Mögliche Griechenland-Pleite sorgt für Panik
Die Börsen brechen erneut ein, weil nun niemand eine Griechenland-Pleite mehr ausschließen will
Wieder einmal muss festgestellt werden, dass es nicht schwierig war vorherzusagen, dass die "EU-Lösungen" zur Stabilisierung Griechenlands einen realen Schuldenschnitt nur verschieben können (Und die Milliarden an Griechenland fließen doch). Deshalb ist knapp zwei Monate nach der hektischen Diskussion um die die nötige Umschuldung, die über die Zusage einer Nothilfe 2.0 (eine neue getarnte Bankenrettung) vertagt wurde, die Debatte erneut auf dem Tisch. Der Zirkus ist wieder auf der Bühne, es wird offen über die Pleite des Landes und einen Ausschluss aus dem Euro diskutiert.
Schon im Juni hatte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble für heftige Reaktionen gesorgt, weil er die Möglichkeit in den Raum stellte, dass es in Griechenland zur "ersten ungeordneten Staatsinsolvenz innerhalb der Eurozone" kommen könne ("Erste ungeordnete Staatsinsolvenz innerhalb der Eurozone"). Nun wird ganz offensichtlich in der Bundesregierung das Szenario diskutiert. Der Spiegel hatte gemeldet, dass Schäuble bereits durchrechnen lässt, was eine Pleite Griechenlands zur Folge hätte. Es gäbe zwei Szenarien: "Griechenland bleibt Euro-Land - oder es muss zur Drachme zurückkehren."
Die Quasi-Bestätigung kam gestern aus der Regierungskoalition. Die gebeutelte FDP spricht ganz offen über eine "geordnete Insolvenz" als "letzte Konsequenz". Das meint jedenfalls der politisch nach den letzten Wahlen schwer angeschlagene Bundeswirtschaftsminister Philip Rösler. Es dürfe jedenfalls "keine Denkverbote mehr geben", sagte Rösler in der ARD. In den Tenor stimmt auch CSU-Chef Horst Seehofer ein, der sogar davon spricht, dass eine Insolvenz Griechenlands nicht nur möglich, wenn nicht sogar geboten sei. Seehofer geht, wie FDP-Generalsekretär Christian Lindner, sogar noch weiter und spricht davon, dass man nicht ausschließen könne, dass die Griechen aus der Euro-Zone ausscheiden müssten.
Die Debatte taucht jetzt wieder auf, weil sicher ist, dass Griechenland (wie erwartet) die Defizitvorgaben nicht erfüllen kann. Denn, so hatte Finanzminister Evangelos Venizelos erklärt, die Rezession wird noch tiefer als erwartet worden war. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) in diesem Jahr werde sogar mehr als 5% schrumpfen. "Die Rezession übertrifft alle Vorhersagen, auch die der Troika", hatte er erklärt. Bisher war die Troika aus EU, Europäischer Zentralbank (EZB) und Internationalem Währungsfonds (IWF) noch von einer um 3,8% sinkenden Wirtschaftsleistung ausgegangen.
Welche Strategie steht hinter der Sparpolitik?
Es kommt so, wie es die Kritiker des "verrückten" Sparkurses vorhergesagt haben. Dieser Kurs führt von der Rezession in die Depression und das haben die zu verantworten, die jetzt Griechenland ausschließen oder in die Pleite abschmieren lassen wollen. Und diese sinnentleerte Sparpolitik hat nun über den Umweg schon Deutschland und Frankreich erreicht. Die Wirtschaften der beiden großen Euroländer stagnieren, weil in allen Abnehmerländern der EU auf Geheiß von Paris und Berlin heftig gespart wird, um die "Märkte zu beruhigen".
Doch das will sich einfach nicht einstellen, weil man keine Riegel vorschiebt und der Spekulation weiter freien Lauf lässt. Frankreich und Deutschland zwingen nun anderen Ländern sogar auf, diese Sparpolitik auch noch in den Verfassungen zu verankern. Das hat Merkels treuer spanischer Schuster (Zapatero) mit Hilfe der Ultrakonservativen schon umgesetzt. Sogar Italien ist auf dem Weg dazu.
Die Regierung in Berlin scheint vollständig die Nordung verloren zu haben, wenn auch Regierungssprecher Seibert am Montag erklärte, neues Geld für Griechenland fließe nur, wenn sich Griechenland an die Sparvorgaben halte. Wie das Land diese Ziele angesichts der wirtschaftlichen Entwicklung umsetzen soll, kann weder Seibert, Lindner, Rösler oder Seehofer sagen. Denn Rezession bedeutet: steigende Sozialausgaben und fallende Steuereinnahmen. Die Kosten können durch neue Steuern oder weitere Sparprogramme, die längst an die Substanz gehen, aber nur noch teilweise aufgefangen werden. So drängt sich geradezu der Eindruck auf, dass die Koalitionsführer entweder von Ökonomie keinen blassen Schimmer haben oder eine eigene Agenda verfolgen, über die der Ausschluss von Griechenland real vorangetrieben wird. Einige Experten fordern das immer offener ("Parasitenmoral der griechischen Politikelite" und die "Pariser Machthaber" ).
