Neue Farbrevolution? Unruhen in Bangladesch weiten sich aus

Soldaten in den Straßen von Dhaka

20. Juli 2024, Soldaten in den Straßen von Dhaka. Foto: nazmulislam41633, Shutterstock

Proteste in Bangladesch fordern Regierung heraus. Über 150 Tote, 10.000 Verhaftete. USA üben Druck aus. Droht dem Land eine von außen gesteuerte Farbrevolution?

Weitreichende Proteste erschüttern Bangladesch noch immer und stellen die Regierung von Premierministerin Scheich Hasina Wajed vor die größte Herausforderung ihrer 15-jährigen Amtszeit. Die Wut der Öffentlichkeit ist nach wie vor ungebrochen, und viele wollen die Regierung für die zahllosen Menschenrechtsverletzungen der letzten Wochen ‒ und Jahre ‒ zur Rechenschaft zu ziehen.

Dabei geht es schon längst um weit mehr als die Quotenregelungen für den öffentlichen Dienst. Dabei werden die Nachkommen von Freiheitskämpfern aus dem 1971er-Unabhängigkeitskrieg gegen Pakistan in gewissem Maße bevorzugt, was den Anhängern der regierenden Awami-Liga zugutekommt, da diese führend am Kampf gegen Islamabad beteiligt waren.

Angesichts der brutalen Unterdrückung des Protests ‒ laut Asia Times "die Art von Unterdrückung, die das Potenzial hat, einen Regimewechsel auszulösen" ‒ schwindet die Popularität der Regierung zusehends. Schon entwickelt die Demonstranten Strategien für eine "Bewegung der Nicht-Zusammenarbeit".

Mit harter Hand

Innenpolitisch regiert Hasina weiter mit harter Hand. Sie lässt Proteste niederknüppeln, hat inzwischen mehr als 10.000 Menschen verhaften lassen und jetzt auch ein Verbot gegen Jamaat-e-Islami, die größte islamistische Partei Bangladeschs verhängt.

Die regierende Awami-League hat den Widerstand ganz richtig als existenzielle Bedrohung erkannt und wirft der Protestbewegung vor, dass es ihr nicht mehr um Quotenregelungen gehe, sondern darum, die Regierung zu stürzen.

Existenzielle Bedrohung für die Awami League

Da kann es nicht verwundern, dass die Geschehnisse Aufmerksamkeit im Ausland erregen. So haben sich jetzt US-Senatoren und Mitglieder des Repräsentantenhauses aus beiden Parteien an das Weiße Haus gewandt und unter anderem gefordert:

Die Regierung von Bangladesch hat Maßnahmen ergriffen, die den demokratischen Prozess untergraben, u.a. durch die Abhaltung von Wahlen im Januar, die mit schweren Mängeln behaftet waren. (…) Die Vereinigten Staaten müssen (…) Maßnahmen ergreifen, um mitschuldige Regierungsvertreter für die oben genannten Übergriffe auf das bangladeschische Volk zur Rechenschaft zu ziehen. (…) Außerdem müssen die Vereinigten Staaten mit der internationalen Gemeinschaft zusammenarbeiten, um das Recht des Volkes von Bangladesch auf eine repräsentative demokratische Regierung zu unterstützen.

Das ist eine ziemlich deutliche Sprache, die der Regierung in Dhaka wohl auch Angst einjagen soll. Tatsächlich reichen Vorwürfe von Hasina gegen ausländische Kräfte wegen Einmischung in die inneren Angelegenheiten des südasiatischen Landes aber schon weit über ein Jahr zurück.

Vorwürfe an die USA

Im April 2023 hatte Hasina die USA bezichtigt einen Regierungswechsel in Dhaka anzustreben. Nach Sanktionen gegen eine paramilitärische Eliteeinheit und Treffen des US-Botschafters für Bangladesch mit Opfern von Menschenrechtsverletzungen war diese Aussage aber leicht als Retourkutsche zu identifizieren.

Sie [die USA] haben die Macht, die Regierung in jedem Land zu stürzen, und insbesondere die muslimischen Länder machen eine schwere Zeit durch.

Premierministerin Scheich Hasina Wajed

Im Juli 2023 vereinbarten Indien und Bangladesch dann, im Handel untereinander auf den US-Dollar zu verzichten und stattdessen indische Rupien zu nutzen. Der Chef der Zentralbank von Bangladesch, Abdur Rouf Talukder, bezeichnete das Abkommen seinerzeit als "ersten Schritt auf einer großen Reise".

Zu diesem Zeitpunkt beliefen sich die Ausfuhren von Bangladesch nach Indien auf zwei Mrd. US-Dollar, während umgekehrt die Einfuhren bereits stolze 13,69 Mrd. US-Dollar betrugen.

US-Sanktionen

Ende August 2023 schließlich verhängten die USA Visarestriktionen gegen alle, die Washington für schuldig hält, freie und faire Wahlen in Bangladesch zu behindern. Das sorgte auch in Delhi für Proteste, weil dort befürchtet wird, dass Bangladesch aufgrund von US-Sanktionen noch größere Nähe zu China suchen werde – wie heute schon Myanmar.

Der Zwist zwischen Washington und Dhaka ist keineswegs beigelegt. Kürzlich legte Hasina nach und behauptete auf einem Kongress der Awami League im Mai 2024, eine "fremde Macht" wolle aus Teilen Bangladeschs und Myanmars einen neuen Staat formen. Der solle dann ‒ nach dem Vorbild Ost-Timors ‒ von christlich missionierten Bergvölkern der Region dominiert werden.

Zudem berichtete sie, dass ihr ein ungestörter Ablauf der Wahlen zugesichert worden seien, wenn sie einem Luftwaffenstützpunkt der fremden Macht in Bangladesch zustimme. Das Angebot sei "von einem weißen Mann" gekommen.

Das Angebot des weißen Mannes

Die Glaubwürdigkeit von Hasinas Aussagen ist zwar durchaus zweifelhaft. Doch könnten sie noch zu einer selbsterfüllenden Prophezeiung mit unabsehbaren Konsequenzen für die gesamte Region geraten.

Denn inzwischen geht die Protestbewegung längst aufs Ganze und hat eine Liste von 15 Punkten zusammengestellt, die sich an verschiedenste gesellschaftliche Gruppen wenden. Darin wird zu Arbeitsniederlegungen und zu Bildungs- und Steuerzahlerstreiks aufgerufen. Im Ausland lebende Landsleute werden aufgefordert, keine Rücküberweisungen nach Bangladesch mehr zu tätigen.

Eine Farbenrevolution ist also nicht mehr auszuschließen.

Und weil Indien seine strategische Unabhängigkeit wahrt, Pakistan und Sri Lanka sogar gute Beziehungen zu China pflegen, käme den USA ein Ankerpunkt in Südasien ganz gelegen ‒ auch und gerade in der Nähe zu Myanmar.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

Mit Ihrer Zustimmmung wird hier eine externe Buchempfehlung (Amazon Affiliates) geladen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen (Amazon Affiliates) übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.