Mexiko: Überraschende Einigung der Linken

Vom Aufstieg und Fall der "Partei der Demokratischen Revolution" und einer neuen Hoffnung im Wahljahr 2012

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In Mexiko ändern sich die Dinge schneller als anderswo auf der Welt. Durch eine schlaue Volte gelingt der Linkspartei "Partei der demokratischen Revolution” (PRD) eine Überraschung. Seit Mitte November 2011 scheint es mit einem Mal möglich, die Rückkehr der autoritären ehemaligen Staatspartei PRI - welche den mexikanischen Staat mehr als sieben Jahrzehnte lang lenkte - zu stoppen. Seit dem Jahr 2009 befand sich diese "revolutionäre institutionelle Partei" (PRI) auf der Siegerstrasse; ihre Rückkehr an die Regierung schien unausweichlich.

Die Bilanz des regierenden Präsidenten Felipe Caldéron von der erzkonservativen "Partei der Nationalen Aktion" (PAN) ist verheerend und das linke Lager schien zerstritten und abgeschlagen. Doch nun sehen die Dinge mit einem Mal anders aus: Die progressiven Kräfte Mexikos haben sich scheinbar über Nacht geeint und hinter dem Banner von Andrés Manuel Lopez Obrador versammelt, während die PRI sich in Selbstzerfleischung übt.

Vor allem gelingt es der PRD aber, von ihrer eigenen Schwäche abzulenken. Denn die tiefen Widersprüche, in die sich die Partei verstrickt hat, sind keinesfalls überwunden. Es ist eher einer schlauen Marketingstrategie zu verdanken, dass Linkspolitiker, die sich eigentlich bis aufs Messer bekämpfen, vor laufenden Kameras mit einem Mal die Hände reichen und eine neue Einigkeit verkünden. Unter dem Namen "Progressive Koalition Breite Front" verbündet sich die PRD nun nicht nur mit der Ex-maoistischen Kleinpartei "Partei der Arbeit” (PT), der sozialdemokratischen "Staatsbürgerliche Bewegung” (MC), sondern auch mit der von Andrés Manuel Lopez Obrador Ende 2010 ins Leben gerufenen "Bewegung der nationalen Erneuerung” (Morena). Die beteiligten Akteure überraschten gar mit der Ankündigung einer Fusion dieser Kräfte zu einer neuen Partei nach den Wahlen. Ob das eine reale Perspektive ist oder nur eine Wahlkampfparole, bleibt abzuwarten.

"Mit Lopez Obrador als gemeinsamen Kandidaten der Linken gibt es einen Hoffnungsträger für die Präsidentschaftswahlen im Juli 2012. Es ist die Aufgabe aller progressiven Kräfte Mexikos diese zu unterstützen, um dem Neoliberalismus Einhalt zu gebieten", sagte Francisco Saucedo, Gründungsmitglied und ehemaliger Abgeordneter der PRD. Die neue Lage entlasse die politische Linke aber nicht aus der Verantwortung, eine profunde Analyse der Krise der PRD vorzunehmen. "Diese Krise findet ihren Grund in interner Korruption und Angepasstheit", fügte Mario Saucedo Pérez, ehemaliger Senator der PRD hinzu.

PRD: Ein neuer Anfang für die Linke

Um die gegenwärtige Krise zu verstehen, ist es notwendig die Herkunft der PRD zu ergründen. Die Partei gründete sich 1989 als Fusion wichtiger Strömungen der mexikanischen sozialen Bewegungen und der politischen Linken. Einmalig ist das Zusammenspiel der Kräfte aus reformistischer und revolutionärer Tradition, die hier zusammenkommen. Eine zentrale Rolle spielte hierbei die Präsidentschaftskandidatur 1988 von Cuauhtémoc Cárdenas, dem Sohn von General Lazaro Cárdenas, des einzig sozialistischen Präsidenten Mexikos (1934-1940).

