Outdoor-Kleidung oder sauberes Trinkwasser: PFAS fordern Umwelt und Industrie heraus

PFAS in Outdoorkleidung

In Outdoor-Kleidung sind Chemikalien der Gruppe PFAS enthalten.

(Bild: Romain Gal, Unsplash)

PFAS finden sich in Outdoor-Kleidung, beschichteten Pfannen oder in weiten Teilen der Industrie. Jetzt könnten sie von der EU verboten werden. Industrie ist nicht begeistert.

PFAS oder per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen sind den meisten Verbrauchern nur durch konkrete Anwendungen wie beschichtete Pfannen oder Funktionsbekleidung gegen Regen und Schnee bekannt.

Von den in den 1950er-Jahren erstmals eingesetzten Substanzen gibt es heute schätzungsweise 10.000 Varianten. Wie viele es genau sind, weiß niemand, denn die meisten Stoffe unterliegen einem individuellen Betriebsgeheimnis. Und was man nicht kennt, kann man auch nicht suchen, sondern in der Praxis nur zufällig finden.

Bei diesen langzeitstabilen Stoffen ist man bereits im Abwasser, im Grund- und Trinkwasser sowie in Lebensmitteln fündig geworden. Die EU will nun im Rahmen der hierzulande üblichen Vorsorgepolitik über die Chemikalienagentur ECHA die Produktion dieser Stoffe einschränken. Denn in der EU sollen nur noch Stoffe auf den Markt kommen, die weder Mensch noch Natur schädigen.

In den USA ist man deutlich innovationsfreudiger und muss nur erklären, dass von ihnen kein Schaden ausgeht. Im Zweifelsfall muss ein Geschädigter vor Gericht gehen und einen Schaden durch ein bestimmtes Produkt gerichtsfest nachweisen. Da dies in der Regel mit hohem Aufwand verbunden ist, werden im Erfolgsfall hohe Schadensersatzsummen fällig.

US-Hersteller ziehen sich aus der PFAS-Produktion zurück

US-Herstellern wie DuPont wurde dieses Risiko zu groß, sodass sie die Verantwortung für PFAS lieber abspalten, um sich des Altlastenrisikos zu entledigen. Auch 3M will sich angesichts milliardenschwerer Schadensersatzklagen in den USA aus der PFAS-Produktion zurückziehen und dies weltweit.

In Deutschland werden PFAS-Stoffe derzeit noch an sechs Standorten hergestellt. Dies sind Lanxess in Leverkusen, Solvay in Bad Wimpfen, Daikin in Frankfurt am Main sowie drei Unternehmen im bayerischen Chemiepark Gendorf (Dyneon, W.L. Gore und Anchroma).

PFAS sind nicht nur sogenannte Ewigkeitschemikalien, sondern haben weltweit den Alltag erobert. Von der beschichteten Pfanne über regendichte Kleidung und Zahnseide bis zum Toilettenpapier lassen sich PFAS in Konsumprodukten nachweisen.

Gelangen PFAS zum Beispiel über Klärschlamm, der in der Landwirtschaft als Dünger ausgebracht wird, in den Boden, können sie dort nur mit großem Aufwand und unter hohen Temperaturen, die viel Energie und Geld kosten und alle Bodenlebewesen abtöten, wieder entfernt werden. ″Bei einer Kontamination im Raum Rastatt gibt es erste Schätzungen, wonach die Sanierung von Boden und Grundwasser mehrere Milliarden Euro kosten würde.″

PFAS sind auch in Kältemitteln enthalten, die lange Zeit in Wärmepumpen verwendet wurden. In Deutschland war Viessmann einer der ersten Hersteller, der in seinen Wärmepumpen PFAS-freie Kältemittel einsetzte. So verwundert es nicht, dass Viessmann seit Kurzem mit Carrier einen amerikanischen Eigentümer hat.

PFAS-freie Kältemittel sind Voraussetzung für eine Förderung durch das BAFA, was dazu geführt hat, dass chinesische Modelle mit PFAS-haltigen Kältemitteln hierzulande kaum noch zu verkaufen sind. Wer chinesische Entwicklungszeiten kennt, kann abschätzen, wie lange der derzeitige Vorsprung der hiesigen Hersteller noch Bestand haben wird.

