Mehr Geld für Volksmusik, Sport und Degeto-Schmonzetten?
Kulturstaatsminister Neumann will die Rundfunkgebühren nach Quote verteilen
Kulturstaatsminister Bernd Neumann sagte dem Bremer Weser-Kurier, dass die Verteilung der Rundfunkgebühren zwischen den öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten stärker an die Einschaltquoten gekoppelt werden soll. Das, so Neumann, würde den Wettbewerb zwischen ihnen anregen.
Setzt sich der CDU-Bundesminister in dieser Frage durch, dann steht zu befürchten, dass es zukünftig mehr von den Quotenbringern Volksmusik, Sport und Degeto-Schmonzetten gibt, während Sender wie BR alpha um ihre Existenz fürchten müssten. Damit ginge das deutsche Fernsehen den exakt gegenteiligen Weg der BBC, die auf Druck der Tories hin einen erheblichen Teil ihrer Einnahmen von Sport und Unterhaltung hin zu anspruchsvollen Programmen umschichtet. Obwohl Neumann aufgrund der Kulturhoheit der Länder in dieser Frage nur indirekten Einfluss ausüben kann, ist sein Vorschlag keineswegs chancenlos, da in nächster Zeit der Komplettumbau der geräteabhängigen Gebühr in eine Art Kopfpauschale geplant ist, in deren Windschatten eine solche Änderung unauffälliger und damit leichter durchzusetzen wäre.
Ein ganz anderer Vorschlag zur Finanzierung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten wird derzeit in einer Arbeitsgruppe der Piratenpartei debattiert: Danach sollen nicht die Bürger oder die Zuschauer, sondern die Privatsender die öffentlich-rechtlichen mittels einer Abgabe finanzieren. Eine marktwirtschaftlichere Lösung, über die vielleicht noch höhere Einnahmen entstehen könnten, wäre die zeitlich begrenzte Versteigerung von Frequenzen an den Höchstbietenden.
Gerechtfertigt erscheinen solche Modelle unter anderem deshalb, weil Privatsender für verhältnismäßig symbolische Beträge einen Teil des öffentlichen Frequenzspektrums beanspruchen, der sonst für Nützlicheres verwendet werden könnte. Kabelnetzbetreiber müssen sogar umgekehrt an die VG Media zahlen, die das eingenommene Geld ganz überwiegend an das Privatsenderduopol aus Bertelsmann und ProSiebenSat.1 weiterleitet. Selbst die Landesmedienanstalten, die die Privatsender lizenzieren und beaufsichtigen sollen, werden nicht von diesen, sondern zum größten Teil über einen etwa zweiprozentigen Anteil aus der von der GEZ eingezogenen Rundfunkgebühr finanziert.
Hinzu kommt, dass ausgesprochen fraglich ist, inwieweit die relativ undurchschaubare Vergabepraxis der demokratisch nur sehr unzureichend kontrollierten Landesmedienanstalten eine optimale Ressourcenallokation leistet. Dass ein Sender wie 9Live knappe Frequenzen belegt, ist für viele Zuschauer in etwa so nachvollziehbar, als wenn man auf einer Autobahn eine Spur für Fluchtfahrzeuge von Hütchenspielern reservieren würde.
Nicht zuletzt wäre solch ein Finanzierungsmodell auch deshalb angemessen, weil Bertelsmann und ProSiebenSat.1 ohnehin im Verdacht stehen, ihr Angebot in Pay-TV umzuwandeln und sich so erhebliche neue Einnahmequellen zu öffnen. In der letzten Woche durchsuchte das Bundeskartellamt Büros der beiden Sendergruppen, weil diese heimlich nicht nur einen breitflächigen Einsatz von DRM gegen die Aufzeichnungen von Sendungen, sondern auch eine komplette Verschlüsselung der digitalen Versionen ihrer "Free-TV"-Programme vereinbart haben sollen.
Da die Kabelnetzbetreiber die analogen Versionen nur noch in Bestandsverträgen anbieten und auslaufen lassen wollen, würde dies mittelfristig eine mehr oder weniger allgemeine Zahlungspflicht für Programme wie ProSieben, RTL, RTL2, Sat.1, Vox und Kabel Eins bedeuten. Mit HD+, das unter dem irreführenden Namen "verschlüsseltes Free-TV" vermarktet wird, sind die Voraussetzungen dafür bereits geschaffen: Die Smartcart zum Entschlüsseln gibt es nur gegen eine jährliche Gebühr und HD+-zertifizierte Recorder erlauben weder eine Weitergabe der Aufnahme noch ein Vorspulen während der Werbung. Bei Geräten mit CI-Plus-Slot sind sogar nur noch Timeshift-Verzögerungen von höchstens 90 Minuten und keine dauerhaften Aufzeichnungen mehr möglich.