Per SMS und Internet zum Widerstand

In 60 spanischen Städten fordern Jugendliche bezahlbareWohnungen

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Die spanische Jugend begehrt auf und fordert billige und würdige Wohnungen. In 60 Städten wurde protestiert, um das „Recht auf würdigen Wohnraum“, in der Verfassung verankert, einzufordern. Teilweise wurden Häuser besetzt, in der Hauptstadt Madrid prügelte die Polizei die Jugend auseinander.

Sitzstreik in Madrid

Statt zum „Kampftrinkwettbewerb“ (Macrobotellón) ("Wir werden mehr sein") haben Jugendliche im ganzen Staat diesmal per Internet und SMS zum Protest für billige und würdige Wohnungen aufgerufen. Niemand weiß genau, wer der Urheber war. Klar ist nur, dass die Aufrufe weiter gegeben wurden und es überall zum Protest kam.

Die Aktivitäten fielen unterschiedlich aus. War zu Sitzstreiks aufgerufen worden, kam es auch zu Demonstrationen oder Straßenblockaden. In einigen Fällen, wie in der baskischen Metropole Bilbao, besetzten Jugendliche in der Altstadt ein Haus für ein Gaztetxe (Jugendhaus). In dem Zentrum soll die Jugend einen Treff- und Organisationspunkt erhalten, um dem sinnentleerten Botellón mit einer Alternative zu begegnen, erklärten Sprecher der Hausbesetzerbewegung.

Negativ tritt wieder die Hauptstadt Madrid hervor, wo noch immer die konservative Volkspartei (PP) regiert. Die ließ auch die Proteste der Jugendlichen mit brutaler Polizeigewalt auseinander prügeln. Knapp 2000 Jugendliche hatten sich an den Aktivitäten beteiligt.

Dass der Aufruf spontan so breit aufgenommen wurde, zeigt, dass sich viele nicht mehr mit der Lage abfinden wollen. „In Madrid wie in Paris“ knüpfte man mit Parolen an den Widerstand der Jugendlichen in Frankreich gegen den Einstiegsvertrag (CPE) an (Staatsbegräbnis für das umstrittene Arbeitsgesetz). „50 Jahre Hypothekenkredit ist Sklaverei“, riefen sie. Sie wiesen so darauf hin, dass die hohen Wohnungspreise dazu führen, dass sich junge Leute auf Lebenszeit verschulden müssen, um an eine Wohnung zu kommen (Verschulden auf Lebenszeit in Spanien).

Auf Wohnungssuche in Donostia

In Madrid kostet eine kleine Wohnung (etwa 40 m2) fast 250.000 Euro. Noch teurer ist es in Barcelona oder im baskischen Donostia-San Sebastian. Deshalb ist es normal, mit mehr als 30 Jahren noch bei den Eltern zu leben. Mietwohnungen gibt es kaum und die Jugend kann sie, wegen hoher Preise und hoher Jugendarbeitslosigkeit, ohnehin kaum bezahlen. An der Situation hat die sozialistische Regierung in mehr als zwei Jahren nichts geändert. Dass sie die Frage der Jobs und Wohnungen für Jugendliche nun auf die Tagesordnung setzt, kommt spät.

Derweil hat sich die Immobilienblase immer gefährlicher aufgeblasen und die Preise nach oben getrieben. Dabei fehlt es nicht an Wohnungen. In den letzten Jahren wurden hier jährlich mehr gebaut als in Frankreich, Deutschland und Italien zusammen. Viele stehen leer, sind unbezahlbar oder dienen der Spekulation. Wegen des Großbetrugs an 350.000 Sparern droht die Blase nun aber mit unabsehbaren Folgen für die Wirtschaft zu platzen.

Da sich der Unmut nun Bahn bricht, könnte er sich auch auf die umstrittene Arbeitsmarktreform auswirken. Die werde, so Experten, nur geringe Auswirkungen auf die befristete Beschäftigung haben, von der Jugendliche besonders betroffen sind. Für die beiden kommenden Wochenenden wird derweil schon zu neuen Protesten aufgerufen.