Nato: Waffenlieferungen an die Ukraine ohne zeitliche Grenzen
Das transatlantische Verteidigungsbündnis setzt sich im Kriegsland fest. Geliefert werden hochmoderne Luftverteidigungssysteme. Damit wird eine nächste Stufe nach der Eskalation durch die russischen Großangriffe eingeleitet. Wann ist die Nato Kriegspartei?
Washington setzt den Waffenlieferungen an die Ukraine keine zeitlichen Grenzen. US-Verteidigungsminister Lloyd J. Austin III erklärte, dass man sich in dem ohne festes Ende, "open-ended" verpflichtet fühle. Das ist eine klare Ansage, vielleicht die klarste zum Umfang der Unterstützung aus den USA für die Ukraine seit Beginn des Krieges, so die New York Times.
Im Hauptquartier der Nato in Brüssel findet die Ansage großen Anklang. Was die Verteidigungsministerinnen und Verteidigungsminister gestern beim Treffen im Ramstein-Format und heute beim "Nato Defense Ministerial" wie auch Nato-Generalsekretär Stoltenberg nach außen verlautbarten, eröffnet eine neue Dimension der Nato-Hilfe für den angegriffenen Partner.
Kriegspartei?
Das atlantische Verteidigungsbündnis setzt sich in der Ukraine fest. Was übrigens das Gegenteil dessen ist, was die russische Führung mit den Dezember-Briefen an die USA und an die Nato erreichen wollte. Die westliche Waffenhilfe, die, wie nun beteuert wird, ohne Fristsetzung geschieht, bestimmt den Kriegsverlauf auf eine entscheidende Weise mit.
Dem Boden, worauf die Behauptung steht, die Nato sei keine Kriegspartei, geht es wie Gletschern in der Klimaerhitzung. Er wird stetig dünner, je mehr der Krieg eskaliert. Auch wenn das manche nicht wahrhaben wollen.
Eskalation folgt auf Eskalation
Auf die Eskalation der russischen Armee am Wochenanfang, dem Großangriff auf die kritische Infrastruktur ukrainischer Städte und Gebiete, bei dem Zivilisten ums Leben kamen und das zivile Leben schwer geschädigt wurde, folgt eine Ausweitung der Unterstützung der Ukraine. Russlands Eskalation war eine Reaktion auf einen Angriff auf die Krim-Brücke.
Die Vergeltungsschläge, die der Explosion auf der symbolisch und strategisch wichtigen Verbindung zur Krim mit einer ganz anderen Menge Explosionen, mit einer ganz anderen Wucht antworteten, kamen nicht unerwartet. Putin hatte damit gedroht.
Als Antwort auf Putins Eskalation versprechen die Nato-Mitglieder nun die Lieferung von Waffen, die militärtechnisch ein hohes Niveau haben, insbesondere die Flugabwehr-Waffen (siehe unten). Das sind Verteidigungswaffen zur Abwehr von russischen Raketen- und Drohnenangriffen (Ergänzung: Manche der vom Westen gelieferten Waffen lassen sich aber sehr wohl für Offensivaktionen verwenden).
Das Risiko liegt in der Eskalationsdominanz aufseiten Russlands. Wie werden Putin und seine Generalität darauf reagieren, wenn die Ukraine nicht zuletzt mithilfe dieser Aufrüstung die russische Armee noch weiter in Bedrängnis bringt?
Ich erwarte, dass die Ukraine während des Winters weiterhin alles tun wird, um ihr Territorium zurückzuerobern und auf dem Schlachtfeld effektiv zu sein, und wir werden alles tun, was wir können, um sicherzustellen, dass sie über die notwendigen Mittel verfügt, um effektiv zu sein.
Lloyd J. Austin III, US-Verteidigungsminister
Der Verteidigungsminister hatte schon vor längerer Zeit verdeutlicht, dass er ein wichtiges Ziel im Ukraine-Krieg darin sieht, Russland zu schwächen. Wie aus dem New York Times-Artikel hervorgeht, aus dem das obige Zitat stammt, läuft die gegenwärtige Waffenhilfe auf eine Umstellung hinaus, die Installation der Nato in der Ukraine verfestigt.
Die Waffenwunschliste aus Kiew bedeute eine Umstellung "auf westliche Luftabwehrsysteme, gepanzerte Mannschaftstransporter und Munition für diese Fahrzeuge" sowie den Umstieg auf westliche Panzer und Schützenpanzer.
Ein solcher Schritt würde den ukrainischen Truppen eine weitaus größere Menge an Munition und Ersatzteilen aus den Vereinigten Staaten und den Beständen der Nato-Länder zur Verfügung stellen, als Kiew derzeit für seine Waffen und Fahrzeuge aus der Sowjetzeit beschaffen kann. Diese müssen in vergleichsweise geringen Mengen aus den Dutzenden von Ländern beschafft werden, die noch über russische Waffen verfügen.
New York Times
General Milley, derzeit auch im Nato-Hauptquartier, plädiert laut NYT dafür, dass die Nato-Länder die Ukraine mit einer "integrierten Luftverteidigungskapazität" ausstatten. Aufgezählt werden von ihm: "schultergestützte Raketen für Ziele mit kurzer Reichweite und geringer Höhe, Waffen wie die ‚Improved Hawk‘-Rakete, die in der Lage ist, feindliche Kampfflugzeuge in größerer Entfernung und etwas größerer Höhe zu bekämpfen, und Raketen auf dem technischen Stand, dass sie Ziele in großer Entfernung und großer Höhe abschießen können" (NYT).
Eine neue Ära der Luftabwehr
Es beginne eine neue Ära der Luftabwehr, so der ukrainische Verteidigungsminister Oleksij Resnikow erfreut. Er erwähnt das deutsche Luftverteidigungssystem IRIS-T SLM (Infra Red Imaging System Tail Surface Launched Medium Range), von dem bereits eins in die Ukraine geliefert und übergeben wurde. Drei weitere sollen folgen.
Das "neu entwickelte hochmodernes Luftverteidigungssystem kann anfliegende Raketen in bis zu 20 Kilometern Höhe und auf eine Entfernung von bis zu 40 Kilometer abwehren", wie es das Bundesverteidigungsministerium beschreibt.
Bei den Fachleuten im Blog Augen geradeaus! wird präzisiert, dass das System vom Hersteller Diehl aus einem "Feuerleitstand, 360° Multifunktionsradar Radar CEAFAR (vom australischen Rüstungskonzern CEA) und drei Startgeräten für die IRIS-T SLM Lenkflugkörper (LFK)" besteht. Die dafür benötigte Schulung habe beim Hersteller Diehl stattgefunden.
Die Lenkflugkörper könnten mit einem zusätzlichen Booster für größere Reichweite ausgestattet werden, was sie mit den Flugabwehrraketen Amraam vergleichbar mache, die Großbritannien der Ukraine versprochen hat. Die USA wollen acht dazugehörige moderne Flugabwehrsysteme Nasams (National Advanced Surface-to-Air Missile Systems) liefern, zwei sollen bald kommen, sechs "später".
Das größte Geheimnis über seine Waffenlieferungen in die Ukraine macht Frankreich, berichtet der Figaro. Man wisse, dass CAESAR-Artillerie geliefert wurde und wie auch Milan- und Mistral-Raketen sowie gepanzerte Frontfahrzeuge, Panzerabwehrminen und verschiedene Schutzausrüstungen. Aber nicht in welchem Umfang. Klar sei nur, dass die Regierung aktuell ebenfalls eine verstärkte Hilfe in Aussicht gestellt habe.