Der politische Rahmen in der zweiten Hälfte der 1980iger Jahre war geprägt von der Zustimmung zum "Konsens von Washington” und den ersten neoliberalen Strukturanpassungsmaßnahmen durch die Regierung Miguel de Madrid (1982-1988, PRI). Auf diese neue Herausforderung suchte die mexikanische Linke eine gemeinsame Antwort. Zunächst gründeten sich Komitees gegen die Umsetzung der neoliberalen Agenda und in den Jahren 1983 und 1984 kam es zu politischen Generalstreiks gegen die geplanten Privatisierungen als gemeinsame Aktion ganz unterschiedlicher Strömungen in der Arbeiterbewegung. Eine weitere zentrale politische Erfahrung war die Volksbewegung, die sich in der Folge des schweren Erdbebens, welches 1985 große Teile von Mexiko-Stadt in Schutt und Asche legte, bildete. Die Stadteilversammlungen wehrten sich zunächst gegen Inkompetenz, Willkür und Korruption der Regierung und wuchsen schnell zu einer allgemeinen politischen Bewegung an, welche die Systemfrage stellte. Auch unter den Studierenden rumorte es, z.B. trat 1987 die Studierendenschaft von Lateinamerikas größter Universität, der UNAM in Mexiko-Stadt, in den Streik. Diese Ereignisse fanden auch innerhalb der regierenden Staatspartei PRI ihren Ausdruck.

Mit der "demokratischen Strömung" bildete sich ein starker oppositioneller Flügel, der sich in Tradition der mexikanischen Revolution sah und die Kandidatur von Cuauhtémoc Cárdenas für die Präsidentschaftswahlen unterstützte. Die PRI-Offiziellen reagierten schockiert auf den Zulauf für Cuauhtémoc Cárdenas, welcher sich zum Beispiel beim "Marsch der 100 Stunden für Demokratie” um den Zocalo (der zentrale Platz von Mexiko-Stadt), manifestierte und schlossen ihn vom parteinternen Rennen um die Präsidentschaftskandidatur aus.

Aller Chancen innerhalb der Partei beraubt, entschloss sich Cárdenas zum Parteiaustritt und gründete die Nationale Demokratische Front. Formell wurde seine Präsidentschaftskandidatur von der Splitterpartei "Authentische Partei der mexikanischen Revolution" (PARM) eingeschrieben, da unabhängige Kandidaturen in Mexiko bis heute ausgeschlossen sind (bei den Wahlen 2018 soll sich das ändern). Seine Wahlkampagne fokussiert sich auf drei Themen:

  1. Die Verteidigung der nationalen Souveränität Mexikos
  2. Eine Alternative zur neoliberalen Wirtschaftspolitik
  3. Für ein demokratisches Regime nach mehr als sechs Jahrzehnten PRI-Herrschaft

Am Wahltag, dem 6. Juli 1988, kam es landesweit zu einer Riesenmobilisierung der Unterstützer von Cárdenas. Die ersten Wahlergebnisse wurden im Fernsehen übertragen und er führte deutlich vor dem PRI-Kandidaten Carlos Salinas. Doch dann kam es zu einem "Systemabsturz". Am Ende erklärte die Wahlbehörde Salinas zum Sieger. Proteste gegen diesen offensichtlichen Wahl betrug unterdrückte die Regierung des illegitimen Präsidenten Salinas (1988-1994) gewaltsam. Die Verteidigung der freien Wahl wurde mit Blut und Toten bezahlt und zum zentralen Thema der Opposition.

Kampf um demokratische Rechte

Bereits im Jahr 1989 änderte Salinas seine Taktik gegen über der rechts-katholischen Opposition. Er akzeptierte den Sieg der "Partei der Nationalen Aktion” (PAN) bei den Gouverneurswahlen im Bundesstaat Baja California, dem ersten Wahlerfolg einer anderen Partei als der PRI seit der Revolution 1910. Die Linke unterdrückte er aber weiterhin mit harter Hand. So ließ er den Wahlsieg der mittlerweile aus der "Nationalen Demokratischen Front" hervorgegangenen "Partei der Demokratischen Revolution" (PRD) bei den Gouverneurswahlen in Michoácan 1991 annullieren. Die Volksbewegung gegen diesen erneuten Wahlbetrug besetzte 74 Rathäuser im ganzen Land - Polizei und Militär töteten mindestens 360 Aktivisten.

Salinas unternahm alles, um die Konsolidierung der neuen PRD zu verhindern. Es gelang ihm, das Wahlergebnis bei der turnusmäßigen Teilwahl zum Parlament im Jahr 1991 für die PRD auf 7,9 Prozent zu senken. Somit verfügte er im Parlament über die nötige Zweidrittelmehrheit zur "Reform" von Verfassungsartikel 27 zum Landbesitz. Land konnte fortan privatisiert werden, damit fiel eine entscheidende Errungenschaft der Revolution von 1910.

