Passiver Widerstand

Gerade einmal 600 Dollar haben US-Bürger nach einem Spendenaufruf der US-Regierung für den Wiederaufbau des Irak gegeben

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Anfang September startete die US-Behörde für die internationale Entwicklung USAID zusammen mit der Hilfsorganisation GlobalGiving Foundation das Projekt Iraq Partnership. Die Bürger des Landes wurden aufgefordert, in der "guten Tradition des Landes" der Regierung zu helfen, den Irak wieder aufzubauen. Vorgestellt werden auf der Website einzelne "sorgfältig ausgewählte" Projekt, für die man dann direkt und online Geld spenden kann, um damit Tische für Schulen, Wasserpumpen für eine Kooperation von Bauern oder Computer für ein Geschäftszentrum kaufen kann.

Den willigen US-Bürgern wird eine "direkte Verbindung" zu den Projektleitern versprochen, aber auch die Mitwirkung an einem revolutionären Programm, das die Entwicklungshilfe "demokratisiert" und zudem den Amerikanern die Möglichkeit bietet, einen freien und blühenden Irak aufzubauen.

Nun ist diese staatliche Initiative, den seit Jahren kaum vorankommenden Wiederaufbau des eroberten Landes in die Hände der Menschen und deren Geldbeutel zu legen, sicherlich zu einer äußerst ungünstigen Zeit gestartet. Am 9. September, noch ganz unter dem Eindruck der Katastrophe, die der Orkan Katrina, trat man damit an die Öffentlichkeit und fand erwartungsgemäß keine Aufmerksamkeit. Dann kam nicht nur der nächste Orkan, sondern die heimischen Katastrophen verstärkten die negative Stimmung in der amerikanischen Bevölkerung gegenüber der Bush-Regierung, während aus dem Irak keine guten Nachrichten kommen.

Wenig verwunderlich ist also, dass bei der Spendenaktion, wie der britische Observer berichtet, nicht nur kaum Spenden eingingen, sondern gerade einmal 600 US-Dollar zu verzeichnen sind. Dabei sind die Amerikaner sonst gar nicht geizig und spenden gerne, 250 Milliarden Dollar in den letzten 12 Monaten. Viel ging davon ins Ausland, beispielsweise in die Tsunami-geschädigten Regionen, Hunderte Millionen brachten sie Amerikaner auch für die Menschen auf, die Opfer des Orkans Katrina wurden.

Am Irak aber scheint man kein Interesse zu haben, zusätzlich zu den Steuergeldern, die bereits ins Militär und den Wiederaufbau geflossen sind, noch mehr zu spenden. Versprochen war von der US-Regierung bekanntlich ein schneller und billiger Krieg. Nach dem Sturz des Tyrannen sollten die Menschen ihre Befreier mit offenen Armen aufnehmen, mit ihren großen Öl-Ressourcen würde die Befreiungsmission unterstützt und das Land mit den sprudelnden Milliarden zu einer kapitalistischen Musterdemokratie des Mittleren Ostens werden (Kriegskosten sind Peanuts). Nichts davon ist eingetreten, noch immer ist Krieg, vielleicht auch schon Bürgerkrieg, das Öl sprudelt nicht (Blut, aber kein Öl), die Gelder für den Wiederaufbau werden bestenfalls zum großen Teil für die Sicherheit ausgegeben oder versickern in dunkle, korrupte Kanäle. Zum Problem gehören auch diverse US-Unternehmen wie Halliburton, zuvor unter der Leitung von US-Vizepräsident Cheney, die mit überteuerten Leistungen, aber guten Beziehungen das Geld abzocken – und jetzt auch wieder ganz vorne beim Wiederaufbau in Louisiana stehen.

Die Bush-Regierung, die in Kritik nicht nur wegen des Irak-Kriegs, sondern auch wegen der Katastrophenbewältigung steht, hat nach Katrina schnell viele Milliarden Hilfe versprochen. Vielleicht war auch das der Grund, nun erstmals einen staatlichen Spendenaufruf zu machen, um wenigstens im Irak die Kosten nicht aus dem Ruder laufen zu lassen. Nicht besonders hilfreich dürfte freilich auch sein, dass die versprochene Transparenz in keiner Weise stattfinder. Der brave Bürger spendet angeblich Geld für ein von der Regierung ausgewähltes Projekt, doch wohin sein Geld wirklich fließt, erfährt er nicht: "Due to security concerns, this site does not provide specific information on project leaders, project locations, and beneficiaries." Das blinde Vertrauen in die Bush-Regierung, das sie nach dem 11.9. lange Zeit genossen hat, ist Skepsis gewichen.

Heather Layma, Sprecherin von USAIDS, erklärt tapfer, dass man nicht enttäuscht sei über die Spendierunlust. Schließlich helfe jeder Dollar und man habe auch kein finanzielles Ziel: "Die Menschen suchen nach einer Möglichkeit, beim Wiederaufbau des Irak zu helfen, und das ist eine Möglichkeit, dies zu unterstützen." An diesem Wochenende haben Hunderttausende von Menschen in den USA und in Großbritannien gegen die weitere Stationierung von Truppen im Irak protestiert.