer werden wie eine Luxusvilla? Sie spielen nicht einmal dann in der selben Liga, wenn die Chips mit Blattgold überzogen sind. Höchstens als Kunstwerk, aber das ist dann eine andere Geschichte, weil der Kunstmarkt ein davon unabhängiger Markt ist und sowieso seine Besonderheiten hat.

Angebot und Nachfrage reicht nicht aus als alleinige Erklärung für Preise, und insofern auch nicht, um das Geheimnis des Mehrwert zu lüften. Es ist nur eine Erklärung für das Bewegungsgesetzes des Preises, nicht für das Preisniveau. Deshalb schließt Marx übrigens Angebot und Nachfrage gar nicht aus, man braucht es ihm also auch nicht vorzuwerfen, dass er das tut. Er benennt aber die Bühne, auf der sich das Schauspiel von Angebot und Nachfrage abspielt, und das ist der Wert, und darüber hinaus benennt er auch die Bewegungsgesetze dieses Wertes, was die VWL gar nicht erst für nötig erachtet.1

Andere Forenten begründen den Mehrwert über das Risiko des Unternehmers, seine Ware nach der Produktion absetzen zu können. Sie benennen dabei weder Ross und Reiter korrekt, wer es denn nun eigentlich wirklich ist, der das Risiko trägt. Nur der Unternehmer? Ganz so als ob die angestellten Arbeiter gar nicht davon betroffen seien, wenn ihr Arbeitgeber mangels Absatz Pleite geht und sie deshalb massenhaft entlassen werden müssen. Auch können sie nicht den Zusammenhang aufschlüsseln, wie sich das Risiko denn nun genau in einen Geldüberschuss übersetzt. Als Notbehelf wird wieder auf die von sich aus unzureichende Formel von Angebot und Nachfrage zurückgegriffen. Siehe oben.

Wiederum andere Forenten schreiben, es sei überhaupt vermessen von mir, meine "Vorstellung vom Mehrwert" (Forent "Palenthalse") anderen vorzuschreiben. Nun, was der Mehrwert seiner Erscheinung nach ist, darüber sind sich meines Wissens alle Ökonomen einig: eine über das investierte Kapital hinausgehender Rückfluss aus einem erfolgreichen Geschäft. Jedenfalls ist "Mehrwert" als terminus technicus nicht das, was hier von einzelnen Forenten eingeworfen ist, wenn sie beiläufig so Sätzen fallen lassen wie, dass auch eine "saubere Umwelt einen Mehrwert darstellt" (ebd.). Hier wird Alltagssprache und Fachsprache fahrlässig durcheinander geworfen. Aus solchen Prämissen ist letztlich jeder Unfug ableitbar. Dafür bin ich nicht verantwortlich. Das müssen die Forenten mit sich selbst ausmachen.2

Der maßgebliche Unterschied zwischen marxistischen und nicht-marxistischen Ökonomen in Bezug auf den Mehrwert ist, wie man seine Zusammensetzung korrekt begründet. Das ist keine subjektive Einstellungssache, sondern Gegenstand einer wissenschaftlichen Untersuchung. Wissenschaftlich arbeitende Anti-Marxisten arbeiten sich wenigstens an Marxens Argumenten ab, mehr schlecht als recht, aber stellenweise durchaus redlich. Sie lesen ihn wenigstens. Was jedoch hier im Forum passiert, ist etwas völlig anderes. Man baut sich lieber Strohmänner auf, um sie dann genüsslich anzuzünden. Was damit bewiesen wird, ist nicht, dass Marx falsch lag, sondern die eigene Unkenntnis seiner Theorie, über die man unbedingt sein Urteil loswerden will. Das kann jeder machen wie er will, hat aber nichts mit meinen Argumenten zu tun.

Bemerkenswert ist auch der fehlerhafte Bezug auf meinen Artikel. Plötzlich ist eine Debatte um die Arbeitswertlehre entbrannt. Die wird zwar später durchaus noch Thema sein, ist aber gar nicht Inhalt des ersten Artikels, insofern also zunächst nur eine Unterstellung. Die Marxsche Wertlehre, deren Auslassung mir von zwei marxistischen Forenten direkt oder indirekt als Mangel angekreidet wurde, weil ich damit von der sorgfältigen Marxschen Ableitung abweiche, habe ich den Lesern zunächst ganz mutwillig erspart. Warum? Ich habe im ersten Teil ganz bewusst keine Auskunft darüber geben wollen, was den Mehrwert ausmacht. Im Gegenteil habe ich die Leser dazu aufgerufen, sich in dieser Frage zunächst total unparteiisch zu stellen. Denn für die Kritik, die ich vorgebracht habe, ist es nämlich vollkommen irrelevant, was die Substanz des Mehrwerts ist. Ich wollte damit aufzeigen, dass man sich den Vorwürfen in den Argumenten 1 und 2 selbst dann dann stellen muss, wenn man die Marxsche Wertlehre total ablehnt. Die Argumente sind unabhängig davon, ob man Marxist ist oder nicht.

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