Die PRD wurde in die Defensive gedrängt und zeitweilig nur noch von der Repression von außen zusammengehalten. Erste Risse zwischen verschiedenen politischen Lagern traten auf. Insbesondere zwischen den eher prinzipientreuen Anhängern von Cárdenas und den eher pragmatischen Unterstützern von Profirio Muñoz Ledo (wie Cárdenas ein ehemaliger PRI-Politiker). Einer der ersten offenen Konflikte zwischen den Lagern entstand mit der Frage, ob sich die PRD (wie bereits die PRI) der "Sozialistischen Internationale" (in Deutschland durch die SPD vertreten) oder dem linkeren "Forum São Paolo" anschließen soll.

Keine der Seiten konnte sich durchsetzen, die PRD trat beiden Zusammenschlüssen bei. Doch 1993 gewann Muñoz Ledo den Parteivorsitz. (Da er 2000 nicht zum Präsidentschaftskandidaten ernannt wurde, wechselte der ehemalige PRI-Mann erst zur PARM, dann zur PAN, wenig später zur PT und ist heute wieder im Umfeld von Andrés Manuel Lopez Obrador tätig)

"Im Jahr 1993 kommt es zum Sündenfall, denn der neue Parteivorsitzende nutzt seine Macht, um die Vertreterin des linken Lagers und politische Geschäftsführerin der Partei, Rosa Albina Garabito, zu entlassen", sagte Mario Saucedo Pérez. Erste Fälle von Stimmenkauf durch PRD-Politiker werden bekannt und nicht geahndet. Es ist das Abweichen von den demokratischen Praktiken, die konstituierendes Element bei der PRD-Gründung wenige Jahr zuvor gewesen waren und den Anfang vom Ende der PRD als alternatives Projekt markieren. Und während die Zapatisten das Fehlen innerparteilicher Demokratie bei der PRD bemängeln, unternimmt die Parteiführung ab 1994 keine Versuche einer Annäherung an die neuen indigenen Protagonisten.

Abkehr von demokratischen Prinzipien

Im Jahr 1996 gewann Andrés Manuel Lopez Obrador den Parteivorsitz und spielte vom ersten Tag an eine widersprüchliche Rolle. Auf der einen Seite bezog sich der charismatische Politiker in seinem radikalen Diskurs sehr auf soziale Forderungen, die soziale Bewegung und insbesondere auf die kleinbäuerliche Bewegung seines Heimatstaates Tabasco. Auf der anderen Seite verkündete der Politiker, zugleich Anhänger einer evangelischen Freikirche, einen "neuen Pragmatismus".

Der ebenfalls frisch gewählte Generalsekretär Jesus Ortega - ansonsten aber ein politischer Kontrahent von Lopez Obrador - entwickelte diesen Ansatz weiter und setzte fortan auf Wahlallianzen mit der erzkatholischen "Partei der Nationalen Aktion" (PAN); die PRD war nur wenige Jahre nach ihrer Gründung auf dem Weg eine "Partei wie die anderen" zu werden, ein gutes Stück voran gekommen und das bedeutete in Mexiko, einem Land, in dem die Politik von Betrug und Korruption geprägt ist, keine gute Nachricht. Dennoch stand die junge Partei noch vor wichtigen Erfolgen: Bei der ersten demokratischen Wahl zum Bürgermeister von Mexiko-Stadt (zuvor wurde der Stadtregent vom Präsidenten ernannt) gewann Cuauhtémoc Cárdenas für die PRD. Bis heute ist die Hauptstadt PRD-Hochburg.

In Hinblick auf demokratische Prinzipien ist das Verhalten der PRD widersprüchlich. Auf der einen Seite war es der gemeinsamen Anstrengung von PRD und PAN zu verdanken, dass 1999 mit dem IFE erstmals ein unabhängiges Wahlinstitut aus der Taufe gehoben wird, welches den Wahlsieg des ersten Nicht-PRI-Präsidenten im Jahr 2000 ermöglichte. Innerparteilich wurde aber das höchst umstrittene Instrument der "Befragung” durch kommerzielle Meinungsforschungsinstitute eingeführt, welche innerparteiliche Wahlen, Urabstimmungen oder Befragung der Sympathisanten an der Wahlurne ablösten. Ein schwerer Schlag gegen die Glaubwürdigkeit der PRD ist ein Korruptionsskandal im Jahr 2004: Der PRD-Politiker René Bejarano (Ehemann der amtierenden Generalsekretärin Dolores Padierna) wird bei der Annahme von Millionen US-Dollar Bestechungsgeld gefilmt.