Das würde bedeuten, dass, anders als Merkel, Seibert und Co. gebetsmühlenhaft erklären, nicht die Stabilisierung der Euro-Zone als Ganzes angestrebt wird. Dahinter könnte stehen, dass man nun in Berlin tatsächlich Griechenland loswerden will, weil man eingesehen hat, dass es ein Fehler war, das Land aufzunehmen. Der eingeschlagene Kurs ist aber gefährlich und bedeutet, dass eben auch Portugal, Irland und wohl auch Spanien über den Sparkurs auf Rezessions- und Depressionskurs geschickt werden. Will man also den Club-Med in Berlin komplett loswerden? Doch dazu gehört auch Italien, das längst nicht mehr sicher vor einer Pleite ist. Doch wird mit Spanien und Italien als dritt- und viergrößte Euroländer der Euro und Europa als Projekt einer großen Gefahr ausgesetzt.
Geht man davon aus, dass Berlin das nicht will, könnte es auch um eine kurzfristige Berliner Strategie zur Belebung der stockenden deutschen Exporte ins außereuropäische Ausland handeln. Versucht die Bundeskanzlerin also mit dem Vorgehen gezielt den Euro zu schwächen, um deutsche Produkte gegenüber einem schwachen Dollar zu verbilligen? Der Eindruck, dass es sich um die deutsche Variante desinternationalen Währungskriegs handeln könnte, ist nicht ganz von der Hand zu weisen. Schon im Fall Irlands konnte man derlei vermuten. Auch das wäre ein gefährliches Spiel, mit dem viel europäisches Geschirr zerschlagen wird. Klar ist, dass der Euro mit der Debatte weiter an Wert zum Dollar verloren hat.
Frankreich gerät ins Schlingern
Egal ob hinter dem Vorgehen die eine oder andere Strategie (oder keine) steht, machen die Turbulenzen in den letzten Wochen an den Börsen deutlich, dass angesichts der Rezessionsängste die Lage nun sehr gefährlich geworden ist. Und es trifft nach Italien nun im heißen Euro-Sommer auch immer heftiger Frankreich. Das Land war schon in den Strudel der Spekulation geraten, nachdem das Gerücht die Runde machte, nach den USA könnten auch die Gallier die Bestnote der Kreditwürdigkeit verlieren.
So trifft die derzeitige Debatte nun besonders hart die französischen Banken. Denn die hatten sich an die Abmachungen von einst gehalten, sich nicht aus Griechenland zurückzuziehen. Anders als deutsche Institute, die gegen die Übereinkunft ihr Engagement in Griechenland verringert haben, wären französische Banken, Versicherungen und Rentenfonds bei einer Pleite von Griechenland von einem kräftigen Schuldenschnitt besonders hart betroffen. So wundert es nicht, dass die Börse in Paris am Montag besonders heftig abgestürzt ist. Mit einem Verlust von etwa 4% stürzte sie fast doppelt so stark wie die Börse in Frankfurt. Doch die Erholung des Leitindex DAX war vor allem dem Gerücht geschuldet, dass es mit der Auszahlung der nächsten Griechenland-Tranche wohl doch nicht so schlecht stehe. Also eine Pleite nicht direkt schon im Oktober bevorstehe.
Aber die Titel französischer Banken gingen tief in den Keller, nachdem die Financial Times Deutschland (FTD) berichtet hatte, dass die Ratingagentur Moody's in den nächsten Tagen die Bonität der drei größten französischen Banken wegen ihres besonders starken Engagements in Griechenland herabstufen werde. Dabei haben die Aktien der BNP Paribas, Société Générale und Crédit Agricole schon zuvor heftig Federn gelassen, weil sie besonders viele Staatsanleihen Griechenlands und anderen Pleiteländern halten.
Die Aktien der Crédit Agricole haben seit Mitte Juli 55% an Wert verloren und bei der Société Générale waren es fast 65%. Auch die Aktien der bisher stabil geltende BNP Paribas gingen praktisch in den freien Fall über und verloren am Montag zeitweise 14% an Wert. Der Wert der Aktie hat sich etwa seit Juli halbiert. Der Marktwert der drei Großbanken sei seit Mitte Juli um rund 55 Prozent auf 55 Milliarden Euro gesunken, schreibt die FTD.
Es wird sogar darüber spekuliert, ob die Regierung zu einer teilweisen Verstaatlichung greifen wird. Auch wenn dies von Industrieminister Eric Besson dementiert wurde, kann es nicht ausgeschlossen werden. Ohnehin sagte Besson im Interview nur, dass ihm die Diskussion verfrüht erscheine. Die nicht gerade unabhängige Notenbank sekundierte und erklärte, die Banken selbst könnten auch sehr schwerwiegende Probleme in Griechenland verkraften. "Wie auch immer das griechische Szenario aussehen sollte, welche Maßnahmen auch immer ergriffen werden müssten, Frankreichs Banken haben Mittel, um dies zu bewältigen", heißt es in einer Mitteilung der Banque de France.
Dass es bei den drei Banken keinen Grund zur Sorge wegen Liquiditätsengpässen oder Solvenzproblemen gäbe, muss man nicht glauben. Die Finanzkrise hat gezeigt, dass solche Sätze zum Standardrepertoire gehören und sogar noch gesprochen oder geschrieben werden, wenn der Absturz schon absehbar ist. .