Seit mehreren Jahren gibt es in der EU Bestrebungen, die Verwendung von PFAS einzuschränken. Das Verfahren zur Beschränkung von Chemikalien im Rahmen der REACH-Verordnung sieht vor, dass zunächst alle relevanten Informationen zusammengetragen werden. Dies ist mit der Veröffentlichung des Beschränkungsvorschlags Anfang 2023 geschehen.

Bis zum 25. September konnten interessierte Kreise im Rahmen der sechsmonatigen öffentlichen Konsultation zum PFAS-Beschränkungsvorschlag ihre Kommentare bei der Europäischen Chemikalienagentur ECHA einreichen. Die Stellungnahmen werden nun von den Behörden der fünf Länder (Deutschland, Niederlande, Dänemark, Norwegen, Schweden), die den ursprünglichen Vorschlag erarbeitet haben, sowie von den beiden wissenschaftlichen Ausschüssen der ECHA für Risikobewertung (RAC) und sozioökonomische Analyse (SEAC) geprüft. Anschließend werden die eingegangenen Stellungnahmen zum Beschränkungsvorschlag formuliert und der Vorschlag entsprechend überarbeitet.

Erst, wenn der wissenschaftliche Teil des Verfahrens abgeschlossen ist, beginnt der politische Teil. Auf Basis des überarbeiteten Beschränkungsvorschlags und der Stellungnahmen von RAC & SEAC entscheidet dann die EU-Kommission gemeinsam mit den Mitgliedsstaaten über die endgültige Ausgestaltung der Beschränkung. Der aktuelle Beschränkungsvorschlag sieht bereits zahlreiche unbefristete Ausnahmen für Wirkstoffe in Pflanzenschutzmitteln, Biozid-Produkten, Tierarzneimitteln und Humanarzneimitteln vor, die auf der ECHA-Seite unter Part 15 ab Seite 4 aufgelistet sind.

Warum der deutsche Maschinenbau um seine Existenz fürchtet

Dieser wissenschaftsbasierte Prozess dauert den Vertretern des deutschen Maschinenbaus im VDMA zu lange und birgt die Gefahr, dass man mit den üblichen politischen Aktivitäten derzeit nicht in den Prozess eingreifen kann, weil auf politischer Seite niemand für den Prozess zuständig ist und sich derzeit auch kein Politiker traut, in einem verminten Gelände sein Gewicht für eine Industriepolitik in die Waagschale zu werfen, die eindeutig eine vorsorgende Umweltpolitik dominiert.

Hintergrund der PFAS-Problematik ist die Langlebigkeit von PFAS, die einerseits zur Charakterisierung als Ewigkeitschemikalie geführt hat, andererseits aber auch der wesentliche Vorteil beim Einsatz im Maschinenbau hierzulande ist. Leider hat derzeit niemand einen wirklichen Überblick, wo die geschätzten 10.000 PFAS-Varianten eingesetzt werden. Daher gibt es bisher keine systematische Whitelist für unvermeidbare Anwendungsfälle, bei denen die Umwelt nicht belastet wird.

Dies müsste mit einer Erklärung einhergehen, wie verhindert wird, dass diese Stoffe in die Umwelt gelangen. Die Zusicherung, dass PFAS nicht ins Abwasser gelangen, ist längst von der Realität eingeholt worden. Es gibt zahlreiche wissenschaftliche Studien, die Abwässer oder Flüsse unterhalb von Kläranlagenabläufen untersucht und darin verschiedene PFAS gefunden haben. Auch in Abwässern von Anlagen, in denen PFAS hergestellt werden, konnten PFAS-Einträge nachgewiesen werden, wie eine Studie aus Frankreich zeigt.

Der deutsche Maschinenbau sorgt sich um seine Position auf dem Weltmarkt, denn schon heute führt das ECHA-Verfahren zu einer Verunsicherung im Markt, die beispielsweise dazu führen kann, dass Versicherungen eine PFAS-bezogene Police ablehnen oder Fluggesellschaften den Transport von PFAS-haltigen Produkten verweigern.

Die hierzulande grassierende Angst vor einer Deindustrialisierung Deutschlands könnte der Industrie nun einen guten Hebel bieten, damit sich die Politik klar für die Zukunft des deutschen Maschinenbaus und gegen den Umweltschutz positioniert. Sollten sich dann andere Länder gegen die uneingeschränkte Verwendung von PFAS aussprechen und den Import dieser Stoffe verbieten, könnte dies vor dem Hintergrund der europäischen Entscheidung als Protektionismus angeprangert werden. Deutschland muss sich jetzt entscheiden.

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