Ohne Bodenreform keine Agrarwende: Warum man sich von Illusionen lösen muss

Seite 2: Gezerre in einem kommerzialisierten Agrarsystem

Vielleicht wird das Bundesverfassungsgericht tatsächlich zu derselben Einschätzung kommen und die Agrarstrukturgesetze kassieren. Das Vorhaben berührt zentrale Rechtsgüter in Deutschland und der Europäischen Union: die Vertrags-, Niederlassungs- und Kapitalverkehrsfreiheit und die freie Verfügung über das Eigentum. Allerdings stellt sich die Frage, ob eine Agrarreform überhaupt gelingen kann, wenn sie Eigentum und Kapital nicht berühren darf?

Auf die Gerichte sollten sich die Befürworter einer Agrarwende jedenfalls nicht verlassen. Das Problem besteht darin, dass die geplanten Gesetze eine bestimmte Käufergruppe diskriminieren, was natürlich begründungsbedürftig ist. Allein rechtssicher zu definieren, wer zu den (erwünschten) Landwirten zählen darf und wer als (unerwünschter) Investor gilt, ist schwierig.

In der Debatte ist oft die Rede von "landwirtschaftsfremden" Käufern oder "Nichtlandwirten". Aber das Leitbild eines "familiengeführten Betriebs" taugt längst nicht mehr, schon gar nicht in Ostdeutschland, wo der durchschnittliche Betrieb 224 Hektar groß ist.

Warum, fragen neoliberale Agrarökonomen nicht ganz zu Unrecht, sollen ausgerechnet in der Landwirtschaft Eigentum und Besitz in einer Hand liegen, wenn das in anderen Branchen auch nicht der Fall ist?

Welche Rolle die Investoren in der Praxis spielen, ist umstritten. Jan Brunner, Geschäftsführer des Vereins Arbeitsgemeinschaft kleinbäuerliche Landwirtschaft (ABL) Mitteldeutschland, hält ihre Geschäftsmodelle für besonders rabiat. Sie seien "gewinnorientierter", würden sich stärker auf bestimmte Produkte spezialisieren und teilweise auf eine weitere Steigerung der Bodenpreise spekulieren.

Anders schätzt es das Thünen-Institut ein:

Bei genauerer Betrachtung unterscheiden sich die Produktionsmodelle der überregionalen Agri-Holdings und der meisten lokalen Holdings, aber auch der Familienbetriebe kaum.

Die Holdings orientieren sich bei der Bewirtschaftung offenbar eher am maximalen Ertrag. Ob sie in Biomasse, Photovoltaik oder Kartoffeln machen, ist ihnen tendenziell gleichgültiger. Aber auch auf die Handvoll bäuerlicher Familienbetriebe, die es noch gibt, wirken die gleichen Marktkräfte wie auf Agrarunternehmen.

Das Narrativ, wonach Investoren über eine ländliche Idylle herfallen, verzerrt die Wirklichkeit. Es verharmlost die Verhältnisse im kommerzialisierten Agrarsystem. Lohnarbeit spielt bei allen Betriebsformen eine wachsende Rolle (in Gestalt hoch qualifizierter Auftragnehmer und weniger qualifizierter, meist migrantischer Erntearbeit).

Begleitet vom Mantra "Wachsen oder Weichen" wurden aus Bauern Agrarunternehmer. Viele führen mittelständische Unternehmen, um konkurrenzfähig zu sein. Manche Bauern haben sich gegen die politisch gewollte Spezialisierung und Konzentration gesperrt, andere vorgedrängelt, die meisten den Beruf gewechselt. Es gibt die kleinbäuerlichen Familienbeitriebe nicht mehr, die die breite Bevölkerung versorgen könnten.

Dies spricht natürlich nicht gegen Bodenpreisbremsen, um die Grundrenten zu senken. Aus sozialer und ökologischer Perspektive hat sie verheerende Folgen. Gesine Langlotz, eine Sprecherin der AbL Mitteldeutschland, formuliert es so:

Dieser Preis wird durch Übernutzung, Verschmutzung oder die Ausbeutung von Arbeitskräften an die Umwelt sowie an die osteuropäischen Saisonarbeiterin weitergereicht.

Der wachsende Anteil der Grundrente in der Landwirtschaft ist insofern nicht produktiv, sondern destruktiv. Er spannt die Erzeuger noch fester ein in das Laufrad der Rationalisierung und (Selbst-)Ausbeutung.

Politische Blockaden

Die geplanten Agrarstrukturgesetze werden an den Verhältnissen in der Landwirtschaft allerdings kaum etwas ändern. Die geplanten Änderungen sind nicht gerade unbedeutend, aber sicher auch nicht durchgreifend.

Die Bodenpreisbremse beispielsweise würde den erlaubten Anstieg auf 20 Prozent über dem aktuellen Verkehrswert festsetzen. Sie sind, bildlich gesprochen, ein Pflaster auf eine klaffende Wunde. Die Folgen der jahrzehntelangen Marktliberalisierungen sollen zurückgedrängt, etwas abgemildert werden, aber ohne einen Marktakteur zu verprellen.

Die AbL hat unterdessen eine Kampagne für "Gemeinwohl-Verpachtung" gestartet. Die Verpächter sollen soziale und ökologische Kriterien anlegen, wenn sie ihr Land überlassen.

In einem Interview erklärt Gesine Langlotz von der AbL die Idee:

Wenn etwa ein bestehender Pachtvertrag endet, sollte es transparente Bewerbungsverfahren geben. (…) Wer das Konzept mit den meisten Gemeinwohlpunkten vorlegt, bekommt den Pachtvertrag. Bewertet werden etwa Biodiversität und Klimaschutz, Arbeitsplätze pro Hektar, Tierwohl oder Direktvermarktung.

Der Kampagne ist es gelungen, die Evangelische Kirche Mitteldeutschland und die Diözese Münster von der Idee zu überzeugen. Auch Thüringen wird die landeseigenen Flächen in Zukunft gezielter verpachten, wobei Kriterien wie Direktvermarktung, die Zahl der Arbeitsplätze und die Kombination aus Tierhaltung und Ackerbau berücksichtigt werden.

Die Gemeinwohl-Verpachtung betrifft allerdings nur die öffentlichen Eigentümer – maximal zehn Prozent der landwirtschaftlich genutzten Fläche.