Nordsyrien: Die Zukunft der Kurden nach dem Fall von Rakka
Seite 4: Die US-Ambitionen in Syrien und Irak
- Nordsyrien: Die Zukunft der Kurden nach dem Fall von Rakka
- Kurden sind politisch keine homogene Gruppe
- Türkische Pläne
- Die US-Ambitionen in Syrien und Irak
- Was hat Russland im Sinn?
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Die amerikanische Unterstützung der SDF mit Waffen für den Kampf um Rakka ist, wie schon erwähnt, ein rein strategisches, militärisches Kalkül. Es ist nicht zu erwarten, dass die Regierung Trump ihr Engagement auf eine politische Ebene heben wird mit dem Ziel, die Föderation in Nordsyrien formal anzuerkennen. Trump geht es einzig darum, Erfolge gegen den IS vorzuweisen, um innenpolitisch zu punkten. Eine friedliche Lösung der Kurdenfrage in der Region ist für ihn kein Thema.
Vermutlich hat es in den Gesprächen zwischen Erdogan und ihm den Deal gegeben, gemeinsam gegen die auch in den USA als Terrororganisation gelistete PKK vorzugehen, um den türkischen Präsidenten nicht mit leeren Händen nach Hause zu schicken. Denkbar ist, dass sie grünes Licht gegeben haben, dass die Türkei ihre Operationen gegen die PKK im Irak fortführen kann. Dazu passen die Meldungen über die Truppenbewegungen an der türkisch-syrisch-irakischen Grenze.
Dazu passt auch, dass sich Mesrur Barzani zeitgleich in Washington aufhielt. Europäische Medien maßen diesem Detail keine Beachtung bei, dabei könnte dies für die Zukunft der kurdischen Frage von Bedeutung sein. Erdogan und Barzani haben das ezidische Siedlungsgebiet Shengal/Irak im Auge. Beide wollen nicht hinnehmen, dass große Teile der Eziden sich nicht unter die Obhut der kurdischen Regionalregierung (KRG) begeben wollen, sondern einen eigenen Kanton nach dem Beispiel von Rojava, bzw. eine eigene christlich-ezidische Provinz Ninive unter irakischer Flagge anstreben.
Erdogan will dies nicht, weil er noch immer den neo-osmanischen Plan verfolgt, die "Neue Türkei" bis nach Kirkuk auszuweiten, Barzani will das nicht, weil er das Shengal-Gebiet, bzw. die Ninive-Ebene in das kurdische Autonomiegebiet einverleiben will. Beide haben die Vertreibung der PKK mit den HPG-Truppen, sowie den ezidischen Selbstverteidigungseinheiten YBŞ im Nordirak gemeinsam auf der Agenda.
Am 24. April gab es Luftangriffe seitens der türkischen Armee im Nordirak nahe der Region Shengal. Daraufhin fanden zwischen der irakischen Zentralregierung und den USA Gespräche mit dem Ziel statt, einen Krieg im Shengal zu verhindern. Im Gespräch zwischen Erdogan und Barzani in den USA am gleichen Tag könnte einen Deal ausgetüftelt worden sein, wie sie das Shengal-Gebiet doch noch unter ihre Kontrolle bekommen.
Schon im Vorfeld der Gespräche stellte der State Department-Sprecher für europäische Angelegenheiten, Jonathan Cohen klar "Wir haben der YPG nichts versprochen. Sie sind bei diesem Kampf dabei, weil sie dabei sein wollen." An die türkische Adresse gerichtet, bestand er auf den Unterschied von PKK und YPG: "Ich glaube nicht, dass das, was wir mit der YPG machen, irgendetwas mit den türkischen Kurden zu tun hat. Man kann das PKK-Problem nicht lösen, wenn man die YPG in Syrien zum Verschwinden bringt."
Wie kürzlich berichtet wurde, wurde die Unterstützung der SDF bei der Rakka-Offensive offenbar monatelang durch den Ex-Sicherheitsberater Michael Flynn verzögert, der bei der türkischen Regierung auf der Gehaltsliste stand.
Trotz der Differenzen zwischen der Türkei und den USA bemühen sich die USA um Schadensbegrenzung mit dem NATO-Partner Türkei: Auf einer Pressekonferenz des Pentagon am 19. Mai berichtete der Sonderbeauftragte Brett McGurk nach seiner Rückkehr von Gesprächen in Nordsyrien, Irak und Jordanien, dass die USA sich mit der Türkei abgesprochen habe und man völlig koordiniert vorgehen werde, insbesondere in der Phase nach der Eroberung von Rakka.
Der Co-Vorsitzende der führenden Partei PYD in der nordsyrischen Föderation, Salih Muslim ist sich dagegen sicher, dass es auch nach der Befreiung Rakkas einer engen Zusammenarbeit mit den USA bedarf, da die Gefahr, die vom IS ausgeht, auch dann nicht gebannt sei. Muslim, dem seit zwei Monaten ein Visum in die Staaten verwehrt wird, beteiligte sich über Skype aus Brüssel an einer Konferenz des kurdischen Forschungszentrums in Washington D.C. Bis jetzt hätten die USA nicht offiziell mitgeteilt, dass die Zusammenarbeit nach dem Fall von Rakka beendet sei. Das Gegenteil sei der Fall, die Beziehung entwickle sich vor Ort immer tiefer und intensiver. Es bleibt also spannend, was sich die USA für die Post-Rakka-Phase noch alles einfallen lassen.
Trumps Reise nach Saudi-Arabien, von der er mit gefüllten Geschäftsbüchern zurückkehrte, dürfte auch Einfluss auf die künftige Syrien- und Irak-Politik der USA haben und könnte die Hoffnung Muslims schnell zunichte machen. Denn der 380-Milliarden Dollar Deal mit dem wahabitisch-saudischen König Salman führt zur Stärkung des islamistisch-sunnitischen Islams - Erdogan dürfte zufrieden sein. Trump und Salman vereinbarten die Gründung einer 34.000 Mann starken Armee als Antiterror-Truppe zur Entsendung nach Syrien und Irak, "Islamische Militärkoalition" genannt.
Dabei weiß auch Trump, wie seine Vorgängerregierungen seit Jahren, dass Organisationen wie Al-Qaida oder die Taliban von Saudi Arabien, Kuwait, Katar und den Vereinigten Arabischen Emiraten finanziert werden. Noch am 17. Februar 2016 sagte Trump im Programm Fox and Friends im Sender Fox News: "Wer hat die World Trade Center in die Luft gesprengt? Nicht die Irakis, sondern die Saudis..."
Dass er durch die Ausspielung des sunnitischen Islams gegen den schiitischen Islam einen Krieg Saudi-Arabiens gegen den Iran provoziert und den Hauptfinanzier des Islamischen Staates hofiert, scheint er angesichts der zu erwartenden Dollarschwemme für die Staaten vergessen zu haben.