Ölpreis purzelt mit beendeten Iran-Sanktionen

Seite 2: Der Ölpreis und das Fracking in den USA

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Aber das Fracking in den USA wurde massiv ausgeweitet, als der Ölpreis vor der Finanzkrise auf über 140 Dollar angestiegen war, was der dortigen Wirtschaft schwer zu schaffen machte und zudem den Rivalen viel Geld in die Kassen spülte (Ölpreis auf Rekordstand). Aber über diese hohen Preise wurde eben auch das Fracking besonders lukrativ. Mit der weltweiten Krise ab 2008 gingen die Preise dann zwar in den Keller, doch sie wurden ausgerechnet dann von der OPEC stabilisiert. Die Organisation erdölexportierender Länder (OPEC) senkte die Förderung im Januar 2009 um 2,2 Millionen Barrel täglich. Die Rezession, in die viele Industrieländer abrutschten, hatte zuvor den Ölpreis bis auf die Marke von 60 Dollar einbrechen lassen (Opec senkt die Ölfördermenge drastisch). Somit sorgte die von den Saudis bestimmte OPEC dafür, dass das Fracking nicht sofort wieder abgewürgt wurde. Denn zu diesem Zeitpunkt konnte nicht gewinnbringend zu diesen Preisen gefrackt werden.

Diese unkonventionelle Methode wurde auch durch die Geldschwemme und die Nullzinspolitik der US-Notenbank FED enorm gefördert. Geld stand seit Ausbruch der Krise in Unmassen und billig zur Verfügung. Und so wurde eine enorme Blase im Energiebereich aufgeblasen. Das war ein Teil der US-Strategie, um der Rezession zu begegnen. So entwickelte sich der Energiesektor zu einem der wesentlichen Wachstumsfaktoren in den USA. Das Land stieg derweil zum größten Öl- und Gasproduzenten auf, der 2014 Saudi-Arabien den Spitzenplatz raubte (Platzt angesichts des Ölpreissturzes nun die Fracking-Blase in den USA?).

Darüber waren die Scheichs alles andere als erfreut. Daher wird verständlich, warum die Saudis nicht zu weiteren Kürzungen der Fördermengen bereit waren, weil das nur zur weiteren Stützung der Fracking-Industrie und zum Verlust eigener Marktanteile geführt hätte. Statt Kooperation muss also eher von einer Konkurrenz ausgegangen werden. Deshalb wurde weder Ende 2014 noch Ende 2015 eine Drosselung auf der OPEC-Jahrestagung beschlossen.

Ölkrieg gegen Teheran?

Zuletzt wurde die neue Theorie gesponnen, dass die Saudis angeblich mit einer Flutung der Ölmärkte "die iranischen Aspirationen im Keim ersticken" wollten. Das entbehrt wohl jeder Grundlage. Wie schon aufgezeigt, haben die Saudis ihre Fördermenge, anders als die USA, nicht ausgeweitet. Trotz allem wurde gerade behauptet, das Land flute seit einem Jahr "den Markt regelrecht mit Erdöl."

Natürlich bereitet es den Saudis Bauchschmerzen, dass die Schiiten als Regionalmacht zurückkehren. Das mag einer der Gründe sein, warum die Förderung der OPEC trotz der extrem niedrigen Preise im Dezember nicht gedrosselt hat. Es kann aber keinesfalls davon gesprochen werden, die Saudis deshalb den Ölmarkt fluteten, um die Einnahmen Irans gering zu halten. Sie gehören sogar zu den Ländern, die am schärfsten unter den niedrigen Preisen leiden, denn ihre Wirtschaft hängt zu bis 90% vom Ölgeschäft ab. Von einem deutlichen Überschuss von etwa 6,5% im Haushalt 2014 ist dort nun keine Rede mehr. 2015 gab es ein deutliches Defizit von etwa 100 Milliarden Euro, das bis zu 21% der Wirtschaftsleistung ausmachen könnte. Der Staat denkt sogar darüber nach, den Ölkonzern Aramco (der vor der ersten Ölkrise 1973 privat war) jetzt wieder zu privatisieren, um an Einnahmen zu kommen.

Folgen für Russland

Neben den USA war dagegen eine weitere Großmacht daran beteiligt, dass inzwischen eine Überproduktion von knapp zwei Millionen Barrel auf dem Weltmarkt vorhanden ist. In einigen Ländern wurde zwischenzeitlich die Ölproduktion ausgeweitet, während sie die OPEC stabil hielt. Damit versuchten die, einbrechende Einnahmen aus dem Ölgeschäft über eine höhere Produktion zu kompensieren. Und zu diesen Ländern gehört auch Russland, dessen Ölproduktion im vergangenen Sommer einen neuen Rekordwert erreicht hat (Russische Ölförderung erreicht Spitzenwert).

War es also ausgerechnet Russland, das nach Lesart von Maduro den Ölkrieg gegen Venezuela und gegen seine eigenen Interessen verschärft hat? Oder sind es nicht doch vielleicht ganz andere Mechanismen, die hier wirksam werden? Sieht sich Russland angesichts der massiven Rezession und der Probleme im Land nicht vielmehr gezwungen, das eigene Öl zu verramschen und immer billiger auf den Markt zu werfen, weil es an anderen Einnahmequellen mangelt? Ist das nicht ein Dilemma, vor dem viele erdölproduzierende Länder stehen, wie auch Venezuela, das gerade den "Notstand" ausgerufen hat? Und hat das alles nicht damit zu tun, dass es den Ländern nicht gelungen ist, ihre Wirtschaft zu diversifizieren?

Klar ist, dass Russland längst händeringend nach neuen Einnahmequellen sucht. Deshalb sollen auch dort nun Anteile des staatlichen Ölkonzerns Rosneft versilbert werden. "Wir müssen nun eine Entscheidung treffen, woher wir das Geld nehmen", sagte Finanzminister Anton Siluanow am Samstag mit Blick auf das enorme Defizit im Haushalt: "Wir müssen den Staatshaushalt mit neuen Realitäten und schrumpfenden Mitteln konstruieren." Die Wirtschaft des Landes dürfte 2015 um knapp 4% geschrumpft sein. Offiziell geht Moskau zwar noch davon aus, dass die Wirtschaft im laufenden Jahr um 0,7% wachsen soll, doch dagegen sprachen schon Äußerungen von Ministerpräsident Dmitri Medwedew. Der hatte am vergangenen Mittwoch erklärt, das Land müsse sich wirtschaftlich auf das Schlimmste vorbereiten.

Es gibt schon Berichte, wonach die Regierung angesichts des Ölpreisverfalls real davon ausgeht, dass 2016 die Rezession anhält, weil das Bruttoinlandsprodukt (BIP) um weitere 0,8% schrumpfen soll. Aus einer entsprechenden Prognose des Wirtschaftsministeriums hat die Nachrichtenagentur Reuters zitiert und zwei hochrangige Regierungsmitarbeiter sollen die Echtheit des Dokumentes bestätigt haben. Glaubhaft ist das allemal, da auch Finanzminister Siluanow meint, einen ausgeglichenen Haushalt könne es nur bei einem Ölpreis von 82 Dollar geben. Klar ist auch, dass die bisherigen Wachstumsprognosen der stark vom Öl abhängigen Wirtschaft von einem Ölpreis bei 50 Dollar gemacht wurden. Das nun berechnete Minus von 0,8% basiere auf einem Preis von 40 Dollar. Also kann die Rezession noch deutlich heftiger ausfallen, da der Ölpreis sich schon bei 30 Dollar bewegt. Vieles spricht dafür, dass er zunächst sogar noch weiter in die Knie gehen wird.