Nach Klopapier wird jetzt Zeitungspapier knapp
Toilettenpapier ist wieder in ausreichenden Mengen verfügbar. Dafür schlägt jetzt der Mangel an Zeitungspapier durch, was nicht zuletzt dem boomenden Online-Handel geschuldet ist
Welche Auswirkungen der Chipmangel auf die Produktion von Fahrzeugen hat, die inzwischen immer mehr Elektronik enthalten, hat sich inzwischen herumgesprochen. Was sich derzeit durchaus bedrohlich entwickelt, ist ein Mangel in der analogen Welt, die auf Papier nicht verzichten kann. Eine Folge des Mangels sind in der herrschenden Marktwirtschaft steigende Preise für Zeitungs- und Buchdruckpapier.
Papierproduzenten, die ihre Produktion leicht umstellen konnten, haben ihr Sortiment, als weniger Anzeigen geschaltet wurden und die Zeitungen in der Pandemie dünner wurden, von Papier auf Karton umgestellt und stehen aktuell bei einer Umstellung auf Papier vor dem Dilemma, dass jetzt das Altpapier fehlt, das für die Herstellung von Zeitungspapier benötigt wird. Altpapier kostet derzeit etwa 200 Euro pro Tonne und damit so viel wie nie zuvor. Es hat sich seit Jahresbeginn um 75 Prozent verteuert. Dazu kommt die Tatsache, dass zahlreiche Produzenten in Europa in den letzten Jahren den Betrieb eingestellt haben.
Seit 2016 wurden Kapazitäten in Höhe von 8,2 Millionen Tonnen abgebaut. Allein der schwedische Papierriese Stora Enso nahm in Finnland 2020 Kapazitäten von über einer Million Tonnen holzfreiem Papier vom Markt und will auch in nächster Zeit weitere Fabriken schließen oder auf Verpackungskartons umstellen. In Zeiten des boomenden Onlinehandels sind Verpackungskartons ein sicheres Geschäft, weil jedes online gekaufte Produkt eine Produkt- sowie eine Versandverpackung benötigt. Die Umstellung von Recyclingpapier auf Recyclingkarton ist inzwischen der große Trend.
Die Reduzierung des Umfangs von Zeitungen in der Corona-Krise, als die häufige Schließung des Einzelhandels zu einem drastischen Rückgang des Anzeigenvolumens führte, hat außerdem dazu geführt, dass Zeitungspapierfabriken, die nicht auf Kartonage umrüstbar waren aus dem Markt ausgeschieden sind. Bei Zeitungen, Werbeblättern und Büchern durfte sich in der Folge die Umstellung auf eine digitale papierlose Publikation wie ladenspezifische Apps beschleunigen. Wer sich da das haptische Gefühl des Umblätterns erhalten will, wird tiefer in die Tasche greifen müssen.
Die Nachfrage nach Zellstoff in China explodiert
Der Mangel an Altpapier ist zu Zeiten, in denen dieses als wichtigstes Rohmaterial für Druckpapiere benötigt wird, kaum zu beseitigen, wurde doch zu Beginn der Pandemie, als der Papierabsatz stockte, weniger Altpapier eingesammelt. Was dann mit dem Hausmüll verbrannt wurde, steht als Altpapier nicht mehr zur Verfügung.
Als weiteres Problem kommt nun noch dazu, dass die Auswirkungen der Pandemie in China deutlich schneller überwunden wurden als in vielen Industriestaaten und so kauft China inzwischen den Markt für Zellstoff leer. Der weltweit größte Wachstumsmarkt bevorzugt heute Frischfasern gegenüber Altpapier und deckt gerade seinen gestiegenen Eigenbedarf und saugt den Weltmarkt ab, da China eben höhere Preise für die benötigten Rohstoffe bezahlt. Beim Zellstoff, der außerhalb Europas produziert wird, kommt mit dem Containermangel noch ein weiteres Problem dazu. Die Preise für Schiffscontainer gehen inzwischen auch steil nach oben. Man spricht von einer Vervierfachung binnen Jahresfrist, was inzwischen die Europäische Kommission auf den Plan gerufen hat.
Die steigenden Papierkosten wirken sich auch auf die Lebensmittelpreise aus, wo Aufkleber und Etiketten binnen Kurzem gut 20 Prozent teurer wurden. Dauerhaft lässt sich das auch mit Einsparungen bei den Lebensmittelrohstoffen nicht ausgleichen, der Kunde wird es irgendwann feststellen, wenn das Etikett wertvoller ist als der Inhalt.
Online-Handel als Treiber der Umstellung auf Kartonagen
Der Erfolg des Online-Handels fördert die Nachfrage nach Verpackungen. Die Papier- und vor allem die Kartonindustrie produzieren unter Volllast. Man spricht überall von vollen Auftragsbüchern. Zudem gibt es in beiden Bereichen schon seit Jahren einen Strukturwandel. So sank das Produktionsvolumen von grafischem Papier seit 2010 um 40 Prozent auf gut sechs Millionen Tonnen, während Kartonagen um 20 Prozent auf heute zwölf Millionen Tonnen zulegten.
Zu Zeiten des vorwiegend stationären Handels gab es für ein Produkt eine Produktverpackung aus Karton und diese Einzelpackungen wurden dann meist auf einer Europalette gestapelt und mit Schrumpffolie gesichert auf den Weg zum Einzelhändler gebracht. Auch Bücher wurden nur in Folie eingeschweißt vom Barsortiment in Mehrwegboxen an den Buchhandel geliefert. Im Versand per DHL, Hermes oder einem der anderen Zusteller sind Mehrweg-Transportverpackungen auf dem Weg zum privaten Endkunden bislang noch keine Option.
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