Mit Sprengstoff gefüllte Drucktöpfe sind Massenvernichtungswaffen

Das US-Justizministerium erhob Anklage gegen den schwer verletzten mutmaßlichen Boston-Attentäter

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Immerhin, die US-Regierung widersteht der unter George W. Bush nach 9/11 eingeführten Versuchung, dem überlebenden mutmaßlichen Boston-Attentäter zu einem "feindlichen Kämpfer" zu erklären. Das wurde von einigen Republikanern als Reflex gefordert, um das US-Rechtssystem durch eine Willkürjustiz für die ganz Bösen zu unterlaufen. Aber das Justizministerium griff in der Anklage möglichst hoch und beschuldigte ihn, Massenvernichtungswaffen in Form eines mit Sprengstoff gefüllten Drucktopfs verwendet zu haben.

Dschochar Zarnajew in seinem Versteck, aufgenommen mit einer Wärmebildkamera eines Polizeihubschraubers. Bild: Massachusetts State Police

Der 19jährige Dschochar Zarnajew, der schwer verletzt im Krankenhaus liegt, ist US-Bürger und hat daher auch Anspruch auf ein faires Verfahren in einem demokratischen Rechtsstaat. Allerdings hatte die Bush-Regierung es auch ermöglicht, US-amerikanische Staatsbürger als "feindliche Kämpfer" einzustufen und ihnen so ein ordentliches Gerichtsverfahren zu verweigern (USA: Im Krieg ist das Recht eingeschränkt). Und wenn US-Bürger sich im Ausland aufhalten und als Terroristen eingestuft werden, werden sie auch unter der Präsidentschaft von Obama zwar nicht mehr verschleppt und gefoltert, aber doch von Drohnen und ohne jedes Gerichtsverfahren exekutiert, wie dies 2011 Anwar al-Maliki und seinem Sohn 2011 in Jemen ergangen ist (Wir dürfen töten, wen wir für gefährlich halten).

Dschochar Zarnajew soll also nun in einem rechtsstaatlichen Gerichtsverfahren verurteilt werden. Ihm droht die Todesstrafe. Beschuldigt wird er, zusammen mit seinem toten Bruder Tamerlan die beiden Bomben, bezeichnet als Massenvernichtungswaffen, in Boston gelegt zu haben. Dabei sind 3 Menschen gestorben und mehr als 200 verletzt worden. Generalstaatsanwalt Eric Holder feierte die Leistungen der Sicherheitskräfte und der wachsamen Öffentlichkeit. Demonstriert worden sei, dass diejenigen, "die unschuldige Amerikaner angreifen und versuchen, unsere Städte zu terrorisieren, der Gerechtigkeit nicht entkommen". Für den Tod des MIT-Polizisten Sean Collier wird er (noch) nicht verantwortlich gemacht.

Nach Berichten hatte Dschochar mit Polizisten im Krankenhaus schriftlich kommuniziert, Holder wollte aber über die Inhalte nichts mitteilen. In der Anklage wird auf Bilder der Überwachungskameras hingewiesen, auf denen die beiden Brüder zu sehen seien. Dschochar habe seinen Rucksack abgestellt und sei dann ruhig nach der ersten Explosion davon gegangen. 10 Sekunden später sei die zweite Explosion dort erfolgt, wo er seinen Rucksack habe stehen lassen. Dann hätten die Beiden nach Veröffentlichung der Videobilder eine Person in einem Fahrzeug gekidnappt und seien schließlich in eine Schießerei mit den Sicherheitskräften in Watertown verwickelt worden, bei der Tamerlan starb. Der flüchtige Dschochar soll mit dem Auto seinen Bruder überfahren und sich dann verletzt in einem Boot versteckt haben. Mit Schusswunden im Kopf, Hals und in den Beinen wurde er festgenommen, seine Ausweise identifizierten ihn.

Ungeklärt ist weiterhin, ob die beiden Brüder alleine gehandelt haben. Tamerlan war bereits vom FBI wegen des Verdachts auf terroristische Verbindungen überprüft worden, aber man hatte nichts Verdächtiges finden können. Angeblich soll er sich auf einer Reise in Russland im letzten Jahr radikalisiert haben. Man vermutet, er habe tschetschenische Rebellen in Dagestan getroffen. Die Islamisten in Tschetschenien und Dagestan weisen allerdings jede Verbindung mit den Brüdern und dem Boston-Anschlag zurück und behaupten, das alles sei eine Verschwörung der amerikanischen und russischen Geheimdienste. Die Islamisten in Dagestan erklären, sie würden nicht gegen die USA, sondern gegen Russland kämpfen. Man würde zudem keine Zivilisten angreifen,