Heute stellt die PRD nur noch in fünf (nach der Regierungsübergabe in Michoácan an die PRI Anfang 2012 werden es nur noch vier sein) der 32 Bundesstaaten den Gouverneur. Alle fünf dieser Spitzenpolitiker haben zuvor in der PRI Karriere gemacht, in den meisten Fällen wechselten sie erst 2010 oder 2011 zur PRD, was als Beleg für die Beliebigkeit der Partei gewertet werden darf.

Eine Gegentendenz zu dieser Logik läutete Andrés Manuel Lopez Obrador indes bereits vor über zehn Jahren nach seiner Wahl zum Bürgermeister von Mexiko-Stadt im Jahr 2000 (bis zu seinem Rücktritt 2005) ein: Soziale Rechte wurden per Gesetz verbrieft, eine neue autonome Universität sowie 16 Gymnasien gegründet, samt Stipendien für Kinder aus Arbeiterfamilien. Diese Leistungen unterschieden sich fundamental von dem, was Regierungschefs von Bundesstatten bis dato gemacht haben und so erreichte der Politiker eine Beliebtheit, die ihn in Umfragen zum aussichtsreichsten Präsidentschaftskandidaten machen. Für seine Kandidatur bei den Wahlen im Juli 2006 legte er 2005 sein Bürgermeisteramt nieder.

Die Ära Fox

Die Hoffnung auf einen demokratischen Wandel in Mexiko durch die Bildung einer Regierung ohne die PRI hatte im Jahr 2000 auch dazu geführt, dass viele linke Stammwähler für Vincente Fox, den Ex-Coca-Cola-Manager und Kandidaten der erzkonservativen PAN, votierten. Doch diese Hoffnung blieb unerfüllt.

Mit schmutzigen Tricks und Kampagnen versuchten Präsident Fox und die Massenmedien die Präsidentschaftskandidatur von Lopez Obrador 2006 zu vereiteln. Das gelang ihnen zwar nicht, aber zahlreiche Indizien deuten darauf hin, dass die PAN 2006 das wiederholte, was die PRI 1988 getan hatte: Dem siegreichen Kandidaten der Linken den Sieg durch Wahlbetrug zu stehlen (Obrador gibt nicht auf, Calderón auf dem Weg zum Präsidentenamt in Mexiko). Das umstrittene offizielle vorläufige Ergebnis machte den PAN-Politiker und Technokraten Felipe Caldéron mit 0,54 Prozent Vorsprung zum Sieger, einem Ziehkind der spanischen Volkspartei PP. Eine Nachzählung der Stimmen lehnten Calderón und das Wahlinstitut IFE ab, bis heute gibt es kein offizielles Endergebnis der Präsidentschaftswahlen von 2006.

Lopez Obrador übernimmt die Führung einer sozialen Bewegung, deren Hauptforderung das Nachzählen der Stimmzettel ist, 42 Tage lang besetzen hundertausende Mexikaner das Zentrum der Hauptstadt. Und er scheitert damit wie mit seiner Ausrufung als "legitimer Präsident" (Spannung steigt in Mexiko). Wichtige Faktoren dafür waren der Mangel an Organisation in anderen Bundesstaaten, fehlende Annährung an andere wichtige soziale Bewegungen und vor allem die Halbherzigkeit beim Aufruf zum "zivilen Ungehorsam". Zum Beispiel hätte ein organisierter Boykott das Medienimperium von Televisa – ein Grundpfeiler des Wahlbetruges – zum Einknicken bringen können”, analysiert Francisco Saucedo. Die Bewegung bricht nach der freiwilligen Räumung des Zocalo für die Militärparade zum Nationalfeiertag am 16. September zusammen. In der Folge spitzen sich die Widersprüche in der PRD weiter zu. Nach einem skandalösen parteiinternen Wahlbetrug wird der Verfechter von Allianzen mit der PAN Jesus Ortega ausgerechnet von dem Wahlgericht zum Parteivorsitzenden ernannt, welches den Wahlbetrug gegen Lopez Obrador geschehen ließ. Innerhalb der Partei verlieren Lopez Obrador und seine Unterstützer fast jede Position. In Staaten wie Oaxaca oder Puebla geht die PRD nicht nur Allianzen mit der PAN an, sondern übernimmt sogar gemeinsam Regierungsverantwortung. Diese Allianzen bremsten zwar den Siegeszug der PRI etwas ab (und im Fall von Oaxaca gelang es den verhassten Gouverneur Ulises Ruiz Ortiz aus dem Amt zu jagen), aber bei den Teilwahlen zum Parlament im Juli 2009 fällt die PRD von 29 auf knapp 13 Prozent der Wähler und verliert strategisch wichtige Bundesstaaten wie die Gouverneurswahlen im November 2011 in der einstigen Hochburg Michoácan. Die Außenwahrnehmung der PRD war fatal. Bei den Wahlen befand sie sich im Dauertief, nationale Umfragen sahen sie nach PRI und PAN mit nur knapp 20 Prozent auf Platz Drei in der Wählgunst abgeschlagen. Lopez Obrador hatte sich von der PRD abgewandt und mit Morena seit Ende 2010 begonnen, seine eigene Bewegung aufzubauen. Es schien sogar denkbar, dass es mit Lopez Obrador für die PT und den amtierenden Bürgermeister von Mexiko-Stadt, Marcelo Ebrard, als "offiziellen" PRD- Kandidaten zwei konkurrierende linke Präsidentschaftsanwärter bei den Wahlen am 1. Juli 2012 geben könnte.

