Pershing II in Deutschland: Die Kosten des Kalten Krieges und die Suche nach Frieden

Seite 2: Der INF-Vertrag: Gorbatschow und Reagan

Nach dem Tod von Konstantin Tschernenko wurde der erst 54-jährige Michail Sergejewitsch Gorbatschow zum neuen Generalsekretär der KPdSU gewählt. Glasnost und Perestroika waren die Schlagworte, mit denen er das sowjetische System umkrempeln wollte.

Auch außenpolitisch und vor allem rüstungspolitisch setzte der neue Generalsekretär neue Akzente. Sein erster Besuch im Westen führte ihn im Oktober 1985 nach Frankreich.

In einer Rede vor der französischen Nationalversammlung bot er den Abbau der SS-20-Raketen an. Den Vorschlag unterbreitete er auch bei einem Gipfeltreffen mit Präsident Ronald Reagan im gleichen Jahr in Genf.

Damit kamen auch in die Abrüstungsverhandlungen, die 1983 abgebrochen wurden und im März 1985 wieder aufgenommen worden waren, wieder neuen Schwung. Verhandlungsleiter auf sowjetischer Seite war Viktor Karpow und auf amerikanischer Seite Max Kampelmann.

Zeichen des guten Willens der Sowjetunion

In den Gesprächen ging es nicht nur um die Mittelstreckenwaffen in Europa, sondern ebenso um die strategischen Atomwaffen und – für die Sowjetunion besonders wichtig – um das amerikanische SDI-Programm.

Das komplexe Verhandlungspaket hemmte den Fortschritt der Gespräche jedoch eher. Als ein Zeichen des guten Willens stellte die Sowjetunion bis November keine neuen SS-20 auf und auch die Aufstellung von Raketen kürzerer Reichweite in der DDR und CSSR wurde nicht weiter verfolgt.

LKW mit Transport- und Abschussbehälter für eine SS-20-Mittelstreckenrakete. Bild: Igor Bollmann / Public Domain

Dies gab Gorbatschow am 8. April in einem Interview mit der PRAWDA bekannt. Am 3. Oktober löste Gorbatschow das Junktim zwischen INF, START und Weltraumbereich wieder auf und bekräftigte, dass die Sowjetunion auch zu einem separaten INF-Abkommen bereit wäre.

Das erste Treffen: Fünf Stunden unter vier Augen

Am 19. November fand erstmals seit mehr als sechs Jahren wieder ein Gipfeltreffen der beiden Supermächte statt: US-Präsident Ronald Reagan und der sowjetische Parteichef Michail Gorbatschow trafen sich zu einem zweitägigen Meinungsaustausch in Genf.

Insgesamt fünf Stunden konferierten die beiden Politiker unter vier Augen. In einem gemeinsamen Abschlussdokument bekundeten beide Seiten ihre Bereitschaft zu weiteren Gipfelbegegnungen.

Außerdem erklärten beide Seiten, keine militärische Überlegenheit über die Gegenseite anzustreben. Ferner sprachen sich die beiden Staatsmänner für eine 50-prozentige Reduzierung der nuklearen Waffen und für ein Zwischenergebnis in der Frage der atomaren Mittelstreckenwaffen bei den Abrüstungsgesprächen in Genf aus.

Gorbatschow: Für völlige Vernichtung aller Atomwaffen vor

Gorbatschow schlug am 15. Januar 1986 die völlige Vernichtung aller Atomwaffen vor und kündigte eine Verlängerung des einseitigen Moratoriums für unterirdische Atomversuche an. Außerdem machte er einen neuen Vorschlag für den Bereich der Mittelstreckenwaffen.

In einem Brief an Bundeskanzler Kohl präzisierte Gorbatschow diese Abrüstungsvorschläge. Präsident Reagan äußerte sich in einem Interview mit der Washington Post am 11. Februar zuversichtlich, noch 1986 ein Zwischenabkommen über den Abbau der Mittelstreckenwaffen in Europa zu erreichen.

In einem Brief an Gorbatschow forderte Reagan nach einem Bericht der New York Times vom 23. Februar den Abbau aller amerikanischen und sowjetischen Mittelstreckenraketen in Europa innerhalb von drei Jahren.

Gleichzeitig sollte damit eine Reduzierung dieser Waffen in Asien um 50 Prozent verbunden sein. Die Außenminister des Warschauer Paktes stellten sich auf einer Konferenz in Warschau am 20. März einmütig hinter die Abrüstungspläne Gorbatschows.

Die Nato

Die Verteidigungsminister der Nato gaben am 21. März auf einem Treffen der Nuklearen Planungsgruppe (NPG) in Würzburg ein positives Votum zu den US-amerikanischen Vorschlägen zum Abbau der Mittelstreckenwaffen. Gorbatschow machte am 18. April auf dem SED-Parteitag in Ostberlin neue Vorschläge für die Abrüstung bei konventionellen Streitkräften.

Reagan erklärte am 22. April, sich weiter an das vom Kongress nicht ratifizierte Salt II-Abkommen halten zu wollen. Am 17. Juni erläuterte Gorbatschow in einer Rede vor dem Zentralkomitee der KPDSU die neuen Abrüstungsvorschläge, die sein Land bei den Verhandlungen in Genf vorgelegt hatte.

Reagan bezeichnete in einer Rede in Glassboro am 21. Juni die Moskauer Vorschläge als ernsthaften Versuch zu Abrüstung.