Eher mit Sorge als mit Spannung betrachteten die Anhänger von Lopez Obrador und Ebrard das Ergebnis der "Trendumfrage" Mitte November 2011 durch ein Meinungsforschungsinstitut. Der beliebtere solle als Kandidat der PRD antreten, hieß es. Unbekannt ist das wirkliche Ergebnis dieser Umfrage bis heute, genau wie die Umstände ihrer Durchführung. Es wirkte dann auch wie ein einstudierter Akt einer Wahlkampagne, als die beiden Kontrahenten am 15.11. strahlend vor die Kameras traten und das Ergebnis anerkannten. Lopez Obrador habe die Umfrage knapp gewonnen, heißt es. Und dann die bereits erwähnte überraschende Ankündigung von Wahlbündnis und Parteienfusion.

Mit Liebe und Frieden zum Wahlsieg?

Lopez Obrador hat in seiner nun begonnen Vorwahlkampagne ganz neue Töne angeschlagen. Zum einen hat er dem Medienimperium Televisa Frieden angeboten und sich mit dem Unternehmerverband versöhnt. Beides waren wichtige Kontrahenten bei seiner Kandidatur 2006. In seinen Ansprachen bezieht er sich auf "drei fundamentale Werte einer liebenden Republik: Ehrlichkeit, Gerechtigkeit und Liebe". Die geistig-moralische Wende, die Lopez Obrador da fordert, mag sich merkwürdig anhören und insbesondere der dritte Begriff der "Liebe" ist auch unter sonst besonders loyalen Anhängern umstritten (und wird teilweise durch "Solidarität” ersetzt), aber es trifft durchaus den Nerv vieler Mexikaner – die den Terror des von Präsident Calderon ausgerufenen Drogenkriegs (Krieg gegen die Drogen in Mexiko gescheitert) mit seinen bis zu 50.000 Todesopfern in vier Jahren leid sind. Obrador verspricht als einziger Präsidentschaftskandidat klar und deutlich den Abzug des Militärs aus dem öffentlichen Raum zurück in die Kasernen.

Und obwohl die PRD in der wohl tiefsten Krise seit ihrer Gründung steckt, könnte es also sein, dass ihr Kandidat die kommenden Wahlen gewinnt. "Das wäre gut für Mexiko. Aber die PRD hat ihren Alleinvertretungsanspruch in der Linken verloren. Es haben sich neue Organisationen wie die OPT (Organización Política del Pueblo y los Trabajadores) gegründet, und auch die kommunistische Bewegung formiert sich neu und erlebt erstmals seit Jahrzehnten Zulauf. Die Wahlalternative ist vorhanden, wir sollten den Profipolitikern aber nicht den Aufbau der politischen Organisation überlassen. Das ist die neue Herausforderung für die soziale Linke in Mexiko", sagte Francisco Saucedo.

Die Linke in Mexiko stellt überdies die Frage, ob es nach den Erfahrungen von 1988 und 2006 denn überhaupt möglich ist, dass ein progressiver Kandidat die Wahlen in Mexiko gewinnen kann. Der Schriftsteller und politische Aktivist Paco Ignacio Taibo II beantwortet die Frage wie folgt: "Erstens müsste sie tatsächlich in der Stimmenzahl vorne liegen. Zweitens muss es eine Kraft geben, die das Ergebnis verteidigen kann. Drittens muss die Bourgeoisie davon überzeugt sein, dass ein erneuter Wahlbetrug das Land an den Rand eines Bürgerkrieges bringen würde. Wenn diese drei Situationen eintreten, können wir die Wahl tatsächlich gewinnen."